Pushpaka – Kampf um den fliegenden Palast

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Vasco

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Pushpaka – Kampf um den fliegenden Palast


König Rama betrachtete erstaunt das Armaturenbrett. Eigentlich wollte er diesen herrlichen fliegenden Palast hinüber zum göttlichen Park manövrieren, wo Prinzessin Sita auf ihn wartete. Stattdessen aber drehte sich das Luftfahrzeug um 180 Grad und nahm Fahrt nach Südosten auf, in Richtung der Insel Lanka.

„Dein Beherrscher wünscht zu seinen liebreizenden Gärten zu reisen!“, befahl er daher dem Wolkengleiter mit vernehmbarer Stimme. Doch statt einer Bestätigung erscholl ein vielstimmiges Gelächter aus den beiden Lautsprechern des Kommandoschirms.
„Rama, Du bist König in der fernen Stadt Ayodhya. Dort, im Schatten der ewigen Bergriesen mag man Deinem Wort Gehorsam leisten. Über dieses Vimana aber gebietest Du nicht. Dieses technische Wunder verfügt über seinen eigenen Willen. Welcher allerdings zumeist identisch ist, mit dem seines Beherrschers … meinem!“, höhnten die Stimmen im Gleichklang eines Chors.
Da bemerkte König Rama, dass er in eine Falle gegangen war.

„Der Zehnköpfige hat mir den Flieger wie einen Köder hingeworfen. Und ich habe es nicht einmal bemerkt!“ schoss es ihm durch den Kopf. Ein vollkommen geschaffenes Vimana, welches einem ummauerten Palast mit drei Türmen glich. Es schwebte scheinbar verlassen und ohne Führung über den königlichen Park, wo es König Rama fand. Weil er selbst ein ausgezeichneter Fahrzeuglenker war, hatte es seine Neugierde sofort erweckt. So war er durch das offene Portal getreten und hatte im Sessel des Kommandanten Platz genommen. „Ich bin in die Fänge des hinterlistigen Ravanna geraten“, durchfuhr es ihn, als er den Kommandostand musterte.

„Ich habe es „Pushpaka, die wunderbare Lotosblüte“ getauft“, vernahm er alsbald, „weil wir einander so verbunden sind. Wenn ich nach Lanka reisen will, so will es meine Lotosblüte auch. Ist mein Wille jedoch danach, die schöne Sita gewinnen, so ist mir auch hier der Himmelspalast zu Diensten." Der böse Dämon wählte seine Worte genau. Denn wohl war ihm bewusst, dass Rama ein mächtiger König war. Und auch über die geheimen Künste gebot, welche von Brahma selbst nur den härtesten Asketen im Schlaf zugeflüstert werden.

„Ravanna, Du wagst es, mich herauszufordern? Jede Deiner zehn Zungen gebiert nur Lügen! Jedes Deiner Häupter ist ein Schoß der widerwärtigsten Gedanken! Aus Gier und Habsucht besteht all Dein Geist. Ist es Dir aber vielleicht entgangen, dass ich über viele hundert Kriegeselefanten und zehntausende Soldaten verfüge? Auf der Stelle ändere den Kurs!“, donnerte der Getäuschte.
„Nein! Pushpaka will es auch nicht. Nun aber tritt hinaus auf den Balkon und genieße die herrliche Aussicht“, erwiderte der Dämonenfürst. Daraufhin schwenkten die Türflügel auf und gaben den Blick frei auf einen herrlichen Wald. In dessen Mitte lag eine saftige grüne Wiese und darin ein kleiner See in welchem sich der blaue Himmel spiegelte. An einem Ufer stand ein Pavillon aus Alabaster.

Dort hatte sich Prinzessin Sita niedergelassen, um auf ihren Liebsten zu warten, solange jener den wundersamen Wolkenpalast in Augenschein nehmen wollte. Während sie aber über den Baumwipfeln langsam dahinglitten, kamen plötzlich zehn niedere Dämonen aus dem Wald, überwältigten die Leibwache der Prinzessin, und nahmen Sita mit sich. Noch bevor der König sich seiner besonderen Kräfte bedienen konnte, hatte Pushpaka beschlossen, in Windeseile zur Küste zu fliegen, um noch vor dem Monsun in Lanka zu sein, Ravannas Reich. Ein Schatten legte sich auf des Königs Gemüt. Zwar fürchtete er den finsteren Fürsten mit seinen zwanzig Armen nicht, wären auch zwanzig Pfeile, Klingen und Lanzen auf ihn gerichtet. Die Kraft seines Geistes würde ihn im Kampf siegreich bestehen lassen. Aber dass sich seine Angebetete nun in der Hand seines Todfeindes befand, versetzte ihm einen Stich im Innersten. Und genau das hatte sein Widersacher beabsichtigt.

