Ptizie, der Feuervogel

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flammarion

Foren-Redakteur
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Ptizie, der Feuervogel

Ein Wichtel, Max war sein Name, saß am Fluss und angelte. Wichtel angeln nicht wirklich, sie locken die Fische nur an, um sich mit ihnen zu unterhalten. Bei der Kälte aber ließ sich keiner blicken, um Max die Zeit zu vertreiben. Langsam glitten seine Gedanken ab in die Märchenwelt, zu dem russischen Königsfisch – der Hecht, welcher einem gewissen Jemeljan mehrmals aus der Klemme geholfen hatte. Ähnlich wie im deutschen Märchen vom Buttje in de See.
Als er an den kürzlich berühmt gewordenen Clownsfisch Nemo dachte, fiel ihm auch gleich Arielle ein. Aber sie und ebenso ihr Vorbild aus dem klassischen Altertum Undine würden ihm die Ohren lang ziehen bei dem Vergleich mit einem Fisch. Nicht alles, was einen Fischschwanz hat, ist auch ein Fisch. Die Orcas zum Beispiel sind Säugetiere wie alle Wale. Die berühmtesten Orcas sind ja wohl „Willie“ und „Flipper“. Und noch einen berühmten Fisch gab es, den weißen Hai. Aber von Räubern will Max nichts wissen.
Nach einer Weile gesellte sich ein alter Bekannter zu ihm. Ein Hauself, der sich als Wichtel verkleidet hatte. Er sollte ein paar Fische angeln zum Abendbrot. Leider gingen ihm nur drei mickrige Störe an den Haken.
In der Zwischenzeit erzählte er, dass bald ein neuer Eisbrecher vom Stapel laufen wird. „Ach“, dachte Max, „so einen Stapellauf würde ich mir auch gerne mal wieder ansehen!“
Er nahm sich vor, gleich am nächsten Tag auf Grossini, seinem winzigen Pferd, in die Stadt zu reiten, wo die große Werft arbeitete. Um die Mittagszeit kam er im Hafen an und sah, dass der Eisbrecher fast fertig war. Zwar nicht termingerecht – die große Kälte hatte zu früh eingesetzt – aber immerhin noch vor Weihnachten.
Ein paar Tage würde es schon noch dauern. Also setze Max sich an den Kai und holte seine Angel hervor. Er wollte sich den Hafen auch von unten anschauen. Die Angel bedeutet für einen Wichtel nämlich ein weiteres Auge.
Wie er da so auf den Boden blickte, wunderte er sich, was die Leute alles wegwerfen. Es ist zwar verboten, irgendetwas ins Hafenbecken zu werfen, aber hier fanden sich komplette Wohnungseinrichtungen! Und natürlich auch gesunkene Schiffe. Max überlegte gerade, ob er nicht das U-Boot näher zur Mole ziehen sollte, damit den Leuten auffällt, wie belastet der Hafen ist, da wurde er von der Seite angesprochen: „He, Max, was treibt dich denn mal wieder in die Stadt?“
Erstaunt wendete Max sich um. Wer kannte ihn hier? Es war ein junger Klabauter, den Ole einmal bei einer Seereise kennen gelernt hatte. Freudig reichte er die Hand zum Gruß: „Klabinius! Schön, dich zu sehen!“
„Ganz meinerseits, ganz meinerseits! Du wirst dich wundern, du bist mein Retter in der Not!“
„Ja, aber wie das denn?“
„Mein Vater will, dass ich den Eisbrecher „Nordpolarbär“ als Schutzpatron begleite. Aber ich habe einen Feuervogel zu Hause, der wäre dann verlassen und würde krepieren. Ich kann ihn ja nicht fliegen lassen, solche Vögel haben keinen Orientierungssinn. Er käme nie in seiner Heimat an. Könntest du ihn nicht nach Hause bringen? Meinem Vater darf ich gar nicht erst von ihm erzählen! Ein Feuervogel im Hause eines Klabauters! Das ist unmöglich“.
Max kraute sich den Bart und überlegte. Inzwischen fragte er: „Woher hast du denn das Tier?“
„Beim Würfeln gewonnen. Er ist völlig zahm und ungefährlich. Und singen kann der, du, der kann singen, sag ich dir, man kann gar nicht genug bekommen von seinem Gesang! Ich vermisse ihn jetzt schon“.
Nun stimmte Max zu und sie liefen schnell zu Klabinius Wohnung. Er erklärte dem wundersamen Vogel die Sachlage und überreichte Max den riesigen Käfig mit allem Drum und Dran. „Nur gut, dass ich Grossini habe“, seufzte Ole und nahm sofort den langen Weg nach Osteuropa in Angriff.
