Marcus Richter
Mitglied
KÖNIG
Der erste Gedanke, der kam aus dem Blut.
Aus dem Inneren der Erde, aus dem Verruchten, von dort hatte sich der Rattenkönig den ersten weißen Bissen Fleisch geholt. Durch das Holz und durch den Stein und dann durch ein Kinderbett hindurch und dann wie eine Säge solange, bis ihm alles vor dem blutigen Maul fortgerissen wurde.
In dem schwarzen Loch, da lauerten seine Augen und es lag ihnen ein goldener Zug inne, ein Kranz, eine goldene Korona, die die schwarze, scheinbar bodenlose Pupille mit ihrer feurigen Iris umschloss. Eine Sonnenfinsternis, so schien es, spiegelte sich darin oder die Krone eines unsichtbaren Königs.
***
Es war eine bedeutende Standuhr, die den sonnenlosen Mittag ankündigte. Der Ruß der unzähligen Feuer hatte sich wie ein Mantel des Schweigens auf die Gassen gelegt und verhinderte die Blicke des Himmels und drückte die Schreie der Wehklagenden förmlich zurück in ihre aufgerissenen Münder.
Alles was geschah blieb verborgen und die Standuhr schlug scheppernd zwölf Mal, bevor sich unter das metallische Nachklingen das Stöhnen eines Eingeschlossenen mischte. Als er aus seiner Ohnmacht ganz erwacht war, schlug er sich hastig und ängstlich die Hand vor den Mund und suchte seine Anwesenheit zu verbergen.
Über ihm arbeitete das Uhrwerk, völlig ungerührt und das Pendel ging apathisch und herzlos von einer Seite zur anderen.
Mit beiden Händen umschloss er es und brachte es endlich zum Stehen. Nun zählte nur noch sein Atem die Sekunden.
Vorsichtig öffnete er die schmale Tür der Uhr und ließ den schockierten Blick durch den offenen Spalt huschen. Seine ängstlichen Gebete waren so leise, dass nicht einmal er selbst sie hörte und auch seine Lippen sah man sich nicht bewegen, so dunkel war es in der Uhr.
Alles war wie überschattet. Der Tag schien Nacht zu sein. Das machte dem Eingeschlossenen Mut, die Tür der Uhr weiter und immer weiter zu öffnen, bis er schließlich einen Schritt hinaus machte.
Menschen und Mobiliar lagen zerschlagen auf dem Boden herum. Der Mann raffte seinen Brokatumhang über die Knie und suchte tänzelnd einen Weg durch das schreckliche Durcheinander. Es konnte sich nur um einen der Ratsherren handeln. Er hatte sich, wie noch andere, in Schränken und Truhen zu verbergen gesucht, aber nun sah er viele der anderen, die halb herausgezerrt und erschlagen auf dem Boden lagen und bekreuzigte sich.
Mit zitternden Knien schaffte er es bis zu einer der vielen, kupferbeschlagenen Truhen und ging davor in die Knie.
„Herr im Himmel“, betete er. Tat es immer wieder und stemmte dabei die Truhe mit aller Kraft von ihrer Stelle. Darunter legte er eine verborgene Öffnung im Boden frei – betete und zog endlich ein Ledersäckchen daraus hervor. Er suchte weiter und fand einige Papiere mit bedeutsamen Siegeln.
Als er sie in Händen hielt, bekreuzigte er sich abermals.
Ein kratzendes Geräusch ließ ihn zusammenfahren.
„WER??“, aber ängstlich schlug er sich schon die Hand vor den Mund. Er wollte ja gar nicht wissen, wer da dieses Geräusch gemacht hatte. Er wollte nur weg, sich verstecken und irgendwie einen Ausweg aus diesem Labyrinth aus Tod und Schrecknis finden. Er riss die Dinge, die er gefunden hatte, an sich und stürzte in eine vom Schatten fast schwarze Ecke und zog seine Knie an, damit die weißen Waden nicht vom fahlen Licht beschienen wurden.
Er hielt seinen Atem an – für Sekunden – eine Schranktür öffnete sich und dann stürzte plötzlich ein Mann mit einem Degen heraus. Aber der Degen, der steckte ihm mitten in der Brust und nachdem er einen ersten stolpernden Schritt getan hatte, trieb er ihn sich mit seinem ganzen Gewicht durch den Oberleib hindurch, als er vornüber zusammenbrach.
