nathanvaleur
Mitglied
Ich war schon auf dem Klo, bevor die anderen überhaupt gemerkt hatten, dass wir am falschen Terminal standen. Ich kannte diesen Moment: keiner entscheidet, alle warten, ich handle. In unserer Gruppe war ich selten die Planerin, aber wenn Chaos war, wurde ich zum Blitzableiter: schnell, körperlich, lösungsorientiert. Irgendwer musste ja den ersten Schritt machen. Wenn es Stress gab, war mein erster Reflex: Lippenstift nachziehen, Schultern sortieren, atmen. Der Spiegel über dem Waschbecken war dreckig, das Licht flach und unfreundlich. Meine Augen waren gerötet vom Flug, die Lippen blass, das Haar elektrisch aufgeladen. Der dünne Stoff meines Shirts klebte am Rücken, und unter den Augen zog sich ein dunkler Schatten. Trotzdem: Ich war da. Mein Körper war weich von innen, mein Shirt zu dünn, meine Beine zu lang für diesen Boden. Ich mochte es.
Ich checkte mein Handy, während ich mir die Haare neu band, Routine – aber meine Finger zitterten kaum merklich, als hätte mein Körper etwas gespürt. Drei neue E-Mails. Eine von irgendeinem Shop, eine Erinnerung an einen Friseurtermin in Deutschland, den ich eh nie wahrnehmen würde und eine mit dem Betreff: „Ungewöhnlicher Zugriff auf Ihre Cloud-Daten“.
Ich klickte sie an. Irgendwas mit Login aus USA, kein Gerät erkannt. Ort: „Phoenix Sky Harbor International“. Uhrzeit: 07:41. Direkt nach der Landung. Ich starrte darauf. Nichts weiter. Kein Link, kein Ton.
Ich drehte mich um, ging Richtung Ausgang, fand Lina, die gerade versuchte, auf ihrem Handy das WLAN zu bändigen. Ich hielt ihr meins hin.
„Hey... hast du sowas schon mal bekommen?“, fragte ich. Locker. Nebenbei.
Sie sah drauf, blinzelte. „Login-Versuch? Warst du auf ‘nem fremden Netzwerk?“
„Flugzeug-WLAN?“
„Könnte sein. Oder Scam.“
Ich nickte. „Oder jemand interessiert sich für meine Bikinibilder.“
„Du speicherst Bikinibilder in der Cloud?“ Luca war neben uns aufgetaucht, nahm mir das Handy aus der Hand. „Du bist doch nicht so dumm, oder?“
Ich nahm es ihr wieder ab. „Entspann dich. Vielleicht war’s nur mein digitales Ego, das aus Versehen auf ‘Senden’ gedrückt hat.“
„Oder du hast einfach keine Ahnung von Sicherheit.“
„Stimmt. Dafür hab ich Titten.“
Luca hob die Augenbraue, drehte sich um, verschwand Richtung Schalter. Lina zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich hatte sie mich bei irgendwas eingeloggt, als wir noch ihre Filme runtergeladen hatten. Egal. Ich wollte jetzt keine Nervenzusammenbrüche, ich wollte Hitze. Bewegung. Und vielleicht einen Kuss von jemandem, dessen Name ich erst später nachfragen würde.
Der Flughafen war wie aus einem Werbekatalog: Hochglanzflächen, zu viele Logos, aufpolierte Rollkoffer, Männer in Shorts mit Socken bis zum Knie, Frauen mit Pastell-Rucksäcken und Starbucks-Tumblertassen. Ein Typ im Overall fuhr einen Putzwagen vorbei und warf mir einen Blick zu. Ich zwinkerte. Er prallte fast gegen einen Wartebereich voller deutscher Reisegruppen. Ich liebte diesen Ort.
Luca stand mit verschränkten Armen vor einem Service-Schalter und erklärte dem Angestellten die Bedeutung von „vorher bezahlt“. Lina tippte auf ihrem Handy, als könne sie mit genug WLAN einen Van herbeizaubern. Ich trat zu ihnen, grinste, kaute demonstrativ Kaugummi.
„Was ist das Problem?“, fragte ich, obwohl ich’s schon ahnte.
„Der Van ist weg. Also... nicht da. Reservierung gelöscht. Kann aber nicht gelöscht sein“, sagte sie, ohne aufzusehen. „Ich hab’s bestätigt. Hab die Mails.“
„Und was schlägt Mr. Fuckface da hinterm Tresen vor?“, fragte ich, zeigte mit dem Kinn auf den Typen mit dem Namensschild „Chad“.