Bald lag die Stadt im Abendschein hinter ihnen und sie kamen in einen dicht verschneiten Wald. Auf dem Wege repetierte der Feuervogel noch einmal: „Wenn ein neues Schiff vom Stapel läuft, setzt der Klabautermann einen seiner Söhne als Schutzpatron darauf. Kommt das Schiff in Gefahr, zeigt er sich und unterstützt seinen Sohn. Aber meist kann er gegen die bösen Winde nichts ausrichten und nimmt seinen Sohn zu sich“.
Ole ergänzte: „Wenn das Schiff sehr alt ist, hat sich der kleine Klabauter manchmal so daran gewöhnt, dass er sich weigert, von Bord zu gehen und bleibt beim Kapitän, dem er dann über den Tod hinaus die Zeit vertreibt“.
„Ja“, schluchzte das Fabelwesen, „hoffentlich bleibt dem guten Klabinius solches erspart!“
„Das freut mich, dass du ihn den guten Klabinius nennst. Es ist total exotisch für einen Wassergeist, einen Feuervogel als Hausgesellen zu haben. Aber ihr habt euch offenbar recht gut verstanden?“
„Ja ha ha ha, haben wir“, tirilierte der Vogel.
Klabinius hatte schon gesagt, dass Ptizie – so war der Name von Max Weggefährten – sehr schön singen kann. Nun bekam Max es zu hören und fand die Schilderung nicht übertrieben. Keine Nachtigall konnte es besser!
Das Pferd kam gut voran auf dem gefrorenen Waldboden. So ein Winterwald hat schon seinen besonderen Zauber. Aber die drei wollten rasch große Strecken zurücklegen und achteten die Schönheit kaum.
Ptizie zwitscherte vor sich hin, bis er das Weihnachtslied „Hört der Engel helle Lieder“ anstimmte. Besonders das „Gloria“ intonierte er ganz hervorragend.
Max fragte: „Kennst du auch „Tochter Zion“?“
„Na hein. Wie hie gehet dahas dehenn?“
„Oh, das wird deinem Koloratursopran sehr entgegenkommen!“, freute sich Max und begann zu singen: „Tochteher Zion, frohhh ohhh ohhh ohhh oie dich . . .“
Ptizie jubilierte: „Oh, das ist wunderschön!“
„Ja, mein schöner, und es geht auch so toll weiter: ja ahhh ahh ahh auchze laut, Je ru hu hu salem!“
Ptizie trippelte in seinem Käfig aufgeregt hin und her und drehte sich so schnell um seine eigene Achse, dass er für einen Moment wie eine lodernde Fackel aussah.
Sie übten Zeile für Zeile und binnen kurzem konnte der Vogel alle vier Strophen auswendig.
Während sie so sangen, kamen sie an einem Tannenbaum vorbei, der fragte: „Wohin zieht ihr, Freunde?“
„Wir bringen den Feuervogel in seine Heimat“.
„Aha, ihr tut ein gutes Weihnachtswerk. Vielleicht könnt ihr mir meinen sehnlichsten Weihnachtswunsch erfüllen?“
„Was wünschst du dir denn?“
„Ich möchte so gern einmal aussehen wie die Weihnachtsbäume in der Stadt!“
Max beriet mit Ptizie, wie das wohl zu bewerkstelligen sei. Dann sagten sie zu dem Baum: „Weißt du, du bist so prächtig anzuschauen mit deinen gut gewachsenen Zweigen und dem dicken Schnee darauf. Du brauchst gar keinen weiteren Schmuck. Aber wir können dir eine kleine Erinnerung hinterlassen“.
Ptizie zog sich ein paar Federn aus und Ole steckte sie so an den Baum, dass es aussah, als ob er aus sich selbst heraus unter dem Schnee mit roten und weißen Lichtern funkelte.
Der Baum bedankte sich herzlich: „Ich glaube nicht, dass irgendeiner der Stadtbäume jemals so herrlich geschmückt sein wird, wie ich es jetzt bin!“
Die drei zogen schweigend weiter. Aber es würde nicht lange dauern, bis Ptizie ein neues Lied einfällt. Max jedoch hatte genug Gesang gehört. Wenn er auch noch so schön und lieblich war, man kann ihn nicht ständig hören. Ebenso, wie man auch nicht ständig Süßigkeiten essen kann. Daher fragte er den Vogel: „Ptizie, kennst du einen Zungenbrecher?“
„Nein, wa a a a as i i i i ist eihein Zuhungehenbrecherher?“, tirilierte der Vogel. „Na, zum Beispiel: Wir Wiener Waschweiber würden weiße, weiche Wäsche waschen, wenn wir Wiener Waschweiber wüssten, wo warmes, weiches Wasser wäre. Ach nein, das ist ja ein Stabreim“.
„Wa a a a as i i i i ist dahas dehenn?“
“Bei einem Stabreim beginnt jedes Wort oder zumindest fast jedes Wort mit dem selben Buchstaben. Wie zum Beispiel bei Fischers Fritze fischte frische Fische, frische Fische fischte Fischers Fritze. Das wird auch immer gerne als Zungenbrecher ausgegeben. Ebenso wie Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid bleibt Brautkleid.
Ach, versuche es gar nicht erst nachzusprechen, bei deiner Art zu reden dauert der Spruch ja eine Stunde!“, lachte Max.