Der Ratsherr war von dieser Auferstehung so mitgerissen, dass er erst gar nicht bemerkte, wie sich in dem Schrank noch jemand bewegte. Zwei Hände klammerten sich an den Schrankrahmen und blutige Kleidungsstücke fielen von ihren Haken. Atemlos kämpfte sich ein Mann aus dem Schrank heraus und ging gleich davor in die Knie.
Es war einer der Kämmerer und der Ratsherr wollte auch schon auf ihn zustürzen und ihn bittend zu sich empor reißen. Flucht, das war alles, woran er dachte, denn es würde nicht lange dauern, bis die Soldateska zurück kehrte, um das zu plündern, was sie am Tage zuvor in aller Hast und allem Blutdurst übersehen hatte.
`Komm´, wollte er ihm zurufen, `wir werfen die teuren Kleider fort und wir nehmen das Geld, die Papiere und alles, was wir tragen können und werfen uns in den Fluss und lassen uns vom Strom davon tragen!´
Das konnte ja auch nicht gefährlicher sein, als sich mitten unter die Soldaten zu begeben.
In seinem schattigen Versteck aber begann der Ratsherr zu erzittern, als er ein furchtbares Geräusch durch die Wände und Mauern treiben hörte. Dieses Kratzen und Rauschen, als ob sich tausend Leiber aneinander rieben, das kam ihm so vertraut vor, als hätte er es bereits in seinen schlimmsten Albträumen vernommen. Eine Horde, schrecklicher und todeshungriger als die mörderische Soldateska, fraß sich da einen Weg durch Gestein und Mörtel und es schien ihm, als würden sich die Wände unter dem Ansturm der Nagezähne biegen und wölben. Die Schreckensangst, dass all die teuflischen Kreaturen, die sie bisher unter der Stadt nur erahnt hatten, nun da sie wehrlos und zerschunden dalag, einen Weg ans Sonnenlicht bahnten, das trieb ihm die Angst wie glühende Haken unter die Haut.
Da, der Mörtel löste sich bereits aus den Fugen und gehauene Feldsteine, die so groß wie Brote waren, begannen in ihren Verliesen zu rütteln und zu rattern und wurden aus den Fugen gedrückt. Der ohrenbetäubende Lärm schluckte die Schreie des Ratsherren. Wie erstarrt sah er den Kämmerer, der sich aufzurichten suchte. In einer Ecke polterte einer der Mauersteine plötzlich aus der Wand heraus und für einen Augenblick herrschte eine Stille, die beängstigender als alles vorherige war. Eine einzelne schwarze Kreatur purzelte aus dem freigewordenen Loch und huschte zu dem Schrank herüber. Dort verschwand sie, bis sie plötzlich aus dem Dunkel hervorstürzte und dem am Boden kauernden Kämmerer in den Nacken sprang.
„WAS?“, stieß der zitternd hervor und griff sich an den Hals. Er packte das quiekende Tier und warf es von sich fort.
Dann aber brachen zwei aus der Wand heraus, zehn, Dutzende, die sich gleich in Gruppen auf den Mann warfen, während der mit seinen beiden Händen kaum in der Lage war, sie sich nacheinander vom Leib zu zerren. Fast war es ihm gelungen, sich aufzurichten und vielleicht zu flüchten, bevor die Kreaturen ihn ganz überwältigten.
Der Ratsherr starrte ihn wie einen Ringkämpfer an, der unter dem Gewicht seines Gegners einzuknicken drohte und bemerkte nicht, dass aus den Dutzenden bereits Hunderte geworden waren, die in stetiger Flut aus dem Mauerwerk stoben. Bald schauten nur noch Kopf, Schultern und Oberarme aus der um ihn errichteten Pyramide aus schwarzen Tieren heraus. Als sie schließlich auch die Arme und Schultern unter ihrem Gewicht bewegungslos machten, hörte man nur noch die Schreie des Kämmeres, der den Hals reckte und alle Götter um Gnade anflehte.
Ein großes Tier, annähernd doppelt so groß wie die anderen, bahnte sich unterdessen einen Weg diese Pyramide empor und es schien, als würden sich die anderen Tiere unter ihm buckeln und ehrfürchtig zurück weichen.
Der Ratsherr musste sich in die geballte Faust beißen, bis Blut daraus hervor rann, um bei diesem Anblick nicht laut aufzuschreien. Nur der Teufel selbst konnte derartige Macht auf das niedere Getier ausüben – ein König unter den Ratten, ein Heerführer, der tausende und abertausende seines Geschlechts bis an die Oberfläche geführt hatte.
