queequegs gefährte

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]queequegs gefährte


nennt mich ishmael
den sohn des hagerweibs in weite wüsten
gezogen wo aus gläsernen schluchten leviathan
auftauchen wird öltrunken schmerzbegabt

alisohn vergatterter göttinnen
gattungs-knäblein das letzte
frühlingslied
das aus dem todesbauch dem schon jonas

jung sich entsang hervorgeboren wird - aus ihr
der schwarzen mamba schlauch tiamat bläst
dick robben robe mobby die qual
der wal
 

Tula

Mitglied
Hallo Mondnein

wieder solch ein Rätselgedicht... Da ich in meiner Jugend mehrere Melville-Romane las, habe ich dieses leicht erkannt. Dass Ismael in der Bibel der Sohn von Abraham und Hagar ist (das Hagerweib ... :) musste ich nachlesen.

Der Rest scheint mir in wenig Bezug zu Mobby Dick zu stehen. Für mich hat dieses Buch noch heute eine aktuelle Symbolik. Die suchte ich in der zweiten und dritten Strophe.

Andere Elemente: Jonas ist klar, tiamat habe ich als babylonische Gottheit jetzt entdeckt...

Ich sehe hier die Bäume, aber nicht den Wald und den Sinn in all seiner Tiefe... bitte um Hilfe als und für die Leser.

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
da hast Du "die qual der wal"

Nun ja, die wesentlichen Mosaikteile hast Du schon gesehen, z.B. Jonas als aus dem Wal neugeborener Prototyp des auferstehenden Jesus, des Adonis-artigen "Frühlingslieds" - aber es gibt auch einen berühmten Tenor mit dem Namen; Jonas der Niniveretter ist allerdings selbst schon der Sänger seines eigenes Prophetenbuchs.
Die "gläsernen schluchten" des Meeres, in dem Leviathan sich schlängelt. Der Wal "bläst" im Mobydickroman seine Fontänen. Und die ineinander-greifenden Wortklangspiele am Ende hast du gewiß auch erkannt (ohne sie hier im Einzelnen aufzuführen).
 

revilo

Verboten
Hallo Mondnein.....das Problem ist, dass du zu viel Hintergrundwissen voraussetzt.....Dir ist sicherlich alles klar.....mir aber nicht...

LG revilo
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
call me Ishmael

Wirkliche Voraussetzungen sind eigentlich nur der große amerikanische Roman - den die meisten der vielen Verfilmungen wegen ziemlich kennen, dessen Anfangssatz "call me Ishmael" aber mindestens den Trumpisten auf die Stirn geklebt werden müßte - und die Jonaserzählung aus der Bibel.
Ich stimme mit Bertold Brecht darin überein, daß mindestens die erzählerischen Partien der Bibel (aber eigentlich auch die dichterischen wie das Jesajah-Buch, die Psalmen, das Hohe Lied und das Kapitel Acht im Buch der Sprüche) einem Abendländer bekannt sein müßten. Es handelt sich um Basis und Kernbestand unserer Literatur.
Ja, Literatur - davon habe ich eigentlich fast keine Ahnung. Aber die Josefsgeschichte kannte ich schon, bevor ich die Josephsromane Thomas Manns und die 12. Sure des Korans las.

"It's the bible, stupid!"
 

revilo

Verboten
moin...mir ist das Ganze nicht bekannt.....du bist ein besonderer Typ und ein besonderer Dichter.....aber du kannst nicht voraussetzten, dass alle mit dem Thema, mit dem du dich befasst, genau so vertraut sind wie du.....für mich ist es gut geschrieben, leider aber unverständlich....

LG revilo
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
dick robben robe moby

Verstehen? Das sind doch Bilder, Tiere, Personen, Verwandlungen, Landschaften. Was ist da denn zu verstehen? Das ist doch Musik. Verstehst Du die Schlangenbewegungen der Flagellaten? Polyphonie in Richard Strauß' Don Quoxote? Da ist nix zu verstehen. Nur Ohren, auf, Augen zu, Film ab: Landschaften, Verwandlungen, Personen, Tiere, Bilder, Musik.