Auf einmal kamen ihnen mehrere Wichtel mit einem Schlitten voll Obst entgegen. Sie fragten: „Wohin zieht ihr, Freunde?“
„Wir bringen den Feuervogel in seine Heimat“.
„Aha, ihr tut ein gutes Weihnachtswerk“.
„Und ihr seid sicher auch gerade bei einem solchen?“
„Ja, genau, wir bringen dieses Obst in die Stadt, da gibt es Kinder, die hatten heuer noch keines“.
Während dieser Rede war Grossini immer näher an den Schlitten herangetreten. Das Obst duftete ihm gar verführerisch in der Nase! Die Wichtel erkannten sein Begehr und reichten ihm einen Apfel. Das war ein Leckerbissen!
Sie zogen weiter. Irgendwann kamen sie in Ptizies Heimat an. Aber die Zauberwesen versteckten sich. Sie fürchteten, dass Max ein Vogelfänger sei, der sie einfangen und verkaufen wolle. Da ließ Max Ptizie frei. Der schwang sich hoch in die Luft und jubilierte: „A a a a ahhhh, e he hend li hi hich bi i in i i i ich zu u u Hau au au se e e e e!“
Die Feuervögel kamen aus ihrem Versteck und freuten sich, dass Ptizie wieder wohlbehalten in ihrer Mitte ist und begannen einen Freudentanz. Der Heimkehrer wurde aufgefordert, mitzutanzen, aber er hatte es im Laufe der Jahre verlernt. Es entbrannte ein Streit darüber, ob man ihm das verzeihen soll oder nicht. Dabei kam es zu Handgreiflichkeiten und die Federn flogen.
Grossini erschrak von dem vielen flackernden Feuern vor seinen Augen und er wieherte angstvoll. Er war nicht in der Lage, die einzelnen Kämpfer zu unterscheiden, er sah nur Feuer wirbeln und fürchtete um seine Gesundheit und dass der Wald abbrennen könnte.
Das brachte die Streithähne zur Vernunft. Sie beendeten den sinnlosen Kampf und ordneten ihr Gefieder. Max sagte, dass er gern ein Paar Feuervogelfedern für seine Freunde mitnehmen möchte und begann auch schon, welche aufzusammeln. „Das geht nicht“, wendete einer ein. „Du kannst immer nur eine nehmen. Zusammengebunden reiben sie sich aneinander und verbrennen. Sie müssen immer so aneinander liegen, wie sie gewachsen sind. Wer weiß schon, welche der hier herumliegenden Federn zu welchem Vogel gehörte und wo sie ihm gewachsen war?“
Max trennte die aufgelesenen Federn rasch voneinander und steckte sich in jede Tasche eine. Dann verabschiedete er sich höflich und schwang sich auf Grossinis Rücken. Da er jetzt die Last des Käfigs nicht mehr balancieren musste, konnte er einen „Nach Hause“ Zauber anwenden, der ihn in minutenschnelle zu seiner Behausung brachte.
Die Federn verteilte er an seine besten Freunde. Sie hatten nun auf ewig Licht in ihren kleinen Kammern.
 