An der Spitze der lebendigen Pyramide angekommen, wand sich das Tier wie eine Schlange um den Hals den Kämmerers und es schien, als würde er ihm zuflüstern wollen. Und ein mahlendes Geräusch brachte den Ratsherren fast um den Verstand, als sich das riesige Tier durch den Nacken des Mannes bis in dessen Kopf fraß.
Als die ihn umgürtenden Tiere mit einem Mal von ihm abfielen, blieb der Kämmerer mit weit aufgerissenem Mund und starren Augen stehen. In seinem Nacken zwirbelte sich der Rattenschwanz des fressenden Tieres, das bis zur Hälfte in ihm verschwunden war. Wie eine Statue stand der Mann da, bis er mit einem Mal wie erschöpft ausatmete. Seine Lungen rasselten und es schien unmöglich, dass in seiner Brust noch das Herz zu schlagen vermochte.
Wie erwacht, reckte sich der entstellte Körper und richtete sich aus der schmerzverzerrten Pose zu voller Größe auf.
Zu seinen Füßen drängten sich die Ratten zu ihm und einige hangelten sich an ihm empor und wuselten ihm über die Schultern, über Rücken und Bauch, schlüpften in seine Kleidung und wieder heraus, so dass der Brokatumhang wie im Sturm flatterte.
Mit einem einzigen furchterregenden Schrei reckte diese Marionette von einem Menschen nun die Hände in die Höhe. Und als wäre mit dem Leben auch alles Menschliche aus ihm entschwunden, wirkten seine Gesichtszüge plötzlich nur noch wie die einer gnadenlosen Bestie.
In diesen Augenblick hinein gab der Ratsherr, der all das Unvorstellbare mit angesehen hatte, einen einzigen verzweifelten Seufzer von sich, denn seine Lungen schienen versteinert und sein Herz hatte aufgehört zu schlagen.
Der lebendig gewordene Rattenkönig blickte ihn aus der Mitte seines Heeres unbarmherzig an.
„Aus dir will ich meine Waffen schmieden!“, dröhnte seine Stimme.
Und noch bevor alles Leben aus dem Ratsherren gewichen war und das Goldsäcklein aus seiner kraftlosen Hand glitt, waren schon die Ratten an ihm empor und wühlten sich durch seine Muskeln.
Der erste Gedanke, der kam aus dem Blut.
Aus dem Inneren der Erde, aus dem Verruchten, von dort hatte sich der Rattenkönig den ersten weißen Bissen Fleisch geholt. Durch das Holz und durch den Stein und dann durch ein Kinderbett hindurch und dann wie eine Säge solange, bis ihm alles vor dem blutigen Maul fortgerissen wurde.
In dem schwarzen Loch, da lauerten seine Augen und es lag ihnen ein goldener Zug inne, ein Kranz, eine goldene Korona, die die schwarze, scheinbar bodenlose Pupille mit ihrer feurigen Iris umschloss. Eine Sonnenfinsternis, so schien es, spiegelte sich darin oder die Krone eines unsichtbaren Königs.
***
Es war eine bedeutende Standuhr, die den sonnenlosen Mittag ankündigte. Der Ruß der unzähligen Feuer hatte sich wie ein Mantel des Schweigens auf die Gassen gelegt und verhinderte die Blicke des Himmels und drückte die Schreie der Wehklagenden förmlich zurück in ihre aufgerissenen Münder.
Alles was geschah blieb verborgen und die Standuhr schlug scheppernd zwölf Mal, bevor sich unter das metallische Nachklingen das Stöhnen eines Eingeschlossenen mischte. Als er aus seiner Ohnmacht ganz erwacht war, schlug er sich hastig und ängstlich die Hand vor den Mund und suchte seine Anwesenheit zu verbergen.
Über ihm arbeitete das Uhrwerk, völlig ungerührt und das Pendel ging apathisch und herzlos von einer Seite zur anderen.
Mit beiden Händen umschloss er es und brachte es endlich zum Stehen. Nun zählte nur noch sein Atem die Sekunden.
Vorsichtig öffnete er die schmale Tür der Uhr und ließ den schockierten Blick durch den offenen Spalt huschen. Seine ängstlichen Gebete waren so leise, dass nicht einmal er selbst sie hörte und auch seine Lippen sah man sich nicht bewegen, so dunkel war es in der Uhr.
Alles war wie überschattet. Der Tag schien Nacht zu sein. Das machte dem Eingeschlossenen Mut, die Tür der Uhr weiter und immer weiter zu öffnen, bis er schließlich einen Schritt hinaus machte.