Ach so, ja, ich weiß nicht, wo weiß der Himmel welcher Sucher so rumgurgelt wie Leviathan, so rumgoogelt wie Levis Lilith, aber in der Fundstelle sollte auch stehen, daß Ishmael , der Bruder des Israel-Stammvaters Isaak, der Urahn und Urvater der Araber ist, der mit dem Vater der beiden, mit dem umherschweifenden Abraham, die Kaaba in Mekka gebaut haben soll -

"öltrunken, schmerzbegabt".
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Mondnein,

nur kurz zum Thema Bibel. Sicherlich kennt man als Mitteleuropäer irgendwann diverse Bibelfiguren. Jonas und der Wal gehören dazu. Allerdings kann man kaum erwarten, den Symbolgehalt der dahinterliegenden Geschichte ebenfalls verbreitet zu finden.
Ähnliches gilt für die griechische Mythologie.

Das erschwert den Zugang zu Bildern. Damit muss man leben, wenn man Lyrik in dieser Art aufbaut. Mach ich ja auch.
Interessant ist es dann aber für mich als Leser, ob bestimmte Anspielungen einem selbst etwas bedeuten.
Mir gefallen einige Teile des Gedichts, aber dem Bogen kann ich nicht folgen. Aber das ist okay so.

cu
lap
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
@lapismont

Danke, lapismont, gut angemerkt.

@ Symbolgehalt: Ich denke, wir können davon ausgehen, daß für Dichtungsleser nicht ein feststehender Symbolgehalt, sondern die eher offene Metapher eines Bildes den inneren Film anregt. Religiöse Fundamentalisten lieben die Metaphern nicht, sie lesen Bilder möglichst unpoetisch, wie "historische" Berichte; Dichter lieben es, sie als Metaphern zu durch-lesen.
Und die mythischen Komplexe, z.B. die genealogischen Stammbäume, die Aitiologien, sind gleichfalls als Metaphern interessant, und für mich - nur als Metaphern.

@ Bogen. Du triffst Wesentliches: Ich liebe es, den inhaltlich geführten bzw. geworfenen Spannungsbogen eines Liedes oben brechen zu lassen, so daß in der gotischen Spitze sich die Bögen eher überschneiden (als daß sie glatt hinunter-parabeln), wie Zweige benachbarter Begriffs-Bäume, die in diesen Überkreuzungsstellen Mehrdeutigkeiten und mehrdimensionale Sichtweisen aufbrechen lassen.
So ist es ein ganz schön splittriger inhaltlicher Bruch "oben", daß vom Leviathan die Rede ist, also dem Drachen=Wal des Moby-Dick-Romans, dann aber vom Frühlings-Knäblein, das aus dem Wal geboren wird. Da das eine in das andere (scheinbar bruchlos) übergeht, müßte der Leviathan mit dem Knäblein identisch sein - wird dann aber Mutter des (wieder) ins Freie Geborenen. Identität aufgebrochen in zwei Personen (bzw. filmische Bilderreihen) von Menschensohn und Muttertier. Ja, da ist ein schmerzhafter Sinn-Bruch in der Identität des lyrischen - ja was denn nun - Ich (?), Er bzw. Sie.
 

Label

Mitglied
Lieber Mondnein

Dieses dein Gedicht ist eines bei dem sich mir mehr erschließt als das sonst in deinen Gedichten der Fall ist.
Aus den bestehenden Puzzelteilchen ergibt sich mir trotzdem kein Gesamtbild.

queequegs gefährte queequeg ergoogelt ergibt eineFigur aus Moby Dick,

nennt mich ishmael so beginnt auch Moby Dick, Ismael ist aber auch der Stammvater der Muslime
Ishmael stellt sich vor – ist er nun ein Matrose auf dem Walfänger oder der Hagar Sohn

den sohn des hagerweibs in weite wüsten - hagerweibs – die Hagar oder eine ausgemergelte dünne Frau, Archetyp für eine Wüstenbewohnerin, der Sohn Hagars und der erstgeborne Sohn Abrahams (Ismael), die auf Verlangen Sara’s in die Wüste geschickt wird,

gezogen wo aus gläsernen schluchten leviathan
auftauchen wird öltrunken schmerzbegabt
– ist gezogen oder gezogen worden,
die gläsernen Schluchten aus denen Leviathan, (wieder ein Wal) auftaucht sind unter der Wasserwüste des Meeres,
öltrunken – Walöl ,
schmerzbegabt der verwundete Moby Dick und Kapitän Ahab, der harpunierte Wal schlechthin