„Chad schlägt vor, wir zahlen das Doppelte oder warten bis morgen“, sagte Luca. „Ich schlage vor, er frisst seine Tastatur.“
„Lina wird das regeln“, sagte ich. „Und wenn nicht, dann ich.“
„Du hast keine Ahnung, wie das hier läuft“, knurrte sie.
„Aber ich hab Brüste. Und Hunger.“
Ich ließ mir Zeit. Drehte mich langsam zum Schalter, rollte die Schultern zurück, drückte ein Grinsen auf die Lippen, das beiläufig wirkte, aber gezielt war. Ich schenkte Chad mein bestes „Ich bin nett, aber nicht dumm“-Lächeln, hielt den Blick genau lang genug, dass es flimmerte, aber nicht übertrieb. Mein Gewicht verlagerte sich leicht auf ein Bein, die Hüfte ein Hauch vorgedreht, der Ton meiner Stimme knapp unter Flirt, über Neutralität. Ich war keine, die bettelte. Ich war eine, bei der man gern nachgab. In diesen Momenten war es fast wie ein Spiel – die Mischung aus freundlichem Ton, leichtem Körpereinsatz und der festen Überzeugung, dass jeder Mann mit Tastatur irgendetwas rausrücken würde, wenn er dachte, er sei der Held in meiner kleinen Chaosgeschichte. Er grinste zurück. Natürlich tat er das.
„Hi! I think there's been a little system mess-up,“ sagte ich und beugte mich leicht vor. „We had a reservation, but apparently the server ghosts are having a party. You know how it is.“
Chad, Anfang dreißig, Bart gepflegt, aber unoriginell. Blick zu meinen Lippen, dann zu meinem Pass.
„Name?“
„Jenny. Like J-Lo, but flat-broke.“
Er lachte. Das Eis war gebrochen.
„We're driving west. Maybe get famous. Or at least tan.“
„Well,“ sagte Chad, „I’ve got an old Chevy that’s technically not dead yet.“
„Perfect. Like me after this flight.“
Er tippte. Ich kritzelte. Der Van war unserer. Ich zwinkerte zum Abschied.
Wir bekamen den Schlüssel und gingen hinaus. Der Parkplatz war ein flirrendes Blechmeer unter der gnadenlosen amerikanischen Sonne. Wir irrten ein paar Minuten durch Reihen und Zahlen, vorbei an SUVs mit Flaggenstickern und klapprigen Kombis. Und dann stand er da: unser Van. Ein blasser Chevy, mit mattem Lack, Riss in der Windschutzscheibe und einem Gesicht wie aus einem schlechten Highschool-Film. Aber er war groß. Und er war da.
Lina hatte sich auf den Fahrersitz gesetzt, ohne zu fragen. Ich ließ mich neben sie fallen. Der Sitz war so heiß, dass ich erst mal die Beine anziehen musste. Sie bückte sich nach vorn, öffnete das Handschuhfach. Ihr Oberkörper glitt an mir vorbei, das helle Top spannte sich, und für einen Moment war ich mir sicher, ich könnte durch den Stoff hindurch den hellen Kreis ihrer Brustwarze sehen. Oder bildete ich mir das nur ein? Mein Herz machte einen Hüpfer, ich fasste fester ans Ohr.
Ohne ein Wort fing Lina an, zwischen Papieren, Tankquittungen, einem zerknitterten Prospekt, alten Schlüsseln herumzufingern. „Vielleicht hat der Verleiher wenigstens eine Notfallnummer dagelassen …“ murmelte sie. Ihre Haare streiften mein Kinn.
Zwischen dem Papierkram zog sie plötzlich eine Sonnenbrille mit Glitzerbügeln hervor. „Guck mal“, sagte sie, fast erstaunt. „Was man so alles findet.“ Sie reichte sie mir, aber anstatt sie einfach loszulassen, ließ sie ihre Hand auf meinem Oberschenkel liegen, warm, schwer, fester als nötig. Ihr Daumen strich kaum wahrnehmbar über meine nackte Haut, gleich dort, wo der Stoff meiner Hotpants endete. Langsam, prüfend, als würde sie eine Grenze abtasten, die ich selbst nicht kannte. Dann schob sich ihr Daumen ein winziges Stück unter den Jeansstoff. Mein Atem stockte, und für einen Moment wusste ich nicht, ob ich zittern oder lachen sollte.
Alles in mir zog sich zu diesem einen Punkt zusammen, wo ihre Hand lag, ein Knistern, das so leise war, dass es fast schmerzte.
