Radschläge für die Reise

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Tula

Mitglied
Radschläge für die Reise

Mein Sohn, du brauchst nicht mehr als nur

zunächst die Karte:
im Großmaßstab – die g r e n z e n l o s e – ohne
unwichtige Details wie Koordinaten und Straßen.
Hauptsache, Dein Timbuktu ist drauf und
ein paar weiße Stellen zum selbst-Malen.
Soweit zum Plan.

Eine gute Ausrüstung ist unabdinglich:
Fürs täglich Brot, ein Mut-geschärftes Messer,
für den Tatendurst, ein bodenloser Becher,
gegen die Launen der Natur (der anderen),
ein dicker Pelz aus besonders hartnäckigem Material
mit Sporen im Innenfutter. Schließlich das Fernglas
der Umsicht und, nicht zu vergessen,
ein Herzens-Öffner. Den schnitzt du dir
aus deinem eigenen, ist verlässlicher.

Lass dich nicht beirren. Vor allem von
Wegweisern, starkem Rückenwind und gemachten Betten.
Ruder selbst. Macht auch viel mehr Spaß.

Geld? Na gut, ein bisschen ist durchaus nützlich.
Aber nicht zu viel, sonst gelangst du
Nie nach Timbuktu. Da nimm, das reicht für
die erste Überfahrt.
 

sufnus

Mitglied
Eine Reise, bei der offen bleibt, ob sie in die verbotene Stadt führt (ein koloniales Narrativ) oder zu einer offen-herzigen Begegnung mit dem Fremden. Dank unzureichendem Proviant (Kafka - der Aufbruch) könnte die Wüstenquerung gelingen.
LG!
S.
 

Tula

Mitglied
Hallo sufnus
Wie die Reise ausgeht, hängt jetzt davon ab, ob der Bub die Radschläge wie beim Nachwuchs üblich ignoriert oder nicht ...

Wie kam ich auf Timbuktu? Das Buch stand bei meinen Eltern im Regal. Ich habe es zugegebenermaßen nie gelesen, eigentlich seltsam, aber wahrscheinlich war mir der Wüstensand zu trocken, meine Literatur galt den Abenteuern auf See: Melville, Conrad usw.

Dankend lieben Gruß
Tula
 

sufnus

Mitglied
Hey Tula!
Ich find, Timbuktu ist eine sehr gute Wahl als Reiseziel. In der Kolonialzeit als "verbotene Stadt" mystifiziert (was bei einer Handelsmetropole natürlich eher unsinnig ist), war und ist die Stadt, an der Grenze zwischen Sahara und der Großregion Bilād as-Sūdān gelegen, ein wichiger Anlaufpunkt für den Transsahara-Handel, der teilweise noch wie in vormodernen Zeiten auf Kamelkarawanen beruht. :)
LG!
S.
 

Tula

Mitglied
Hallo nochmal
So ist es, d.h. die Idee war die relative Unmöglichkeit gerade dieses Ziels, welches ja ohnehin nur als Beispiel dient. Jeder hat eben 'sein' bzw. 'ihr' Timbuktu.

In den Zwischenstunden erfuhr ich nun von einer moderneren Variante - 'Barfuss nach Timbuktu'. Gesehen habe ich den Dokumentarfilm jetzt noch nicht, aber als Empfehlung bereits im Rucksack.

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 24479

Gast
lieber Tula,
als kurzprosa habe ich das gelesen und habe nichts hinzuzufügen.
hoffentlich hört er nicht. und macht es so.
liebe grüße
charlotte
 

Tula

Mitglied
Hallo charlotte
Was ist Kurzprosa? Nie von gehört ;)
Kein Sorge, es kommt auch wieder anders.
LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 24479

Gast
lieber Tula,
ich erkenne kurzprosa daran, dass ich punkt und komma setze ;) - eigentlich ganz einfach.
das war übrigens keine negative kritik. gefällt mir nämlich richtig gut.
liebe grüße
charlotte
 

sufnus

Mitglied
Hey! :)
Ohne die Erläuterung würde ich (in deinem Fall, Charlotte, offenkundig fälschlicherweise) tatsächlich eine leise Kritik impliziert finden, wenn ich einen als Gedicht eingestellten Text als Kurzprosa etikettiert fände (umgekehrt gälte nat. das Gleiche) ;) Ich verstehe es jetzt dann so, dass Du (ohne kritische Implikation) die normale Sprachstruktur mit vollständigen Sätzen, Groß/Klein-Schreibung und insbesondere mit normaler Interpunktion beschreiben wolltest. :) Das finde ich interessant , weil mich eh die Diskussion, wie Prosa und Lyrik von einander unterschieden werden können sehr beschäftigt. Man findet hier ja alle möglichen Kriterien, teilweise bis hin zu der (für mich gar nicht funktionierenden) Auffassung, dass nur Gereimtes richtige Lyrik ist.