Die Wüste verwandelt sich in die Wasserwüste in der Leviathan ein mächtiges Wal-Schlangen-Drachenungeheuer aus den vorjüdischen Mythen Babylons auftaucht

alisohn vergatterter göttinnen, alisohn – hmm - da klingt alibi an, also nicht der „richtige“ nur der Ersatz- Sohn, und der Vorname Ali (Sohn von Ali oder Sohn der Ali heißt?)
vergattert – Gatte , dienstlich verpflichtet ,
göttinnen - im jüdischen / christlichen ?? oder die älteren phönizisch babylonischen (Leviathan)

gattungs-knäblein das letzte
frühlingslied
- aus dem vergatterten Zustand resultierend? Gattung als Religionszugehörigkeit? Vielleicht aber auch der erste (Frühling) und natürlich auch der letzte Knabe von Hagar/Abraham,

das aus dem todesbauch dem schon jonas – im Walbauch tödlich bedroht,
Jonas – der vom Wal als einer von Gott gefügten Rettungsaktion verschluckt wird, damit er den von Gott erteilten Auftrag trotz Jonas Fluchtversucht ausführen kann

So sehr mich Puzzel und Rätsel ansprechen, deine sind mir zu schwierig/ anstrengend.
Weiter hat mich meine Energie nicht getragen

auch wenn mir die schwarzen mamba schlauch tiamat bläst dick robben robe mobby die qual der wal Schlange noch einen Interessefunken entlocken konnte.


mit lieben Grüßen
Label
 

Monochrom

Mitglied
Hi Mondnein,

ich muss mich da einreihen. Ich weiß weder, ob das Gedicht traurig oder witzig ist, noch kann ich, obwohl mir die literarischen Vorgaben bekannt sind, mit den Bildern etwas anfangen.

Ohne Dir zu nahe treten zu wollen, wäre es gut, wenn Du Dir vor Augen führtest, dass ein Gedicht (in der heutigen Zeit) schnell verständlich sein muss. Das aus diversen Gründen...
Ein Grund ist wohl, dass der moderne Mensch sich Worten nicht mehr so flüssig hingeben kann. Worte sind wohl überwiegend entzaubert, nur ab und an blitzt Magie durch.

Also ist die Frage, ob Du Lyrik für Dich selbst oder für andere verfasst. Im zweiten Fall sollte die Wortwahl und Bildebene der neuzeitlichen Auffassungsgabe entsprechen...

Ciao,
Monochrom
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
noch was zum "ausblenden":

Ohne Dir zu nahe treten zu wollen, wäre es gut, wenn Du Dir vor Augen führtest, dass ein Gedicht (in der heutigen Zeit) schnell verständlich sein muss. Das aus diversen Gründen...
Ein Grund ist wohl, dass der moderne Mensch sich Worten nicht mehr so flüssig hingeben kann. Worte sind wohl überwiegend entzaubert, nur ab und an blitzt Magie durch.
Nein.
 

Ralf Langer

Mitglied
Offtopic:

Das passt jetzt hier nicht direkt zum Gedicht, gehört aber doch hierhin.

Ich finde es irrelevant, was ein Gedicht vom Leser abverlangt. Es kann ja nichts "abverlangen", es erhält Zuneigung, und diese ist ein Geschenk. So wie das Gedicht grundsätzlich das Resultat eines monistischen Prozesses ist,so ist das Zureden des Gedichtes zum Leser auch ein monistischer Prozess. Es geschieht oder es geschieht nicht.

Ich persönlich empfinde nicht, das dieses Gedicht ob der metaphorischen Ebenen und Anspielungen zuviel "abverlangt".

Ich kenne den Roman, ich kenne seine Figuren. Ich kenne die Anspielungen Melvilles ob der gewählten Namen.
Sei es Ismael, sei es der gottlose König Ahab, sei es das Schiff
(Peqoud, ausgerotteter Indianderstamm und homophon zu : "be god"
, der Leviathan etc.)

Das mag Zufall sein. aber das ist für das Gedicht von minderer Bedeutung.

Mein einziger Einwurf zu diesem komplex gestalteten Gedicht ist eben diese sprachliche Komplexität, die ich persönlich als Barriere empfinde den Text zu verstehen.

Aber auch das ist Ansichtsache.Aber es bleibt schwierig in die Tiefe vorzudringen, ob der Zeilenübergreifenden Sprünge.

Ich finde für mich keine resonante Lesart, erfahre nicht den Klang dieses Liedes.
Das ist das was ich dazu sagen kann.
Lg
Ralf
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ja, nett.
Aber solange ich hier ausgeblendet werde, wenn ich ausführlicher antworte, antworte ich hier auch nicht mehr ausführlich.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
suchen, heimsuchen, sich sorgen um ...