Menschen und Mobiliar lagen zerschlagen auf dem Boden herum. Der Mann raffte seinen Brokatumhang über die Knie und suchte tänzelnd einen Weg durch das schreckliche Durcheinander. Es konnte sich nur um einen der Ratsherren handeln. Er hatte sich, wie noch andere, in Schränken und Truhen zu verbergen gesucht, aber nun sah er viele der anderen, die halb herausgezerrt und erschlagen auf dem Boden lagen und bekreuzigte sich.
Mit zitternden Knien schaffte er es bis zu einer der vielen, kupferbeschlagenen Truhen und ging davor in die Knie.
„Herr im Himmel“, betete er. Tat es immer wieder und stemmte dabei die Truhe mit aller Kraft von ihrer Stelle. Darunter legte er eine verborgene Öffnung im Boden frei – betete und zog endlich ein Ledersäckchen daraus hervor. Er suchte weiter und fand einige Papiere mit bedeutsamen Siegeln.
Als er sie in Händen hielt, bekreuzigte er sich abermals.
Ein kratzendes Geräusch ließ ihn zusammenfahren.
„WER??“, aber ängstlich schlug er sich schon die Hand vor den Mund. Er wollte ja gar nicht wissen, wer da dieses Geräusch gemacht hatte. Er wollte nur weg, sich verstecken und irgendwie einen Ausweg aus diesem Labyrinth aus Tod und Schrecknis finden. Er riss die Dinge, die er gefunden hatte, an sich und stürzte in eine vom Schatten fast schwarze Ecke und zog seine Knie an, damit die weißen Waden nicht vom fahlen Licht beschienen wurden.
Er hielt seinen Atem an – für Sekunden – eine Schranktür öffnete sich und dann stürzte plötzlich ein Mann mit einem Degen heraus. Aber der Degen, der steckte ihm mitten in der Brust und nachdem er einen ersten stolpernden Schritt getan hatte, trieb er ihn sich mit seinem ganzen Gewicht durch den Oberleib hindurch, als er vornüber zusammenbrach.
Der Ratsherr war von dieser Auferstehung so mitgerissen, dass er erst gar nicht bemerkte, wie sich in dem Schrank noch jemand bewegte. Zwei Hände klammerten sich an den Schrankrahmen und blutige Kleidungsstücke fielen von ihren Haken. Atemlos kämpfte sich ein Mann aus dem Schrank heraus und ging gleich davor in die Knie.
Es war einer der Kämmerer und der Ratsherr wollte auch schon auf ihn zustürzen und ihn bittend zu sich empor reißen. Flucht, das war alles, woran er dachte, denn es würde nicht lange dauern, bis die Soldateska zurück kehrte, um das zu plündern, was sie am Tage zuvor in aller Hast und allem Blutdurst übersehen hatte.
`Komm´, wollte er ihm zurufen, `wir werfen die teuren Kleider fort und wir nehmen das Geld, die Papiere und alles, was wir tragen können und werfen uns in den Fluss und lassen uns vom Strom davon tragen!´
Das konnte ja auch nicht gefährlicher sein, als sich mitten unter die Soldaten zu begeben.
In seinem schattigen Versteck aber begann der Ratsherr zu erzittern, als er ein furchtbares Geräusch durch die Wände und Mauern treiben hörte. Dieses Kratzen und Rauschen, als ob sich tausend Leiber aneinander rieben, das kam ihm so vertraut vor, als hätte er es bereits in seinen schlimmsten Albträumen vernommen. Eine Horde, schrecklicher und todeshungriger als die mörderische Soldateska, fraß sich da einen Weg durch Gestein und Mörtel und es schien ihm, als würden sich die Wände unter dem Ansturm der Nagezähne biegen und wölben. Die Schreckensangst, dass all die teuflischen Kreaturen, die sie bisher unter der Stadt nur erahnt hatten, nun da sie wehrlos und zerschunden dalag, einen Weg ans Sonnenlicht bahnten, das trieb ihm die Angst wie glühende Haken unter die Haut.
