Eines Morgens erwachte ich mit dem festen Vorsatz, meinen Ehemann zu beseitigen. Er störte mich schon die längste Zeit, vor allem seit er in Pension war. Als junges Ding ahnte ich nicht, wie verheerend sich ein Altersunterschied von fünfzehn Jahren im späteren Leben auswirken kann. Er war mein Chef und noch dazu ein alter Hagestolz. Muss ich mehr sagen? Jede Jägerin weiß, dass man so einen scheuen kapitalen Hirsch nicht laufen lassen kann. Eigentlich wollte ich ihn nur für eine kleine Weile zur Strecke bringen, aber die Gewohnheit ist ein Luder.
Aus der Affäre wurde eine Ehe, und heute nehme ich "zur Strecke bringen" wörtlich. Ich bin weder grausam noch rachsüchtig, sondern eher zartbesaitet. Es geht mir nicht um Vergeltung, sondern um meine Freiheit. Eine Scheidung kommt nicht in Betracht, weil wir dann Haus und Garten verkaufen und jeder in einer winzigen Eigentumswohnung sitzen müssten. Für Johannes wäre das inakzeptable. Er macht sich für sein Leben gern an den Beeten und Bäumen zu schaffen. Dabei gilt: Ich will Blumen, er will Radieschen.
Wie gesagt, ich bin nicht grausam. Ich wollte nicht, dass er leidet - und natürlich wollte ich nicht ins Gefängnis. Es hätte alles viel einfacher gemacht, wenn er schon gebrechlich oder pflegebedürftig gewesen wäre, aber davon konnte leider keine Rede sein. Wenn ich am Morgen meine Sachen fürs Büro zusammenpackte, sah ich ihn schon auf der Terrasse Liegestütze und Kniebeugen machen, braungebrannt, in roten Boxershorts. Manchmal kam es mir so vor, als ob er alles daran setzte, mich zu überleben, entgegen jeder statistischen Erwartung.
An dem Morgen, an dem sich meine spielerischen Gedanken zu einem Vorsatz formten, dachte ich zunächst an die vielen Alpinunfälle der letzten Jahre. Es verging keine Woche, in der nicht ein Wanderer stolperte oder ausrutschte und einen Abhang hinunterrodelte oder in eine Gletscherspalte fiel. Unsere Alpen sind ein Massengrab! Die Frühjahrsschmelze bringt alles ans Licht. Selten gibt es mehr als einen Zeugen. Das ist der Begleiter, der den Notruf absetzt. Er kann sich mitunter Zeit lassen und eine Weile händeringend hin und herlaufen, bis von unten kein Geschrei mehr kommt.
Als nächstes fielen mir die sogenannten "Beziehungstaten" ein. Dabei geht in der Regel ein Mann auf eine Frau los. Der Vorgang wird als "Femizid" bezeichnet. Beliebt sind Messer, aber auch die bloßen Hände. Rätselhaft, warum Männer wild zustechen und sich erwischen lassen. Sie scheinen das Spiel mit den Schuldgefühlen nicht zu begreifen. Man hat sie nicht, man sorgt dafür, dass sie der Andere hat. Und dann die Othellos, die hinter jedem Busch einen Liebhaber wittern, den sie gern für sich selbst hätten, aber der Gattin unterjubeln müssen. Nicht zu vergessen die, die ihre Koffer nicht packen, weil sie höllische Angst vor dem Alleinsein haben, auch wenn die Angetraute in jeder freien Minute nörgelt und fordert.
Ich überlegte, ob sich Johannes zu einem Femizid hinreißen lassen würde. Den müsste ich natürlich überleben und er ins Gefängnis wandern. Ein Befreiungsschlag über die Bande sozusagen. Ich verwarf den Gedanken und beschäftigte mich wieder mit den Möglichkeiten, die ein gemeinsamer Ausflug bietet. Sudermanns "Reise nach Tilsit" kam mir in den Sinn. Zwei Leute in einem kleinen Boot in gefährlichem Gewässer. Das konnte so oder so ausgehen. Wir waren beide schlechte Schwimmer. Auch unwahrscheinlich, dass er mich an die Ostsee begleiten würde. Seit er in Pension war, wollte er überhaupt nicht mehr verreisen, weil er glaubte, dass Einbrecher in unserer Abwesenheit das Haus plündern und den Garten verwüsten könnten.
