Revolution (gelöscht)

H

Heidrun D.

Gast
Lieber Tristan,

ein sehr schönes Gedicht mit interessanten Gedanken und Wendungen. Meiner Ansicht bedarf es aber - aus klanglichen Gründen - der Glättung:

[blue]
Schnell wie ein Sturm,
voll Angst vor freiem Fall,
jagt sie durch unsere Hirne,
fällt wie ein hoch geworfner Ball
aus Höhlen der Gestirne.

Dann bremst ein Ruck sie plötzlich ab
aus neidischem Misstrauen,
zerschellt am Bug nimmt auf an Fahrt -
Diktat, in Stolz gehauen!

Wo wir nun sind und was wir werden -
erinnern wir uns an die Planken,
die in entfachten Flammenherden,

wie Schiffe uns im Wasser sanken.
Komm, lass uns neue Stürme schaffen,
voll Farbenfrische, aus Gedanken!
[/blue]

Vielleicht kannst du dich damit anfreunden?

Liebe Grüße & frohes Neues Jahr
Heidrun

Besonders gelungen finde ich die beiden letzten Strophen! Super!
 
B

bluefin

Gast
jetzt, @heidrun, klappert's noch dreimal stärker als vorher.

im übrigen wird immer wieder die rebellion mit der revolution verwechselt, lieber @muustri. tipp: nenn dein gedicht "rebellion", oder schreib wirklich eins über die revolution.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

MuusTri

Mitglied
Hallo, Heidrun,

Danke für die Anregung, aber
das mit dem Klang ist pure Absicht und muss auch so bleiben,
das Gedicht ist so zwar schwerer zu lesen, aber, wenn man ein mal drin ist...

Ich habe mit Absicht keinen durchgehenden zweigliedrigen Trochäus (xX xX xX) genommen, sondern anfangs einen Daktylus (Xxx Xxx Xxx), der den Lauf darstellen soll, der dann im Trochäus abgebremst wird.
Die letzten beiden Strophen können sich dann nicht ganz einig werden, das ganze endet aber mit schnellerem, dreigliedrigen Verßfuß.
Das ganze soll ein Sonett darstellen, das aber an bestimmten Stellen durchbrochen wird: Bei dem hoch
geworfenen Ball
und mit der vorletzten Verszeile.


Und an bluefin:

Das Gedicht enthält zu einem gewissen Teil auch Kritik an der Revolution, wie sie uns bis heute immer begegnet ist. Diese Revolutionen haben immer viel verändert, meistens aber nur äußerlich.
Von daher finde ich den Titel zutreffender.
Aber Rebellion alleine wäre sicher auch passend... vor allem, weil die Kritik nicht sehr offensichtlich ist.
Danke für deinen Beitrag.

Lieben Gruß,

Tristan
 
H

Heidrun D.

Gast
Lieber Tristan,

ich selber beschäftige mich noch nicht sehr lange mit Reimen, bin den umgekehrten Weg gegangen, was sicher aufwendiger ist.

Was ich jedoch weiß, ist, dass für Sonette besonders strenge Regeln gelten ... Walther kann dir da sicherlich mehr zu sagen, falls er mal vorbeischaut. - Ich denke aber, dass eine Wechsel, wie du ihn vorgenommen hast, nicht zulässig ist. -

Regeln beruhen ja - ebenso wie in der Musik - auf dem Wunsch nach klanglicher Vollkommenheit und Schönheit. Auch trotz der vorgegebenen Regeln bleibt genügend Spielraum für Experimente. - Überleg mal, was du mit ein paar Noten alles anstellen kannst ...

Schöne Grüße
Heidrun
 

ENachtigall

Mitglied
Schnell wie ein Sturm, voller Angst vor dem Fall,
jagt es durch unsere Hirne.
Fällt wie ein hoch
geworfener Ball
aus den Höhlen der Seelengestirne.
Lieber Tristan,

Der anfängliche Vergleich schnell wie ein Sturm ist in Ordnung, aber der kennt keine Angst vor dem Fall.

Dann führst du ein Es ein, das entsprechend durch die Hirne jagt und wie ein hoch geworfener Ball (zweiter Vergleich aus einem völlig anderen Themenkreis) fällt, und zwar aus den Höhlen der Seelengestirne. Damit konfrontierst du den Leser mit einer Bilderflut, die in dieser Konzentration und Konstellation schwer zu fassen ist.