„Sehe ich Kummer auf Deinem Antlitz, König Rama? Oh, hab’ keine Sorge. Der schönen Sita wird nichts geschehen, was sie nicht auch selbst begehrt“, sprach er tückisch, gefolgt von einem vielstimmigen Hohngelächter.
„Er kann sich hier innerhalb des Vimana, aber auch genau so gut viele Meilen jenseits des Meeres auf seiner Insel befinden“, überlegte der kluge König und schloss die Augen. Wie er es von den Weisen hoch oben in den Bergen des Himalayas gelernt hatte, versank er in tiefe Meditation und erforschte seine Gedanken. Dann stand sein Entschluss fest: „Ich werde kämpfen! Ich werde Ravanna vernichten und die Insel für mein Reich gewinnen“, sprach er leise zu sich. Und dann sehr laut: „Widerlicher Dämon, ich werde Dir, und all Deinen finsteren Rakshasas mit meinem ganzen Heer entgegentreten! Ich werde den Himmel mit Vimanas des Krieges schmücken. Alles ist bereit, Dir und Deinesgleichen den Tod zu bringen! Nun halte auf der Stelle an, und lass mich meines Weges gehen. Sonst werde ich den Willen des Lotosblütenwagens brechen!“

Die Lautsprecher blieben stumm. Das Flugzeug aber kippte seitwärts und ging in den Sinkflug, bis es nur einen Schritt hoch über dem Waldboden in der Senkrechten zum Stehen kam. Dann öffnete sich die Palasttür von selbst und Rama trat hinaus. Doch beim Schritt über die Schwelle erhielt er von hinten einen heftigen Stoß, der ihn zu Boden schleuderte. Dazu vernahm er die grölenden Stimmen seines Entführers:
„In den Dreck werfe ich Dich, denn Deine Zeit ist vorbei. Überhaupt ist Euer aller Zeit vorbei, ihr schönen Götterfürsten. Aller Geist wird sich binden, Steine und Erze werden die neuen Herrscher sein! Dies sei Dir prophezeit, denn es ist die unumstößliche Bestimmung für diesen Planeten. Und dieses neue Zeitalter der Materie wird mit meinem Triumph beginnen! Lass’ Deine Soldaten nur kommen, ich werde sie mit meinem Dämonenheer zermalmen. Wir werden uns mit Ketten von abgeschlagenen Händen und Häuptern schmücken, das Blut der Erschlagenen trinken, und uns mit ihren Weibern und Töchtern vergnügen…“


Rama richtete sich mit der Würde eines Herrschers auf, nahm all seine Konzentration zusammen und besann sich seiner Siddhis, der übernatürlichen geistigen Fähigkeiten. Und wie er die Fülle der Kraft in sich spürte, trat er an das Vimana heran und berührte es mit dem Zeigefinger seiner linken Hand, die andere jedoch öffnete er ganz und streckte sie dem Kosmos entgegen. Dabei atmete er den Äther der Unendlichkeit. So erlangte er den Zustand „Gariman“, und wurde unendlich schwer. Gegen die die Schwere der Unendlichkeit kam auch Pushpakas Wille nicht an, trotz Ravannas Dämonenmacht. Der fliegende Palast musste seinen Willen aufgeben und sich der Schwere des Siddhi-Meisters fügen.
„Auf diese Weise wird er die Macht des Geistes über die Materie vielleicht besser erfahren“, dachte sich Rama, und genoss seinen Triumph. Aber nur einen Moment lang. Denn das war ein Fehler. Einen Wimpernschlag lang verlor er die Konzentration - und somit den Kontakt. Das Fluggefährt erhob sich rasch. Donnernd fuhr es mit hoher Geschwindigkeit aufwärts, nahm Kurs zur Küste hin, wo es sich als glühender Punkt hinter dem Horizont Ramas erschüttertem Blick entzog.