Auf dem Weg ins Büro dachte ich an die "tragischen Unfälle", von denen ich gelesen hatte, und bei denen Fahrzeuge eine Rolle spielten. Eine Frau brettert im Retourgang aus der Garage, während der Gatte sich heckseitig die Schnürsenkel bindet. Ein Bauer fährt mit dem Traktor bergauf und verliert seinen Anhänger, auf dem seine Anhängerin sitzt. Ein Gärtner vergisst, dass seine Frau ein Sonnenbad nehmen wollte und überfährt sie mit dem Mähwerk. - Schöne Beispiele, für mich aber leider nicht brauchbar. Johannes würde sich - wahrscheinlich instinktiv - nie in die Garagenausfahrt stellen, wenn ich am Steuer saß, und unser Rasenmäher eignete sich höchstens zum Köpfen von Maulwürfen.
Im Büro, weit entfernt von daheim, war ich nahe daran, mein Vorhaben zu vergessen. Es war ein Montag, an dem wieder alle von ihrem Wochenende erzählten. Es war wie immer zu kurz, weil man Wäsche waschen, bügeln, Bad und Küche reinigen und einkaufen gehen musste. Das Kind einer Kollegin konnte im letzten Augenblick davon abgehalten werden, einen Schluck aus der Weichspüler-Flasche zu nehmen. Das brachte mich zurück zum Thema. War nicht das Arbeiten im Haushalt besonders gefährlich? Wie schnell konnte man in den Stromkreis geraten, beim Fensterputzen abstürzen, von der Leiter fallen oder giftige Chemikalien einatmen. Nicht alles führt zum Tod, aber mit ein wenig Glück.
Johannes turnte gern auf unserem alten Balkon herum, wahrscheinlich, um Frau Bröselmayer, die Nachbarin, zu beeindrucken. Er plauderte mit ihr, während er mit dem Pinsel die Zwischenräume des filigranen Holzgeländers säuberte. Dabei musste er sich weit vorbeugen. Manchmal verwendete er einen Holzreiniger, der angeblich Dünste absonderte, die die Augen reizten und das Gehirn benebelten. Ich wollte diese beiden Umstände noch eine Weile bedenken und zueinander in Beziehung setzen.
Natürlich wäre Gift das Mittel der Wahl gewesen. In kleinen Mengen ins Essen gerührt, Quecksilber, Thalliumsalz oder Parathion, auch E 605 genannt. Alles schwer nachzuweisen, aber auch schwer zu kriegen. Doch auch das konnte ich abhaken. Johannes hatte seit seiner Pensionierung Küche und Einkauf übernommen. Jeden Tag servierte er mageres Fleisch und Gemüse aus dem Garten. Dazu gab es Mineralwasser und Kräutertee. Ein paar Nudeln oder Erdäpfel gönnte er mir nur am Sonntag, weil Kohlehydrate dick und schlapp machen. Manchmal kaufte ich mir auf dem Weg zur Arbeit einen Punschkrapfen. Nie auf dem Heimweg. Er hätte den Rum gerochen.
So verging der Tag. Ich war aufgewühlt und unzufrieden, überzeugt, dass jede Minute irgendwo ein Gattenmord stattfand, der nie aufgeklärt wurde. Im Darknet, so hatte ich einmal gelesen, konnte man für sehr viel Geld einen Auftragskiller engagieren. Es gab nur zwei Fälle in den letzten zehn Jahren, über die in den Medien berichtet wurde. Also arbeiteten diese Burschen so perfekt, dass keine Spur zu ihnen oder ihren Auftraggebern führte. Das Dumme war nur, dass mir Johannes die Benutzung seines Laptops untersagt hatte, und das Darknet auf dem Bürocomputer zu suchen, kam natürlich nicht in Betracht.
Als ich nach Hause kam, standen ein Polizeiauto und ein Leichenwagen vor Frau Bröselmayers Garten. Die Rettung fuhr gerade davon. Zwei Männer trugen einen Blechsarg aus dem Garten und schoben ihn in den Leichenwagen. Man hatte schon auf mich gewartet. Sie saß mit einer Decke um die Schultern auf einem Gartensessel und begann fürchterlich zu heulen, als sie mich sah. Während ich ihre Hand tätschelte, berichtete mir ein Polizeibeamter, dass Johannes in die Krone des alten Nussbaums gestiegen war, um Frau Bröselmayers Katze zu retten. Sie hatte ihn darum gebeten, ohne zu wissen, wie morsch manche Äste schon waren. Er sei zwar offenbar sehr sportlich gewesen, hätte aber wahrscheinlich sein Gewicht unterschätzt. Ein bedauerliches Unglück. Die Sanitäter hätten nur noch seinen Tod feststellen können.