Doska

Mitglied
Süßes kleines Wintermärchen. Hat mir sehr gut gefallen - besonders der Feuervogel. Man möchte am liebsten von Wichtel Max mitgenommen werden in seine Zauberwelt und weitere Abenteuer erleben.
 

sannasohn

Mitglied
Liebe Christa

also ich hab dir ja alles gesagt was ich bemängeln konnte, und du wirst es gewiss ändern....aber ansonsten ist die geschichte echt süß und ich hoffe sie im meinem weihnachtgeschenk von dir wiederzufinden... ;)
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ptizie, der Feuervogel

Ein Wichtel, Max war sein Name, saß am Fluss und angelte. Wichtel angeln nicht wirklich, sie locken die Fische nur an, um sich mit ihnen zu unterhalten. Bei der Kälte aber ließ sich keiner blicken, um Max die Zeit zu vertreiben. Langsam glitten seine Gedanken ab in die Märchenwelt, zu dem russischen Königsfisch – der Hecht, welcher einem gewissen Jemeljan mehrmals aus der Klemme geholfen hatte. Ähnlich wie im deutschen Märchen vom Buttje in de See.
Als er an den kürzlich berühmt gewordenen Clownsfisch Nemo dachte, fiel ihm auch gleich Arielle ein. Aber sie und ebenso ihr Vorbild aus dem klassischen Altertum Undine würden ihm die Ohren lang ziehen bei dem Vergleich mit einem Fisch. Nicht alles, was einen Fischschwanz hat, ist auch ein Fisch. Die Orcas zum Beispiel sind Säugetiere wie alle Wale. Der berühmteste Orca ist ja wohl „Willie“ und der berühmteste Delphin ist „Flipper“. Und noch einen berühmten Fisch gab es, den weißen Hai. Aber von Räubern will Max nichts wissen.
Nach einer Weile gesellte sich ein alter Bekannter zu ihm. Ein Hauself, der sich als Wichtel verkleidet hatte. Er sollte ein paar Fische angeln zum Abendbrot. Leider gingen ihm nur drei mickrige Störe an den Haken.
In der Zwischenzeit erzählte er, dass bald ein neuer Eisbrecher vom Stapel laufen wird. „Ach“, dachte Max, „so einen Stapellauf würde ich mir auch gerne mal wieder ansehen!“
Er nahm sich vor, gleich am nächsten Tag auf Grossini, seinem winzigen Pferd, in die Stadt zu reiten, wo die große Werft arbeitete. Um die Mittagszeit kam er im Hafen an und sah, dass der Eisbrecher fast fertig war. Zwar nicht termingerecht – die große Kälte hatte zu früh eingesetzt – aber immerhin noch vor Weihnachten.
Ein paar Tage würde es schon noch dauern. Also setze Max sich an den Kai und holte seine Angel hervor. Er wollte sich den Hafen auch von unten anschauen. Die Angel bedeutet für einen Wichtel nämlich ein weiteres Auge.
Wie er da so auf den Boden blickte, wunderte er sich, was die Leute alles wegwerfen. Es ist zwar verboten, irgendetwas ins Hafenbecken zu werfen, aber hier fanden sich komplette Wohnungseinrichtungen! Und natürlich auch gesunkene Schiffe. Max überlegte gerade, ob er nicht das U-Boot näher zur Mole ziehen sollte, damit den Leuten auffällt, wie belastet der Hafen ist, da wurde er von der Seite angesprochen: „He, Max, was treibt dich denn mal wieder in die Stadt?“
Erstaunt wendete Max sich um. Wer kannte ihn hier? Es war ein junger Klabauter, den Max einmal bei einer Seereise kennen gelernt hatte. Freudig reichte er die Hand zum Gruß: „Klabinius! Schön, dich zu sehen!“
„Ganz meinerseits, ganz meinerseits! Du wirst dich wundern, du bist mein Retter in der Not!“
„Ja, aber wie das denn?“
„Mein Vater will, dass ich den Eisbrecher „Nordpolarbär“ als Schutzpatron begleite. Aber ich habe einen Feuervogel zu Hause, der wäre dann verlassen und würde krepieren. Ich kann ihn ja nicht fliegen lassen, solche Vögel haben keinen Orientierungssinn. Er käme nie in seiner Heimat an. Könntest du ihn nicht nach Hause bringen? Meinem Vater darf ich gar nicht erst von ihm erzählen! Ein Feuervogel im Hause eines Klabauters! Das ist unmöglich“.
Max kraute sich den Bart und überlegte. Inzwischen fragte er: „Woher hast du denn das Tier?“
„Beim Würfeln gewonnen. Er ist völlig zahm und ungefährlich. Und singen kann der, du, der kann singen, sag ich dir, man kann gar nicht genug bekommen von seinem Gesang! Ich vermisse ihn jetzt schon“.
Nun stimmte Max zu und sie liefen schnell zu Klabinius Wohnung. Er erklärte dem wundersamen Vogel die Sachlage und überreichte Max den riesigen Käfig mit allem Drum und Dran. „Nur gut, dass ich Grossini habe“, seufzte Max und nahm sofort den langen Weg nach Osteuropa in Angriff.