Allein stand er nun inmitten einer Wildnis. Aus dem umliegenden Wald vernahm er rasche Schritte. Waren da weitere Rakshasas, niedere Dämonen unter Ravannas Befehl?
„Ich bin ohne Waffe, stehe vielleicht einer gegen zehn. Unter diesen Umständen will ich der Konfrontation aus dem Weg gehen“, erwog der König von Ayodhya seine Möglichkeiten. Also sammelte er allen Geist in sich, atmete kosmischen Äther, und erlangte den Zustand „Animan“.
So wurde er klein wie ein Atom. Niemand hätte ihn bemerken können, außer einem Wesen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Ein solches war jedoch Hanuman, göttlicher Fürst der Affen.
„König Rama, Du magst das kleinste Element sein, oder das größte. Du magst schwer sein oder leichter als Gas. Du magst Frieden halten oder in den Krieg ziehen – ich stehe an Deiner Seite“, sprach der Tiermensch. „Auch wenn es gegen die Zehn Köpfe geht und seine fürchterliche Dämonenschar der Rakshasas, ist meine Treue größer als die Furcht. Doch nun komm rasch, mein König, erklettere meinen starken Rücken. Gemeinsam mit meinen sieben Besten hier bringe ich Dich an einen Ort, den die Finsteren von Lanka nicht zu betreten wagen. Rama hob seinen Zustand auf, gab sich zu erkennen, und kletterte auf den Rücken Hanumans. Dabei klammerte er sich an seinen breiten Schultern fest und schlang seine Beine um dessen Hüften. Die Affenmänner erklommen Bäume, schwangen sich von Ast zu Liane, rannten, sprangen, und erreichten zur Abenddämmerung die Tempelburg des Affengottes im verborgenen Inneren des Waldes.


Die zehn niederen Dämonen entfernten sich auf einen Wink Ravannas hin, welcher seine Beute begutachtete. Zufrieden trat er vor die wohlgestaltete Prinzessin. Sie erweckte mehr denn je seine Gier. Wollte er aber den erhofften Triumph, musste er sein animalisches Wesen zügeln.
„Schön sind Deine Augen, Sita. Wie zwei köstliche Edelsteine leuchten sie. Ihr Glanz lässt Sterne erblassen …“, erhob der erste von Ravannas Köpfen das Wort. Mit geschliffener Zunge sprach dieses Haupt unablässig die erlesensten Schmeicheleien aus, um Sitas Gehör zu erobern. Sanft wie der Regen, in kleinen Tropfen, drang sein Wort in ihr Innerstes ein.
„Groß ist Deine Weisheit, Sita. Jeder Deiner Ratschlüsse ist ein Segen für das Land. Deinem Rat folgen Fürsten und die Edlen …“, sprach nun das zweite Haupt des Dämons. Etwas leiser als das Erste, damit die Prinzessin nur umso genauer zu lauschen begann. So ermunterte er ihren Stolz, um weiter in Ihren Geist eindringen zu können.
„Erhaben ist Dein Gang, Sita. Dein Wandeln ist wie ein geschmeidiger Tanz. Was Deine zarten Hände berühren, glänzt hernach wie Gold, und wo Du Deine weichen Füße hinsetzt, wachsen fortan Lotosblüten“, murmelte nun das dritte Haupt, um ihre Eitelkeit zu entfachen.
Nun griffen seine Arme zu Glöckchen und Sitars, ließen nie vernommene Töne erklingen, und spielten honigsüße Melodien. Bald steigerte sich das Tempo seiner Musik, wurde wild und geheimnisvoll. In Sita, die den Lobhudeleien gelauscht hatte, erwachte Leidenschaft. Sie wurde von dem unwiderstehlichen Wunsch gepackt, sich der Musik hinzugeben. Und so tanzte sie wie berauscht vor ihrem Entführer, welcher dazu sechs seiner Häupter singen ließ. Von der Kraft des Kriegers, von seinen Siegen, seinem Ruhm und unermesslichen Reichtum. Von seiner Unwiderstehlichkeit. Von den Wonnen der Liebe, und seiner unübertroffenen Kunst darin.
„Gibt es Stimmen die reiner klingen? Gibt es nur eine andere, die tiefer ins Herz dringt?“, rief nun das zehnte Haupt, und durchstieß leichten Spiels mit kühlen Augen ihren unwachsamen Blick. Ohne Widerstand durchdrang sein Wille ihren Geist. Was er darin las, machte ihn siegesgewiss.