Ich muss sagen, dass ich tatsächlich erschüttert war und Gewissensbisse hatte. Nachdem ich aber keinen direkten Zusammenhang zwischen meinen Plänen und dem Unfalltod von Johannes entdecken konnte, weil Gedanken bekanntlich nicht töten, beruhigte ich mich zusehends und wohlige Vorfreude auf mein neues Leben stieg in mir auf. Wie heißt es doch so schön: Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.
Aus der Affäre wurde eine Ehe, und heute nehme ich "zur Strecke bringen" wörtlich. Ich bin weder grausam noch rachsüchtig, sondern eher zartbesaitet. Es geht mir nicht um Vergeltung, sondern um meine Freiheit. Eine Scheidung kommt nicht in Betracht, weil wir dann Haus und Garten verkaufen und jeder in einer winzigen Eigentumswohnung sitzen müssten. Für Johannes wäre das inakzeptable. Er macht sich für sein Leben gern an den Beeten und Bäumen zu schaffen. Dabei gilt: Ich will Blumen, er will Radieschen.
Wie gesagt, ich bin nicht grausam. Ich wollte nicht, dass er leidet - und natürlich wollte ich nicht ins Gefängnis. Es hätte alles viel einfacher gemacht, wenn er schon gebrechlich oder pflegebedürftig gewesen wäre, aber davon konnte leider keine Rede sein. Wenn ich am Morgen meine Sachen fürs Büro zusammenpackte, sah ich ihn schon auf der Terrasse Liegestütze und Kniebeugen machen, braungebrannt, in roten Boxershorts. Manchmal kam es mir so vor, als ob er alles daran setzte, mich zu überleben, entgegen jeder statistischen Erwartung.
An dem Morgen, an dem sich meine spielerischen Gedanken zu einem Vorsatz formten, dachte ich zunächst an die vielen Alpinunfälle der letzten Jahre. Es verging keine Woche, in der nicht ein Wanderer stolperte oder ausrutschte und einen Abhang hinunterrodelte oder in eine Gletscherspalte fiel. Unsere Alpen sind ein Massengrab! Die Frühjahrsschmelze bringt alles ans Licht. Selten gibt es mehr als einen Zeugen. Das ist der Begleiter, der den Notruf absetzt. Er kann sich mitunter Zeit lassen und eine Weile händeringend hin und herlaufen, bis von unten kein Geschrei mehr kommt.
Als nächstes fielen mir die sogenannten "Beziehungstaten" ein. Dabei geht in der Regel ein Mann auf eine Frau los. Der Vorgang wird als "Femizid" bezeichnet. Beliebt sind Messer, aber auch die bloßen Hände. Rätselhaft, warum Männer wild zustechen und sich erwischen lassen. Sie scheinen das Spiel mit den Schuldgefühlen nicht zu begreifen. Man hat sie nicht, man sorgt dafür, dass sie der Andere hat. Und dann die Othellos, die hinter jedem Busch einen Liebhaber wittern, den sie gern für sich selbst hätten, aber der Gattin unterjubeln müssen. Nicht zu vergessen die, die ihre Koffer nicht packen, weil sie höllische Angst vor dem Alleinsein haben, auch wenn die Angetraute in jeder freien Minute nörgelt und fordert.
Ich überlegte, ob sich Johannes zu einem Femizid hinreißen lassen würde. Den müsste ich natürlich überleben und er ins Gefängnis wandern. Ein Befreiungsschlag über die Bande sozusagen. Ich verwarf den Gedanken und beschäftigte mich wieder mit den Möglichkeiten, die ein gemeinsamer Ausflug bietet. Sudermanns "Reise nach Tilsit" kam mir in den Sinn. Zwei Leute in einem kleinen Boot in gefährlichem Gewässer. Das konnte so oder so ausgehen. Wir waren beide schlechte Schwimmer. Auch unwahrscheinlich, dass er mich an die Ostsee begleiten würde. Seit er in Pension war, wollte er überhaupt nicht mehr verreisen, weil er glaubte, dass Einbrecher in unserer Abwesenheit das Haus plündern und den Garten verwüsten könnten.
Auf dem Weg ins Büro dachte ich an die "tragischen Unfälle", von denen ich gelesen hatte, und bei denen Fahrzeuge eine Rolle spielten. Eine Frau brettert im Retourgang aus der Garage, während der Gatte sich heckseitig die Schnürsenkel bindet. Ein Bauer fährt mit dem Traktor bergauf und verliert seinen Anhänger, auf dem seine Anhängerin sitzt. Ein Gärtner vergisst, dass seine Frau ein Sonnenbad nehmen wollte und überfährt sie mit dem Mähwerk. - Schöne Beispiele, für mich aber leider nicht brauchbar. Johannes würde sich - wahrscheinlich instinktiv - nie in die Garagenausfahrt stellen, wenn ich am Steuer saß, und unser Rasenmäher eignete sich höchstens zum Köpfen von Maulwürfen.