Allein der Begriff Seelengestirne bedürfte eines Umfeldes, das ihn mit Schlichtheit umgäbe, um die Besonderheit erst wirksam werden zu lassen.

Insofern fühle ich mich von dieser ersten Strophe metaphorisch schon erschlagen.

In der zweiten Strophe habe ich das Es fast schon aus dem Sinn verloren. Der Ruck aus neidischem Misstrauen macht mir hier zu schaffen. Neid, in seiner Instinkt gesteuerten Aggressivität passt meinem Sprachverständnis nach nicht in eine Allianz mit Misstrauen, das einer "intellektuellen Vorarbeit" entspringt.

Der anschließende Wechsel in die Wir-Perspektive konfrontiert uns mit einem neuen Vergleich:
erinnern wir uns an die Planken,
die in entfachten Flammenherden,

wie Schiffe im Wasser, versanken.
Hier werden die Planken (ein Stück der Außenhaut- oder Decksbeplankung eines Schiffes) mit dem dazugehörigen ganzen Schiff, sinkend, verglichen. Das ist ein in meinen Augen sehr unglücklicher Kunstgriff.

Ich hoffe, du nimmst mir das kritische Hinterfragen und Sezieren deines fantasievoll gestalteten lyrischen Gedankenguts nicht übel, lieber Tristan.

Immerhin hast du meine Vorkommentatoren mit deinen Bildern zu beeindrucken verstanden. So hast du nun eine kontroverse Grundlage für weitere Stellungnahmen.

Meine herzlichen Grüße,

Elke
 

MuusTri

Mitglied
Liebe Elke,

ich gebe dir vollkommen recht.
Die Planken zum Beispiel sind in der Tat etwas befremdlich.
Jedoch ist mit ihnen absichtlich nicht das ganze metaphorische Schiff gemeint, sondern eben tatsächlich nur die Außenhülle, die so zerbrechlich ist, dass sie durch den Ruck zerstört wird.
Das Schiff jedoch, das existiert im Kern weiter, wenn es nun auch voll Wasser läuft.
Den Bildersturm zu anfang habe ich ebenfalls nicht gedankenlos erschaffen. Mir ist jedoch - dank deiner Hilfe - klar geworden, dass Bilder den Leser auch überschwemmen können...
Ich werde es bei künftigen Werken berücksichtigen.
Bei diesem Gedicht muss es aber so bleiben, denn sonst würde es an Aussage verlieren.

Das "es" ist im Übrigen das, was mit dem Sturm lediglich verglichen wird, außerdem hauptsächlich auf seine Geschwindigkeit bezogen. Natürlich hat ein Sturm keine Angst, geschweige denn vor dem Fall. Das "es", letztlich die "Revolution" ist einfach haltlos, eine spontan wirkende Hülle um den harten Kern aus einer Idee, die letztendlich dafür sorgt, dass "es" sich überhaupt bewegt.
Diese Idee ist es nun, die aus den "Höhlen der Seelengestirne" fällt und die Hülle, die gerade eben vor dem Fall "Angst" hat, mit sich reißt.

Die zweite Strophe legt es sogar darauf an, dass man das "es", abgebremst durch den "Ruck aus neidischem Misstrauen" verliert, denn es ist tatsächlich verloren.
Das Misstrauen ist eben gerade durch das Adjektiv neidisch in diesem Zusammenhang nicht mehr als ein Spross "intellektueller Vorarbeit" zu werten, sondern lebt aus einer Vorurteilsschublade.

Wahrscheinlich versteht es so, wie ich es interpretiere, ohnehin niemand, weil mir in Bezug auf Vermittlung komplizierter Inhalte einiges an Können fehlt.
Ich bin noch ziemlicher Neuling im Schreiben konstruierter Gedichte, deshalb wirkt das ganze noch so unheimlich überkonstruiert und gestelzt.
Und gerade aus diesem Grund schätze ich eure Kommentare.

Danke und schönen Gruß,

Tristan
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo Tristan,

eine gute Einstellung, mit der der du das Schreiben und die Kommentare dazu angehst. Danke für die nachträgliche Erklärung. Ich bin sicher, mit zunehmender Übung wirst du trittsicher diese Bretter erobern.

Viel Spaß weiterhin dabei und Grüße von

Elke
 



 
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