Da, der Mörtel löste sich bereits aus den Fugen und gehauene Feldsteine, die so groß wie Brote waren, begannen in ihren Verliesen zu rütteln und zu rattern und wurden aus den Fugen gedrückt. Der ohrenbetäubende Lärm schluckte die Schreie des Ratsherren. Wie erstarrt sah er den Kämmerer, der sich aufzurichten suchte. In einer Ecke polterte einer der Mauersteine plötzlich aus der Wand heraus und für einen Augenblick herrschte eine Stille, die beängstigender als alles vorherige war. Eine einzelne schwarze Kreatur purzelte aus dem freigewordenen Loch und huschte zu dem Schrank herüber. Dort verschwand sie, bis sie plötzlich aus dem Dunkel hervorstürzte und dem am Boden kauernden Kämmerer in den Nacken sprang.
„WAS?“, stieß der zitternd hervor und griff sich an den Hals. Er packte das quiekende Tier und warf es von sich fort.
Dann aber brachen zwei aus der Wand heraus, zehn, Dutzende, die sich gleich in Gruppen auf den Mann warfen, während der mit seinen beiden Händen kaum in der Lage war, sie sich nacheinander vom Leib zu zerren. Fast war es ihm gelungen, sich aufzurichten und vielleicht zu flüchten, bevor die Kreaturen ihn ganz überwältigten.
Der Ratsherr starrte ihn wie einen Ringkämpfer an, der unter dem Gewicht seines Gegners einzuknicken drohte und bemerkte nicht, dass aus den Dutzenden bereits Hunderte geworden waren, die in stetiger Flut aus dem Mauerwerk stoben. Bald schauten nur noch Kopf, Schultern und Oberarme aus der um ihn errichteten Pyramide aus schwarzen Tieren heraus. Als sie schließlich auch die Arme und Schultern unter ihrem Gewicht bewegungslos machten, hörte man nur noch die Schreie des Kämmeres, der den Hals reckte und alle Götter um Gnade anflehte.
Ein großes Tier, annähernd doppelt so groß wie die anderen, bahnte sich unterdessen einen Weg diese Pyramide empor und es schien, als würden sich die anderen Tiere unter ihm buckeln und ehrfürchtig zurück weichen.
Der Ratsherr musste sich in die geballte Faust beißen, bis Blut daraus hervor rann, um bei diesem Anblick nicht laut aufzuschreien. Nur der Teufel selbst konnte derartige Macht auf das niedere Getier ausüben – ein König unter den Ratten, ein Heerführer, der tausende und abertausende seines Geschlechts bis an die Oberfläche geführt hatte.
An der Spitze der lebendigen Pyramide angekommen, wand sich das Tier wie eine Schlange um den Hals den Kämmerers und es schien, als würde er ihm zuflüstern wollen. Und ein mahlendes Geräusch brachte den Ratsherren fast um den Verstand, als sich das riesige Tier durch den Nacken des Mannes bis in dessen Kopf fraß.
Als die ihn umgürtenden Tiere mit einem Mal von ihm abfielen, blieb der Kämmerer mit weit aufgerissenem Mund und starren Augen stehen. In seinem Nacken zwirbelte sich der Rattenschwanz des fressenden Tieres, das bis zur Hälfte in ihm verschwunden war. Wie eine Statue stand der Mann da, bis er mit einem Mal wie erschöpft ausatmete. Seine Lungen rasselten und es schien unmöglich, dass in seiner Brust noch das Herz zu schlagen vermochte.
Wie erwacht, reckte sich der entstellte Körper und richtete sich aus der schmerzverzerrten Pose zu voller Größe auf.
Zu seinen Füßen drängten sich die Ratten zu ihm und einige hangelten sich an ihm empor und wuselten ihm über die Schultern, über Rücken und Bauch, schlüpften in seine Kleidung und wieder heraus, so dass der Brokatumhang wie im Sturm flatterte.
Mit einem einzigen furchterregenden Schrei reckte diese Marionette von einem Menschen nun die Hände in die Höhe. Und als wäre mit dem Leben auch alles Menschliche aus ihm entschwunden, wirkten seine Gesichtszüge plötzlich nur noch wie die einer gnadenlosen Bestie.
In diesen Augenblick hinein gab der Ratsherr, der all das Unvorstellbare mit angesehen hatte, einen einzigen verzweifelten Seufzer von sich, denn seine Lungen schienen versteinert und sein Herz hatte aufgehört zu schlagen.
Der lebendig gewordene Rattenkönig blickte ihn aus der Mitte seines Heeres unbarmherzig an.
„Aus dir will ich meine Waffen schmieden!“, dröhnte seine Stimme.
Und noch bevor alles Leben aus dem Ratsherren gewichen war und das Goldsäcklein aus seiner kraftlosen Hand glitt, waren schon die Ratten an ihm empor und wühlten sich durch seine Muskeln.