Ich nahm die Brille, drehte sie zwischen den Fingern, spürte das kühle Glas, das Kribbeln in meinem Nacken. Ich setzte sie auf und für einen Moment war alles stumm: draußen Stimmen, im Wagen nur unser Atem, die Luft so dicht wie Sommerhitze. Im Dunkel der Gläser spiegelte sich Linas Gesicht, fremd und vertraut zugleich, und ihr Daumen auf meinem Bein blieb wie ein Versprech
en.
Plötzlich war mir egal, ob die Sonne draußen oder ich drinnen brannte.
Ich checkte mein Handy, während ich mir die Haare neu band, Routine – aber meine Finger zitterten kaum merklich, als hätte mein Körper etwas gespürt. Drei neue E-Mails. Eine von irgendeinem Shop, eine Erinnerung an einen Friseurtermin in Deutschland, den ich eh nie wahrnehmen würde und eine mit dem Betreff: „Ungewöhnlicher Zugriff auf Ihre Cloud-Daten“.
Ich klickte sie an. Irgendwas mit Login aus USA, kein Gerät erkannt. Ort: „Phoenix Sky Harbor International“. Uhrzeit: 07:41. Direkt nach der Landung. Ich starrte darauf. Nichts weiter. Kein Link, kein Ton.
Ich drehte mich um, ging Richtung Ausgang, fand Lina, die gerade versuchte, auf ihrem Handy das WLAN zu bändigen. Ich hielt ihr meins hin.
„Hey... hast du sowas schon mal bekommen?“, fragte ich. Locker. Nebenbei.
Sie sah drauf, blinzelte. „Login-Versuch? Warst du auf ‘nem fremden Netzwerk?“
„Flugzeug-WLAN?“
„Könnte sein. Oder Scam.“
Ich nickte. „Oder jemand interessiert sich für meine Bikinibilder.“
„Du speicherst Bikinibilder in der Cloud?“ Luca war neben uns aufgetaucht, nahm mir das Handy aus der Hand. „Du bist doch nicht so dumm, oder?“
Ich nahm es ihr wieder ab. „Entspann dich. Vielleicht war’s nur mein digitales Ego, das aus Versehen auf ‘Senden’ gedrückt hat.“
„Oder du hast einfach keine Ahnung von Sicherheit.“
„Stimmt. Dafür hab ich Titten.“
Luca hob die Augenbraue, drehte sich um, verschwand Richtung Schalter. Lina zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich hatte sie mich bei irgendwas eingeloggt, als wir noch ihre Filme runtergeladen hatten. Egal. Ich wollte jetzt keine Nervenzusammenbrüche, ich wollte Hitze. Bewegung. Und vielleicht einen Kuss von jemandem, dessen Name ich erst später nachfragen würde.
Der Flughafen war wie aus einem Werbekatalog: Hochglanzflächen, zu viele Logos, aufpolierte Rollkoffer, Männer in Shorts mit Socken bis zum Knie, Frauen mit Pastell-Rucksäcken und Starbucks-Tumblertassen. Ein Typ im Overall fuhr einen Putzwagen vorbei und warf mir einen Blick zu. Ich zwinkerte. Er prallte fast gegen einen Wartebereich voller deutscher Reisegruppen. Ich liebte diesen Ort.
Luca stand mit verschränkten Armen vor einem Service-Schalter und erklärte dem Angestellten die Bedeutung von „vorher bezahlt“. Lina tippte auf ihrem Handy, als könne sie mit genug WLAN einen Van herbeizaubern. Ich trat zu ihnen, grinste, kaute demonstrativ Kaugummi.
„Was ist das Problem?“, fragte ich, obwohl ich’s schon ahnte.
„Der Van ist weg. Also... nicht da. Reservierung gelöscht. Kann aber nicht gelöscht sein“, sagte sie, ohne aufzusehen. „Ich hab’s bestätigt. Hab die Mails.“
„Und was schlägt Mr. Fuckface da hinterm Tresen vor?“, fragte ich, zeigte mit dem Kinn auf den Typen mit dem Namensschild „Chad“.
„Chad schlägt vor, wir zahlen das Doppelte oder warten bis morgen“, sagte Luca. „Ich schlage vor, er frisst seine Tastatur.“
„Lina wird das regeln“, sagte ich. „Und wenn nicht, dann ich.“
„Du hast keine Ahnung, wie das hier läuft“, knurrte sie.