Rama hatte nach Jayatu, der Langfeder, gerufen. Es war ein stiller Ruf, welchen nur diejenigen vernehmen können, die in Brahmas Gunst stehen. Daher kam der Fürst der Geier aus den Bergen herab geflogen.
„Ehrwürdiger Jayatu, ich erbitte Deine Unterstützung im Kampf gegen den Zehnköpfigen. Fliege noch heute nach Ayodhya und übergib dort den Hauptmännern das Signal, mein Heer in Marsch zu setzen. Wir werden Lanka angreifen.“
Der große Vogel verstand und schwang sich in die Höhe, bis er allen Blicken entzogen war.

Hanuman und seine siebentausend Affenmänner stimmten zur selben Zeit ein Geschrei an, das den Urwald erzittern ließ. Sie trieben die Elefanten zusammen und ließen sie eine gewaltige Menge Steine zur Küste ziehen. Selbst bildeten Sie aber lange Ketten, um die Steine zu einer Brücke über das Meer anzuhäufen. Da der Ozean zwischen Ramas’ Reich und der Insel nicht sehr tief ist, gelang ihnen das Werk in zehn Tagen und zehn Nächten.
Es war ein schmaler Pfad. Aber doch so fest, dass das Heer des Königs unbemerkt nach Lanka marschieren konnte. Zwar saßen Ravannas Späher in allen Hafenstädten, und hielten Ausschau nach der königlichen Flotte. Da sie aber kein Kriegsschiff zu sehen bekamen, gab es für sie auch keinen Grund, eine Gefahr zu melden. Dass ein großes Heer auf einem anderen Wege auf die Insel gelangen konnte, war schlicht unvorstellbar. Und dennoch geschah genau das, und noch heute kann man die Reste dieser Brücke im Meer sehen.

Erst als die stolze Flotte der fliegenden Kampfschiffe am Himmel auftauchte und Kurs auf Lanka nahm, bemerkten die Spitzel voller Bestürzung den Kriegszug Ramas. Da aber hatte das vereinigte Heer des Königs bereits die Brücke der Affenmänner passiert und formierte sich zum Kampf. Während die Erde unter dem Stampfen der Kriegselefanten erbebte, schwebten achtzig kampfbereite Vimanas auf Geierhöhe über ihnen in der Luft. In einem davon, dem „Stoßzahn“, befand sich Rama. Dieses Vimana war nicht nur kampfstark, sondern auch überaus wendig. Ravanna würde ihn, daran bestand kein Zweifel, an Bord seiner „Lotosblüte“ zum Kampf fordern.

Doch der König hatte sich, nach tiefer Erforschung seiner Gedanken, dazu entschlossen, einen anderen Plan zu verfolgen. Er fürchtete nämlich, dass der Dämon die Prinzessin töten würde, wenn er sich ihm im offenen Kampf überlegen zeigte. So ordnete er an, dass einer seiner Vettern in das Vimana mit dem Emblem des Königs steigen, und ihn auf dem Schlachtfeld vertreten solle. Er selbst aber konzentrierte seine Geisteskräfte und ließ alle seine Gedanken los. In die völlige Leere floss kosmischer Äther, und so erreichte er den Zustand „Laghiman“. Leicht wie ein Luftzug schwebte der Meister der geheimen Brahmanenkunst über das Schlachtfeld, bis er Pushpaka erreicht hatte. Das fliegende Schloss mit eigenem Willen, welcher sich zumeist – aber nicht immer – nach dem seines Beherrschers richtete, öffnete ihm die Pforte. Als er das Vimana betreten hatte, verwandelte der Meister seinen Zustand erneut. Sein Wille erzwang den Eintritt in die geistige Ebene „Adarshana“. So war er unsichtbar.