Bald lag die Stadt im Abendschein hinter ihnen und sie kamen in einen dicht verschneiten Wald. Auf dem Wege repetierte der Feuervogel noch einmal: „Wenn ein neues Schiff vom Stapel läuft, setzt der Klabautermann einen seiner Söhne als Schutzpatron darauf. Kommt das Schiff in Gefahr, zeigt er sich und unterstützt seinen Sohn. Aber meist kann er gegen die bösen Winde nichts ausrichten und nimmt seinen Sohn zu sich“.
Max ergänzte: „Wenn das Schiff sehr alt ist, hat sich der kleine Klabauter manchmal so daran gewöhnt, dass er sich weigert, von Bord zu gehen und bleibt beim Kapitän, dem er dann über den Tod hinaus die Zeit vertreibt“.
„Ja“, schluchzte das Fabelwesen, „hoffentlich bleibt dem guten Klabinius solches erspart!“
„Das freut mich, dass du ihn den guten Klabinius nennst. Es ist total exotisch für einen Wassergeist, einen Feuervogel als Hausgesellen zu haben. Aber ihr habt euch offenbar recht gut verstanden?“
„Ja ha ha ha, haben wir“, tirilierte der Vogel.
Klabinius hatte schon gesagt, dass Ptizie – so war der Name von Max Weggefährten – sehr schön singen kann. Nun bekam Max es zu hören und fand die Schilderung nicht übertrieben. Keine Nachtigall konnte es besser!
Das Pferd kam gut voran auf dem gefrorenen Waldboden. So ein Winterwald hat schon seinen besonderen Zauber. Aber die drei wollten rasch große Strecken zurücklegen und achteten die Schönheit kaum.
Ptizie zwitscherte vor sich hin, bis er das Weihnachtslied „Hört der Engel helle Lieder“ anstimmte. Besonders das „Gloria“ intonierte er ganz hervorragend.
Max fragte: „Kennst du auch „Tochter Zion“?“
„Na hein. Wie hie gehet dahas dehenn?“
„Oh, das wird deinem Koloratursopran sehr entgegenkommen!“, freute sich Max und begann zu singen: „Tochteher Zion, frohhh ohhh ohhh ohhh oie dich . . .“
Ptizie jubilierte: „Oh, das ist wunderschön!“
„Ja, mein schöner, und es geht auch so toll weiter: ja ahhh ahh ahh auchze laut, Je ru hu hu salem!“
Ptizie trippelte in seinem Käfig aufgeregt hin und her und drehte sich so schnell um seine eigene Achse, dass er für einen Moment wie eine lodernde Fackel aussah.
Sie übten Zeile für Zeile und binnen kurzem konnte der Vogel alle vier Strophen auswendig.
Während sie so sangen, kamen sie an einem Tannenbaum vorbei, der fragte: „Wohin zieht ihr, Freunde?“
„Wir bringen den Feuervogel in seine Heimat“.
„Aha, ihr tut ein gutes Weihnachtswerk. Vielleicht könnt ihr mir meinen sehnlichsten Weihnachtswunsch erfüllen?“
„Was wünschst du dir denn?“
„Ich möchte so gern einmal aussehen wie die Weihnachtsbäume in der Stadt!“
Max beriet mit Ptizie, wie das wohl zu bewerkstelligen sei. Dann sagten sie zu dem Baum: „Weißt du, du bist so prächtig anzuschauen mit deinen gut gewachsenen Zweigen und dem dicken Schnee darauf. Du brauchst gar keinen weiteren Schmuck. Aber wir können dir eine kleine Erinnerung hinterlassen“.
Ptizie zog sich ein paar Federn aus und Ole steckte sie so an den Baum, dass es aussah, als ob er aus sich selbst heraus unter dem Schnee mit roten und weißen Lichtern funkelte.
Der Baum bedankte sich herzlich: „Ich glaube nicht, dass irgendeiner der Stadtbäume jemals so herrlich geschmückt sein wird, wie ich es jetzt bin!“
Die drei zogen schweigend weiter. Aber es würde nicht lange dauern, bis Ptizie ein neues Lied einfällt. Max jedoch hatte genug Gesang gehört. Wenn er auch noch so schön und lieblich war, man kann ihn nicht ständig hören. Ebenso, wie man auch nicht ständig Süßigkeiten essen kann. Daher fragte er den Vogel: „Ptizie, kennst du einen Zungenbrecher?“
„Nein, wa a a a as i i i i ist eihein Zuhungehenbrecherher?“, tirilierte der Vogel. „Na, zum Beispiel: Wir Wiener Waschweiber würden weiße, weiche Wäsche waschen, wenn wir Wiener Waschweiber wüssten, wo warmes, weiches Wasser wäre. Ach nein, das ist ja ein Stabreim“.
„Wa a a a as i i i i ist dahas dehenn?“
“Bei einem Stabreim beginnt jedes Wort oder zumindest fast jedes Wort mit dem selben Buchstaben. Wie zum Beispiel bei Fischers Fritze fischte frische Fische, frische Fische fischte Fischers Fritze. Das wird auch immer gerne als Zungenbrecher ausgegeben. Ebenso wie Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid bleibt Brautkleid.
Ach, versuche es gar nicht erst nachzusprechen, bei deiner Art zu reden dauert der Spruch ja eine Stunde!“, lachte Max.

