Rengas und Haikus

Midian

Mitglied
Der Renga, so habe ich im Internet gelesen, ist ein Haiku, der um zwei Zeilen zu je sieben Silben erweitert wird. In meinem Schreibkurs hatte ich jedoch gelernt, der Haiku sei in vier Zeilen zu je sieben Silben eingebettet. In dieser Form habe ich meine Rengas geschrieben.


Griechenland

Du pflücktest Opuntien,
Die mit den feinen Stacheln
Feigenkaktus-Frucht.
Ich vergaß, wie sie schmecken.
Süßes Erinnern
Waren mir über’s Jahr noch
Die Stacheln in den Kleidern.

* * *

Endlich Urlaub. Griechenland.
Glanz vergangener Zeiten
Im Licht gefangen.
Gastlichkeit deiner Dörfer
Bousoukia-Klänge.
Endlich da! – Drei Wochen Frust
Im grauen Touristentrom.

* * *

Santorini – Voll!
Abermals wird es zerstört:
Minoens Juwel.

* * *

Taverna am Meer.
Ich füttere die Krebse
Mit Ziegenkäse.

* * *

Retsina, geharzt.
Ich schmecke Erinnerung
Goldgelb und bitter.


Fortschritt

Durch stille Nebel
Hinter den Silberweiden
Schimmert McDonalds.

* * *

Es gibt zu viele Bäche.
Da schwimmt noch ein Fisch. Fangt ihn!
Schüttet den Bach zu!
Planiert die satten Wiesen.
Teert das Leben zu!
Da! Ein Frosch! Tretet ihn tot!
Wir brauchen noch mehr Straßen.




Mein Hund Max

Du hast auf mich gewartet,
immer hast du dich gefreut.
Manchmal kam ich spät.
Wenn ich kam, hast du gelacht.
Du kannst nicht lachen,
sagten die dummen Leute.
Du hast auch mit mir geweint.




Im Büro:

Montagmorgen im Büro.
Mein Computer meldet sich:
Password eingeben.
Ich tippe gedankenlos.
Meine Seele fliegt
Dreitausend Jahre zurück.
Was habe ich geschrieben?

* * *

Mein Spiegelbild: betrüblich
Meine Gelenke mahnen:
Jede Stunde zählt.
Ich möchte endlich leben.
Der Wecker klingelt.
Wieder ein Tag – fremdbestimmt.
Ein Tag, der nicht mir gehört.




Der Voyeur

Ich liege unter Bäumen.
Still ruht der Seee. Es raschelt.
Ein hübscher Junge
Wechselt die Badehose.
Ich kann nichts sehen
Hinter dichtbelaubtem Busch.
Besser, so kann ich träumen.


Jahreszeiten-Haikus

Frühling
Kein Frost mehr. Es grünt.
Schnell das Rad vom Staub befreit.
Schade, es regnet.

* * *

Sommer
Eis essen, wandern
An langen, hellen Tagen.
So schnell vorüber.

* * *

Herbst
Goldene Reife.
Letzter Blumen Farbenglut
Künden frühen Frost.

* * *

Winter
Eisgepanzert, du!
Lässt mich in dunklen Tagen
Träumen vom Sommer.
 

Rhea_Gift

Mitglied
Auch hier - ich würd die Themen Griechenland zusammenhängend einstellen und die Jahreszeiten Haikus - die gehören auch zusammen - der Rest alles einzeln...

Sind Schöne dabei, aber mir gefallen nicht alle - daher Wertung schwierig...

LG, Rhea
 

Midian

Mitglied
Hier gilt, was ich schon zu anderen Gedichten geschrieben habe. Gesamtbewertung kann entfallen. Eine Stellungnahme zu jedem einzelnen wäre mir lieber und ist auch machbar. Muss man natürlich viel mehr schreiben.
Gruß Midian
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich betrachte es als eine Sammlung. Ob die Haiku inhaltlich alle Haiku sind, lasse ich hier offen, obwohl ich es nach meinen Kenntnissen als Senryus einstufen würde. Was sagte der Schreibkurs zum Inhalt der Haikus?

In den hier vorliegenden Teilen besteht ein leichter innerer Zusammenhang. Reise und Jahreszeiten.
 

Midian

Mitglied
Der Schreibkurs sagte nur was von der Form, also der Anzahl der Silben. Wenn wir am Haiku-Schreiben waren, amüsierte sich unsere Leiterin immer darüber, wie alle eifrig dabei waren, an den Fingern abzuzählen. Dass es bei Haikus eigentlich um die Natur geht, habe ich erst in der LL erfahren. Von Senryus hatte ich noch nie was gehört. Gut, dass man dazu lernt.
Auf das Niveau, die Silben nicht mehr zu zählen, sondern zu fühlen, bin ich leider niemals gekommen.
 



 
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