Im Büro, weit entfernt von daheim, war ich nahe daran, mein Vorhaben zu vergessen. Es war ein Montag, an dem wieder alle von ihrem Wochenende erzählten. Es war wie immer zu kurz, weil man Wäsche waschen, bügeln, Bad und Küche reinigen und einkaufen gehen musste. Das Kind einer Kollegin konnte im letzten Augenblick davon abgehalten werden, einen Schluck aus der Weichspüler-Flasche zu nehmen. Das brachte mich zurück zum Thema. War nicht das Arbeiten im Haushalt besonders gefährlich? Wie schnell konnte man in den Stromkreis geraten, beim Fensterputzen abstürzen, von der Leiter fallen oder giftige Chemikalien einatmen. Nicht alles führt zum Tod, aber mit ein wenig Glück.
Johannes turnte gern auf unserem alten Balkon herum, wahrscheinlich, um Frau Bröselmayer, die Nachbarin, zu beeindrucken. Er plauderte mit ihr, während er mit dem Pinsel die Zwischenräume des filigranen Holzgeländers säuberte. Dabei musste er sich weit vorbeugen. Manchmal verwendete er einen Holzreiniger, der angeblich Dünste absonderte, die die Augen reizten und das Gehirn benebelten. Ich wollte diese beiden Umstände noch eine Weile bedenken und zueinander in Beziehung setzen.
Natürlich wäre Gift das Mittel der Wahl gewesen. In kleinen Mengen ins Essen gerührt, Quecksilber, Thalliumsalz oder Parathion, auch E 605 genannt. Alles schwer nachzuweisen, aber auch schwer zu kriegen. Doch auch das konnte ich abhaken. Johannes hatte seit seiner Pensionierung Küche und Einkauf übernommen. Jeden Tag servierte er mageres Fleisch und Gemüse aus dem Garten. Dazu gab es Mineralwasser und Kräutertee. Ein paar Nudeln oder Erdäpfel gönnte er mir nur am Sonntag, weil Kohlehydrate dick und schlapp machen. Manchmal kaufte ich mir auf dem Weg zur Arbeit einen Punschkrapfen. Nie auf dem Heimweg. Er hätte den Rum gerochen.
So verging der Tag. Ich war aufgewühlt und unzufrieden, überzeugt, dass jede Minute irgendwo ein Gattenmord stattfand, der nie aufgeklärt wurde. Im Darknet, so hatte ich einmal gelesen, konnte man für sehr viel Geld einen Auftragskiller engagieren. Es gab nur zwei Fälle in den letzten zehn Jahren, über die in den Medien berichtet wurde. Also arbeiteten diese Burschen so perfekt, dass keine Spur zu ihnen oder ihren Auftraggebern führte. Das Dumme war nur, dass mir Johannes die Benutzung seines Laptops untersagt hatte, und das Darknet auf dem Bürocomputer zu suchen, kam natürlich nicht in Betracht.
Als ich nach Hause kam, standen ein Polizeiauto und ein Leichenwagen vor Frau Bröselmayers Garten. Die Rettung fuhr gerade davon. Zwei Männer trugen einen Blechsarg aus dem Garten und schoben ihn in den Leichenwagen. Man hatte schon auf mich gewartet. Sie saß mit einer Decke um die Schultern auf einem Gartensessel und begann fürchterlich zu heulen, als sie mich sah. Während ich ihre Hand tätschelte, berichtete mir ein Polizeibeamter, dass Johannes in die Krone des alten Nussbaums gestiegen war, um Frau Bröselmayers Katze zu retten. Sie hatte ihn darum gebeten, ohne zu wissen, wie morsch manche Äste schon waren. Er sei zwar offenbar sehr sportlich gewesen, hätte aber wahrscheinlich sein Gewicht unterschätzt. Ein bedauerliches Unglück. Die Sanitäter hätten nur noch seinen Tod feststellen können.
Ich muss sagen, dass ich tatsächlich erschüttert war und Gewissensbisse hatte. Nachdem ich aber keinen direkten Zusammenhang zwischen meinen Plänen und dem Unfalltod von Johannes entdecken konnte, weil Gedanken bekanntlich nicht töten, beruhigte ich mich zusehends und wohlige Vorfreude auf mein neues Leben stieg in mir auf. Wie heißt es doch so schön: Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.
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