Regentag

Immer wenn es regnet in unserer in Agonie liegenden Stadt,
sind die Häuserfronten noch trostloser
und grauer als ohnehin schon,
und grün oder aschfahl sind die Gesichter derer,
die man verbannt hat
in die möbellosen Räume
hinter den zersprungenen Fensterscheiben.

Aber die sonst allgegenwärtigen Wachen
ziehen sich dann lustlos
in ihre Kasernen zurück;
denn sie fürchten den Regen mehr
als uns paar Kellerkinder,
die sie noch nicht haben erwischen können.

Wir kriechen heraus aus unseren Löchern,
lachen und weinen zum Himmel hinauf
und laufen geschwind
über den nassen,
blau glänzenden Asphalt.

Endlich einmal wieder Luft atmen,
die fast frei ist von dem Gift,
das in unseren Kellern wabert.

Endlich wieder einmal in Bewegung,
und spüren
den ungeduldigen Körper,
der jung ist
und nichts ahnt
von all den leichtsinnig freigesetzten Isotopen,
den heimtückischen Giften,
den genveränderten Mikroorganismen
und nicht zuletzt auch den Träumen
von einer Zukunft,
die den meisten von uns
auf immer verwehrt bleiben wird.

Den Blick in den Himmel gerichtet,
rennen wir Hand in Hand
hinaus zu den Feldern,
in denen alle die verscharrt sind,
deren Vertrauen
die Wachen sich erschlichen
und umgehend missbraucht haben.

Noch haben sie die Macht über uns
und über das Land,
doch es ist ganz gewiss
dass sie bald verschwunden sein werden;
denn dumm wie sie sind,
suhlen sie sich bedenkenlos in ihrem eigenen Gift.

Und sollten sie endlich
alle miteinander verreckt sein sein,
dann wird es an uns liegen,
nur an uns,
dass die Unterdrückung nie wiederkehrt.
 
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