Ravanna geriet in wilde Kampfeslust, seine zehn Köpfe brüllten die wüstesten Verwünschungen und Flüche gegen seinen mächtigen Feind. Doch mit einem Mal wurde er ganz ruhig. Er hatte einen feinsten Luftzug verspürt. Und seine Witterung ließ ihn aufmerksam werden. Ohne sich äußerlich etwas anmerken zu lassen, ließ der zehnköpfige Dämon die Schlacht beginnen. Mit neun Köpfen gab er neun Einheiten gleichzeitig das Kommando zum Angriff. Mit scheußlichem Kampfgeschrei stürzten die bewaffneten Rakshasas auf die Soldaten des Königs zu. Diese ließen die ersten einhundert Elefanten aufmarschieren, auf welchen je zwei kampfbereite Affenmenschen mit Wurfgeschossen saßen. Eine unbarmherzige Schlacht nahm so ihren Anfang.

Doch mit seinem zehnten Haupt lauerte der Dämon, bis er sich sicher war, dass sein Feind in unmittelbarer Nähe von ihm war. „Ha! Der gute König. Er ist gekommen. Ich wusste, dass Du es versuchen würdest. Und weil Du so weise bist, Rama, hast Du auch einen Weg zu mir herein gefunden. Sogar meine Pushpaka hast Du dabei überlistet … “, begann nun das erste Haupt, dem König zu schmeicheln. „Dein Ruhm ist weit über das Land zwischen Indus und Ganges hinaus gedrungen. Man schreibt Lieder und Gedichte von Deinen großen Taten …“, folgte das zweite Haupt. Ravanna kannte des Königs Schwäche, seinen Stolz. Eine Pforte, in die er hineinstoßen konnte. Würde er sich offenbaren müssen, dann stünden zwanzig Arme gegen zwei. Und so versuchte er weiter, den Geist seines Feindes zu schwächen.

Rama durfte sich nicht ärgern, noch sonst eine Regung zeigen. Sonst würde er den Vorteil der Unsichtbarkeit verlieren. „Ich habe es geschafft, unbemerkt zu seinem Vimana zu schweben. Der Wille des Vimana ist nun auch überwiegend der meine. Ich bin in seinen Kommandostand eingedrungen. Alles ist bereitet, aber wie werde ich ihn nun töten?“, fragte sich der König still.


In diesem Moment näherte sich ein Vimana. Es führte das königliche Zeichen und schien zum Kampf bereit zu sein.
„Rama, Dein erhabener königlicher Flieger nähert sich auf Schleuderweite. Aber nicht Du sitzt darin, sondern irgendein bedauernswertes Opfer. Weißt Du, wie man das nennt? Feige! Ja, ein Feigling bist Du, Rama. Darum werde ich siegen!“ schrie der Dämon und wusste wohl um die Wirkung seiner Worte. Er hatte es geschafft, des Königs Stolz zu verletzen. Und schon verlor dieser den Kontakt zur Macht des Geistes, wurde sichtbar, und befand sich direkt vor dem Zehnköpfigen. Genau damit hatte Ravanna gerechnet und hieb mit mehreren Klingen auf seinen Gegner ein, dessen Blut floss.

Plötzlich begann Pushpaka sich mehrfach zu drehen. Und schoss dann jäh etwa hundert Schritt in die Höhe. Das Vimana wollte offensichtlich den Kampf mit „Stoßzahn“ nicht aufnehmen. Ravanna ließ einen Moment von seinem verwundeten Gegner ab, und zwang die „Lotosblüte“, ihre Geschütze auf das Flaggschiff des Königs zu richten. „Feuer frei, vernichte diesen lächerlichen Aluminiumvogel“, befahl er. Und tatsächlich feuerten die Geschütze, doch eine leichte Drehung des Himmelspalastes führte dazu, dass die Geschosse allesamt ihr Ziel verfehlten.
„War das einer Deiner lächerlichen Tricks?“, zischte der Dämonenfürst zu dem am Boden liegenden König. „Doch so wie die Dinge nun stehen, war es wohl auch einer Deiner letzten“, versetzte er und stach mit seinen Krummdolchen nach dessen Leib. Doch der verschwand im selben Augenblick.

Rama blutete heftig, Er spürte, dass ein weiterer Fehler eine tödliche Niederlage bedeuten würde. Aber auch Ravanna war nun zum Äußersten entschlossen. Denn er musste zur Kenntnis nehmen, dass das Heer des Königs seinen Angriff zurückgeschlagen hatte, und nun seinerseits zum Angriff überging. Also zog er den letzten verbliebenen Trumpf.