Für mich ist Tulas Text, trotz einer, vom Zeilenumbruch abgesehen, normalen Sprachstruktur keine (Kurz-)Prosa, weil die hier die Zeilenumbrüche wesentlich sind für die Art und Weise, wie der Text von A nach B überleitet, wie er also Mitteilungsinhalte aneinander reiht. Ich finde auch, dass ein willkürlicher Zeilenumbruch aus einem Prosatext noch keine Lyrik macht, aber in Tulas Gedicht ist der Zeilenumbruch für mich ein integraler Bestandteil.

Dabei ist allerdings (für mich) ein am Text "aktiv mitwirkender" Zeilenumbruch nicht notwendig für die Definition von Lyrik, sonst käm ich in der antiken Lyrik zB in Schwierigkeiten. ;) Metrische oder klangliche Strukturgeber (die ein bisschen wie Taktstriche wirken) können für mich den Zeilenumbruch durchaus ersetzen. Und dann kommt noch eine schwer zu beschreibende Interaktion zwischen der inneren Stimme eines Textes und dem Autor ins Spiel, bei der diese beiden als unabhängige Instanzen wirksam sind... die äußerst lesenswerten Texte von Farhad Showghi (zu finden auf lyrikline.de) machen das etwa deutlich: Obwohl hier der Zeilenumbruch typischerweise keine nennenswerte Rolle spielt und keine metrischen oder klanglichen Taktgeber als Strukturelemente wirken, ist das für mich doch ganz klar Lyrik und keine Kurzprosa.

LG!

S.
 
Da nimm, das reicht für
die erste Überfahrt.

hi Tula,

ein wunderschön bemalter Handwerkskasten eines Vaters an sein Kind: vollgepackt mit allem, was eine kleine Seele so zum Laufen, Klettern, schwimmen, fliegen braucht. Dazu Kreativität, Fantasie und ganz viel Liebe.

Deine "Radschläge" sind wunderbar !

mes compliments

Dio

PS: Ich dachte mir bereits, dass das Glas in deiner Hand auf dem Bild mit Dichtermet gefüllt ist - "Ordrörir in disguise" und das Weinglas als Tarnung. Ich will auch sowas ;-)
 

Tula

Mitglied
Hallo charlotte und sufnus
Danke fürs feedback zum durchaus interessanten Thema. Natürlich bewegt sich das Werk hier irgendwo im Graubereich zwischen Lyrik und Prosa. Weniger entscheidend als die Zeichensetzung und Satzstruktur ist wohl die Verwendung lyrischer Sprache und Stilmittel. Aber auch damit geht das Gedicht hier relativ sparsam um. Das ist der Idee selbst geschuldet; ich überlegte durchaus was hier noch 'lyrischer klingen' würde, aber das lief dann alles dem Grundton insgesamt irgendwie zuwider.

Ich bin kein Fachmann wie andere, lese aber natürlich einige Autoren der Gegenwart und einmal im Jahr das Jahrbuch der Lyrik. Auch dort finde ich eigentlich alles in der gesamten Spanne von 'verdächtig prosaisch' bis hin zu poetologischen Klimmzügen, bei denen ich mich mitunter frage, ob das noch irgendeine inhaltliche Tiefe hat. Nicht zuletzt eine Geschmacksfrage. Zeichensetzung in vollständigen Sätzen finde ich sogar recht häufig. Welche Form der Zeichensetzung (einschließlich des totalen Verzichts darauf) man als die 'modernste' vorschlagen könnte, ist mir nachwievor unklar.

Dankend lieben Gruß
Tula
 

Tula

Mitglied
Hallo Dio
Das Elixier der Barden jeder Art ist bekanntlich der Wein, oder eben Bier, bei den Dubliners noch der Whiskey :cool:
Ich erinnere mich noch an den Tag des Fotos und meinen Martini Branco, die Lektüre auf dem Tisch von Brinkmann, "vorstellung meiner Hände". Bin aber kein Fan von ihm geworden ;)

Dankend lieben Gruß
Tula
 

sufnus

Mitglied
lese aber natürlich einige Autoren der Gegenwart und einmal im Jahr das Jahrbuch der Lyrik.
Das sollte wirklich jeder lesen, der sich für Lyrik interessiert. Programmgemäß wird man dabei über manchen Beitrag stolpern, der einen völlig ratlos zurücklässt (dabei vorschnelle Denkblockaden zu vermeiden, macht etwas Arbeit, lohnt sich aber sehr). Entschädigt wird man für diese kleine Übung in offenem (nicht unkritischem!) Denken durch manche wunderbare Perle, häufig von ganz und gar unbekannten Autoren. Auch in '23 wird verspricht die Reise zu den Uschis, Detlefs und Gregors in uns viel lyrischen Mehrwert.
LG!
S.
 



 
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