Auf einmal kamen ihnen mehrere Wichtel mit einem Schlitten voll Obst entgegen. Sie fragten: „Wohin zieht ihr, Freunde?“
„Wir bringen den Feuervogel in seine Heimat“.
„Aha, ihr tut ein gutes Weihnachtswerk“.
„Und ihr seid sicher auch gerade bei einem solchen?“
„Ja, genau, wir bringen dieses Obst in die Stadt, da gibt es Kinder, die hatten heuer noch keines“.
Während dieser Rede war Grossini immer näher an den Schlitten herangetreten. Das Obst duftete ihm gar verführerisch in der Nase! Die Wichtel erkannten sein Begehr und reichten ihm einen Apfel. Das war ein Leckerbissen!
Sie zogen weiter. Irgendwann kamen sie in Ptizies Heimat an. Aber die Zauberwesen versteckten sich. Sie fürchteten, dass Max ein Vogelfänger sei, der sie einfangen und verkaufen wolle. Da ließ Max Ptizie frei. Der schwang sich hoch in die Luft und jubilierte: „A a a a ahhhh, e he hend li hi hich bi i in i i i ich zu u u Hau au au se e e e e!“
Die Feuervögel kamen aus ihrem Versteck und freuten sich, dass Ptizie wieder wohlbehalten in ihrer Mitte ist und begannen einen Freudentanz. Der Heimkehrer wurde aufgefordert, mitzutanzen, aber er hatte es im Laufe der Jahre verlernt. Es entbrannte ein Streit darüber, ob man ihm das verzeihen soll oder nicht. Dabei kam es zu Handgreiflichkeiten und die Federn flogen.
Grossini erschrak von dem vielen flackernden Feuern vor seinen Augen und er wieherte angstvoll. Er war nicht in der Lage, die einzelnen Kämpfer zu unterscheiden, er sah nur Feuer wirbeln und fürchtete um seine Gesundheit und dass der Wald abbrennen könnte.
Das brachte die Streithähne zur Vernunft. Sie beendeten den sinnlosen Kampf und ordneten ihr Gefieder. Max sagte, dass er gern ein Paar Feuervogelfedern für seine Freunde mitnehmen möchte und begann auch schon, welche aufzusammeln. „Das geht nicht“, wendete einer ein. „Du kannst immer nur eine nehmen. Zusammengebunden reiben sie sich aneinander und verbrennen. Sie müssen immer so aneinander liegen, wie sie gewachsen sind. Wer weiß schon, welche der hier herumliegenden Federn zu welchem Vogel gehörte und wo sie ihm gewachsen war?“
Max trennte die aufgelesenen Federn rasch voneinander und steckte sich in jede Tasche eine. Dann verabschiedete er sich höflich und schwang sich auf Grossinis Rücken. Da er jetzt die Last des Käfigs nicht mehr balancieren musste, konnte er einen „Nach Hause“ Zauber anwenden, der ihn in minutenschnelle zu seiner Behausung brachte.
Die Federn verteilte er an seine besten Freunde. Sie hatten nun auf ewig Licht in ihren kleinen Kammern.
 



 
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