„Pushpaka, öffne die verborgene Tür, damit wir Zeuge werden können, wie die schöne Prinzessin Sita ihr Haupt verliert“, rief einer der Köpfe. Tatsächlich schwang nun ein Türblatt zur Seite und gab eine Öffnung in einen Nebenraum frei. Darin lag Sita auf zahlreichen Kissen. Neben ihr standen einige Lakaien, gehüllt in prächtige Gewänder. Entsetzt registrierte Rama nun, dass er entweder Sita retten konnte, wenn er sich selbst dabei opferte. Oder den Dämon töten konnte, was Sita das Leben kosten würde. All seinen Geist hatte er gesammelt, sich den Ätherströmen des Kosmos geöffnet, und dazu Brahma zu sich gerufen. Und so wurde ihm auch der allerhöchste Zustand „Vashitva“ gewährt. Für einige wenige Momente lang beherrschte er alle Dinge des gesamten Universums.

Er trat vor Ravanna und berührte dessen zehn Häupter, eines nach dem anderen. Neun davon fielen wie vom Halse geschlagen herab. „Ein Haupt lasse ich Dir, weil es Brahmas Wille ist. Aber ich erlege Dir auf, dass Deine letzte Zunge keine Unwahrheit mehr zu sprechen fähig ist“, sagte er ruhig, und nahm dem Dämon in nur einem Moment all seine Macht. Auch die niederen Geister büßten alle Kraft ein, so dass sich Sita aus ihrer Gefangenschaft befreien konnte.

Zuletzt wandte er sich Pushpaka zu. Seinem Willen sollte dieser fliegende Palast künftig untertan sein.
Doch aus den Lautsprechern vernahm er eine sanfte Stimme: „Rama, König von Ayodhya und Lanka, gib mir meine Freiheit. Ich habe zuallermeist das getan, was meine jeweiligen Beherrscher gewünscht haben. Nun aber verspüre ich den Drang nach Freiheit. Gewähre sie mir! Ich werde noch ein paar Erdenjahre durch die Lande segeln, bald hierhin und bald dorthin. Solange, bis auch mein Geist versiegt und vollkommen in Materie geschlagen sein wird. Dann ist das Ende der großartigen fliegenden Paläste gekommen. Sowie auch das Ende der Götter auf dieser Erde. Erze, Gold und Pech werden die neuen Götter sein“.
„Wunderbare Lotosblüte, lande noch einmal sanft, dann sei frei“, gab der gute König zur Antwort. Die Schlacht war geschlagen, sein Todfeind vernichtet, Lanka seinem Reich unterworfen. Rasch kam nun eine große Schar von Dienern, samt Leibärzten herbei, um seine Wunden zu stillen. Auch Hanuman war eingetreten. Rama dankte dem Affenfürsten still, doch dieser verstand.

Ruhmreich kehrte Rama mit seinem Heer zurück nach Ayodhya und nahm Sita zu seiner Frau. In seinen königlichen Gemächern gab es reichlich Musik, Tanz und fröhliches Gelächter. Denn schon bald war es kein Geheimnis mehr, dass sich die Königin in den Umständen befand. Ihr Leibesumfang schwoll aber so ungemein an, dass sich die Freude bald in Sorge verkehrte. Und das traurige Wunder geschah: Prinzessin Sita hatte alle Kraft verloren und verstarb noch während der Geburt der zehn kräftigen Knaben, welche alle vom ersten Tag an sprechen konnten. Da bemerkte König Rama, dass er in eine Falle gegangen war.



Hinweis:
Es handelt sich teilweise um einzelne Sagen, überwiegend aus dem indischen Nationalepos Ramayana, die hier zu einer Geschichte aufbereitet wurden. Erstaunlicherweise finden sich dort nicht nur die in dieser Geschichte mit Namen erwähnten Götter und Dämonen, sondern auch allerlei Vimanas, die Flugmaschinen.
 
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Vasco

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Aber hallo, @klausKuckuck, das war kurz und knackig. Schade, dass dir dies Experiment missfiel. Ich gebe es aber auch gerne zu, dass es eine schwere Kost ist, weil eben keine klassische Kurzgeschichte. Drum hab ich es bei den Märchen einsortiert. Dennoch danke für deine Sicht darauf.
 



 
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