„Aber ich hab Brüste. Und Hunger.“
Ich ließ mir Zeit. Drehte mich langsam zum Schalter, rollte die Schultern zurück, drückte ein Grinsen auf die Lippen, das beiläufig wirkte, aber gezielt war. Ich schenkte Chad mein bestes „Ich bin nett, aber nicht dumm“-Lächeln, hielt den Blick genau lang genug, dass es flimmerte, aber nicht übertrieb. Mein Gewicht verlagerte sich leicht auf ein Bein, die Hüfte ein Hauch vorgedreht, der Ton meiner Stimme knapp unter Flirt, über Neutralität. Ich war keine, die bettelte. Ich war eine, bei der man gern nachgab. In diesen Momenten war es fast wie ein Spiel – die Mischung aus freundlichem Ton, leichtem Körpereinsatz und der festen Überzeugung, dass jeder Mann mit Tastatur irgendetwas rausrücken würde, wenn er dachte, er sei der Held in meiner kleinen Chaosgeschichte. Er grinste zurück. Natürlich tat er das.
„Hi! I think there's been a little system mess-up,“ sagte ich und beugte mich leicht vor. „We had a reservation, but apparently the server ghosts are having a party. You know how it is.“
Chad, Anfang dreißig, Bart gepflegt, aber unoriginell. Blick zu meinen Lippen, dann zu meinem Pass.
„Name?“
„Jenny. Like J-Lo, but flat-broke.“
Er lachte. Das Eis war gebrochen.
„We're driving west. Maybe get famous. Or at least tan.“
„Well,“ sagte Chad, „I’ve got an old Chevy that’s technically not dead yet.“
„Perfect. Like me after this flight.“
Er tippte. Ich kritzelte. Der Van war unserer. Ich zwinkerte zum Abschied.
Wir bekamen den Schlüssel und gingen hinaus. Der Parkplatz war ein flirrendes Blechmeer unter der gnadenlosen amerikanischen Sonne. Wir irrten ein paar Minuten durch Reihen und Zahlen, vorbei an SUVs mit Flaggenstickern und klapprigen Kombis. Und dann stand er da: unser Van. Ein blasser Chevy, mit mattem Lack, Riss in der Windschutzscheibe und einem Gesicht wie aus einem schlechten Highschool-Film. Aber er war groß. Und er war da.
Lina hatte sich auf den Fahrersitz gesetzt, ohne zu fragen. Ich ließ mich neben sie fallen. Der Sitz war so heiß, dass ich erst mal die Beine anziehen musste. Sie bückte sich nach vorn, öffnete das Handschuhfach. Ihr Oberkörper glitt an mir vorbei, das helle Top spannte sich, und für einen Moment war ich mir sicher, ich könnte durch den Stoff hindurch den hellen Kreis ihrer Brustwarze sehen. Oder bildete ich mir das nur ein? Mein Herz machte einen Hüpfer, ich fasste fester ans Ohr.
Ohne ein Wort fing Lina an, zwischen Papieren, Tankquittungen, einem zerknitterten Prospekt, alten Schlüsseln herumzufingern. „Vielleicht hat der Verleiher wenigstens eine Notfallnummer dagelassen …“ murmelte sie. Ihre Haare streiften mein Kinn.
Zwischen dem Papierkram zog sie plötzlich eine Sonnenbrille mit Glitzerbügeln hervor. „Guck mal“, sagte sie, fast erstaunt. „Was man so alles findet.“ Sie reichte sie mir, aber anstatt sie einfach loszulassen, ließ sie ihre Hand auf meinem Oberschenkel liegen, warm, schwer, fester als nötig. Ihr Daumen strich kaum wahrnehmbar über meine nackte Haut, gleich dort, wo der Stoff meiner Hotpants endete. Langsam, prüfend, als würde sie eine Grenze abtasten, die ich selbst nicht kannte. Dann schob sich ihr Daumen ein winziges Stück unter den Jeansstoff. Mein Atem stockte, und für einen Moment wusste ich nicht, ob ich zittern oder lachen sollte.
Alles in mir zog sich zu diesem einen Punkt zusammen, wo ihre Hand lag, ein Knistern, das so leise war, dass es fast schmerzte.
Ich nahm die Brille, drehte sie zwischen den Fingern, spürte das kühle Glas, das Kribbeln in meinem Nacken. Ich setzte sie auf und für einen Moment war alles stumm: draußen Stimmen, im Wagen nur unser Atem, die Luft so dicht wie Sommerhitze. Im Dunkel der Gläser spiegelte sich Linas Gesicht, fremd und vertraut zugleich, und ihr Daumen auf meinem Bein blieb wie ein Versprech
en.
Plötzlich war mir egal, ob die Sonne draußen oder ich drinnen brannte.