Peqoud, ausgerotteter Indianderstamm
Du meinst die "Pequod", das Schiff.
Ja, das mit dem Indianerstamm ist Google-Kram.
Es ist aber ein Wortspiel mit dem Hebräischen - und Melvilles Roman ist gerade bei den Namen voll von hebräischen Wortspielen, allein schon wegen der tausend Bibelbezüge. Interessant, daß das in der Wiki-Besprechung nicht richtig aufgelöst wird - (pequod heißt "suchen, heimsuchen, sich sorgen, nachforschen" usw.)
Aber ich spiele in dem Gedicht hier nicht mit diesem Wortspiel, das ist also im Vordergrund des Gedichtes nicht so deutungsbedürftig.

Nein - was ist denn der "springende Punkt", den keiner der Kommentatoren zu sehen scheint?
Das ist die Spannung zwischen dem ersten Satz des amerikanischen National-Epos einerseits und dem geradezu kriegerischen Verhältnis der US-Konservativen (George W. Bush, die Teapartisten und last but least Trump the Trampel) zur islamisch-arabischen Welt andererseits. Das ist doch wirklich spannend!

In dichter Kollage zusammengeschobene Bilder splittern. So ist das bei moderner Lyrik. Das ist in dieser Kunstform genau so wie bei anderen Künsten auch, sei es in der Malerei, sei es im Film. Und eben auch in der Lyrik, in der modernen. Den "Verstehens"-Suchern (pequod ...) habe ich schon geantwortet, das muß ich nicht wiederholen. Ich denke, die ausgeblendeten Antworten sind den Pequodisten gut lesbar.
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo mondnein,
Ich werde noch weiter in mich hinein horchen.
Dieses Lied ist gelungen!
Aber es spricht 'noch' nicht mit mir...
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Mondnein,

auch auf die Gefahr hin mich zu wiedeerholen:
ich google nicht. Ein Stück Lyrik erreicht nicht nur wenn gelungen den Verstand. Du sprichstja selbst oft von "Liedern", und das finde ich gut und richtig.
Worte hzaben ja nichtnur ihre sinnhafte Bedeutung sondern auch immer eine sinnliche und auch eine transzendente("metaphorische").

ch persönlich halte deine Stücke fast immer für hervorragend komponiert, aber ich bin nicht immer ein guter Adressat.

Nichtsdestotrotz: Dieses Stück habe ich gerne gelesen, aber es nimmt mich nicht mit.

Aber um auf mein Kernanliegen meines ersten Postings zurückzukommen:
Das was du mit deinen Bezügen in diesem Text anstößt, erfordert m.E. keine Professur, sondern befindet sich im Wissen der abendländischen Kultur...
Lg
Ralf
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
stimmt.

Lieber Ralf!
Ich bin Dir sehr dankbar, und ich stimme mit Dir weitgehend überein, auch dort, wo es wie "Nichtübereinstimmung" aussieht, denn
1. finde ich, daß Du den Nagel auf den Kopf triffst, wenn Du in erster Linie davon ausgehst (oder eigentlich da "hineingehst"), daß ein Lied etwas in Dir ansprechen sollte. Die "Resonanz", von der James Blond in seinem Limerick (mehr noch in seinem Selbstkommentar) geschrieben hat. Du meinst ja nicht nur die Logik der Sätze, sondern auch die sinnliche Resonanz, den ästhetischen Reiz. Und da muß der Schwerpunkt der "Gedichtplastik" im Rezipienten liegen, im Leser. Deshalb liegt ja auch die Interpretation beim Leser, nicht bei dem, was da irgendein Poet "gewollt" hat. Das ist einer der fruchtbarsten Grundsätze bei Kunst überhaupt, und deshalb sehen wir sie lieber in öffentlichen Museen als in Banktresoren, lieber im Volksmund als im Germanistenseminar, lieber im herumlaufenden Witz als in der Belehrung usw., und deshalb wollen wir lieber gelesen werden als in Schubladen vermilben;
2. bin ich genau wie Du der Meinung, daß man nicht in akademische Tiefen eintauchen muß, um seinen Assoziationen bei so mythischen und archaischen Gestalten wie Jonas, Tiamat oder Leviathan freien Lauf zu lassen. Auch Klischees und das "gesunkene Kulturgut" z.B. italienischer Sandalenfilme der fünfziger Jahre (grottenschlecht, so witzig, daß ein Tarantino sie mit Vergnügen zitieren würde) und Ähnliches kann mitschwingen, mitsingen ... und andererseits gehört irgendwo auch der schmunzelnd korrigierende Wissenschaftler mit hinein in das Reflexionenspiel der Schwippschwapp-Wellen der ineinander und durcheinander laufenden Imaginationen und Assoziationen.
 



 
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