Rezept für Lyriker

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Label

Mitglied
Um den Lyriker zu kochen
löse sorgsam ihn vom Knochen
siede sachte die Gebeine
denn dort sitzen all die Reime.

Fürs Aspik nimm Fingerspitzen
weil dort die Gefühle sitzen
und auch Teile von dem Bauch
denn da sind sie manchmal auch.

Die Struktur aus Haut und Haar
schmeckt zuweilen sonderbar
- lange klopfen, fermentieren,
gut wirkt danach einpanieren.

Alles andre nach Belieben
kochen, backen, braten, sieden
nur des Dichters Seelenpein
NIEMALS! mit zur Wurst hinein.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Label,

nett - nur die Inversion in V3Z4 stört - ich schlage ein Enjambement vor:

- lange klopfen, fermentieren
wirkt. Danach gut einpanieren.

Gruß

Jürgen
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Grüß dich Label,

zwei Dinge: 'siede/n' in den S1&4 und 'einpanieren' wollen mir nicht gefallen; dort die Wiederholung, hier ein Verbum mit einem - sagen wir - Quasipräfix.
Rhythmisch/metrisch hast du ein paar Klimmzüge machen müssen. Die Kadenzenspiegelung der S2&3 ist noch i.O, aber als überspannende Klammer hätten die Strophen 1 und 4 durchgängig weibliche Endungen haben müssen, die letzten beiden Verse enden aber männlich.

Allerdings: 'siede sachte die Gebeine' - haut hier Goethe auf Wilhelms Busch?

Schönen Gruß von Dyrk
 

Label

Mitglied
Lieber Jott Ess
vielen Dank für deinen Vorschlag. Das Enjambement hat was, gefällt mir auch gut.
ABER das sollte ein Rezept darstellen, mit den typischen Hinweisen wie mit einer Sache umzugehen sei.
Du kennst sicher so etwas wie: Mache das so und so. Schön wird es aber nur wenn du das auch noch machst. Ich meine, dass diese Inversion gewollt ist um dadurch etwas zu betonen/verstärken.

Hallihallo DOSchreiber

Oh! Da hast du ein paar strikte Germanistenwerkzeuge ausgepackt. Du scheinst zu glauben, dass ich diese Messlatte bewältigen kann, aber so als Wald- Feld- und Wiesendichterlein komme ich da locker unten durch. :)
hmm ja, sieden kommt zwei mal vor, lässt sich aber nicht vermeiden da es kein Ersatzwort für diese Art Kochvorgang gibt.
Einpanieren, hm kochen und einkochen, salzen und einsalzen, panieren und einpanieren. Du siehst es gibt zwischen diesen Zubreitungsmethoden Unterschiede. Einpanieren bedeutet an dieser Stelle nicht nur einmal in Semmelbröseln wenden sondern zusätzliche Lagen erstellen um eine dicke Kruste zu erzielen.
Kochen kann ich besser als dichten :D
haut hier Goethe auf Wilhelms Busch?
hmm Goethe weiß ich nicht so recht, den mochte ich schon als Kind nicht so gerne wie z.B. Schiller. Aber Busch, Eugen Roth haben wohl seit damals eine gewisse Prägung hinterlassen.

Ciconia, Akiiiii und Molly , euch einen herzlichen Dank für die vielen Sterne


mit einem freundlichen Gruß von der
Label
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Anzunehmen, dass dieses Gedicht zur Selbsterheiterung der Autorin geschrieben wurde. Wenn wenigstens die Redewendung "Den habe ich genascht!" oder vom "gereimten Gesülz" ff. ein Wort dastünde - also mir fehlt einfach der Anlass, dieses Gedicht irgendwie heiter oder komisch zu finden. Ich finde es daneben.

blackout
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Hallo Label,

jetzt hab' ich vergessen zu werten - pardon. 4 (Advents)Sterne so gerade eben ... Einer ist aber salzig, also vorsichtig ...
Schönen Gruß von
Dyrk
 

Label

Mitglied
Anzunehmen, dass dieses Gedicht zur Selbsterheiterung der Autorin geschrieben wurde. Wenn wenigstens die Redewendung "Den habe ich genascht!" oder vom "gereimten Gesülz" ff. ein Wort dastünde - also mir fehlt einfach der Anlass, dieses Gedicht irgendwie heiter oder komisch zu finden. Ich finde es daneben.
ja nun, was erheitert ist ziemlich unterschiedlich. Es bedarf einer anderen Mentalität den Gedanken bei Gedichten an "gereimtes Gesülz" oder bei Männern "Den habe ich ge/vernascht" erheitert zu sein. Diese Denkrichtung ist halt nicht meine.
Selbsterheiterung? hmmmm ja, zum Teil, aber nicht nur. Diese Divergenz zum Thema Selbstironie hatten wir schon einmal. Du erinnerst dich vielleicht noch an mein Herbstgedicht mit der Anspielung alte Weiber/ Altweibersommer, da hattest du mich (vielleicht mangels Bild, das es jetzt ja gibt) für einen Chauvinisten gehalten.
Ja, schade, dass sich dir die Komik der Selbstironie nicht so recht erschließen will, aber danke für deine Rückmeldung, die mir wieder einmal deutlich vor Augen führt, dass auch Menschen innerhalb des gleichen Kulturkreises (deutsche Muttersprachler) doch recht unterschiedlich sind.

Hallo Dyrk
dass du vergessen hast die Sterne dazulassen - das mach doch nichts, die sind haltbar, besonders der eine, der eingepökelte ;)
vielen vielen Dank dafür

herzliche Grüße euch beiden
Label
 
G

Gelöschtes Mitglied 20969

Gast
Ich möchte auch noch was loswerden zu diesem Gedicht – als es hier veröffentlicht wurde, war ich noch gar nicht im Club. Lese mich gerade durch die Lyrik hier, mal weniger diagonal mal mehr, und beim Rezept für Lyriker bin ich aufgehalten worden. Der Einfall zu diesem Gedicht: überraschend. Das Handwerk: gekonnt. Die Schlusspointe: treffend. Ich will gar nicht in Einzelheiten gehen – jedenfalls hebt sich das kleine Gedicht für den Neuling heraus. Wohltuend heraus. Wenn ich bereits wüsste, wie man die Sterne vergibt – ich würde vier geben (Tendenz zum fünften). litbons
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Nein, Label, Selbstironie muss auch gekonnt sein. Es hat keinen Sinn, mir eins drüberzugeben, weil ich dein Gedicht, wie es dasteht, nur als einen missglückten Versuch ansehe, dich über den Lyriker lustig zu machen. Aber du hast recht, manch einer braucht eben nicht viel.

Gruß, blackout
 
G

Gelöschtes Mitglied 20969

Gast
Es hätte die Einätzung vom "missglückten Versuch" genügt – eine ganz und gar persönlich zu verwantwortende Einschätzung, wie es sich gehört. Der Schlussschlenker "manch einer … nicht viel", ist unsachlich, moralgeschwärzt und grottenkleinlich. Ich hoffe zu allen Göttern, die ich kenne, dass dertart selbstbezogene Kritik in diesem Forum nicht die Regel ist. litbons
 
G

Gelöschtes Mitglied 20969

Gast
Tippfehler (vielleicht auch Freudsche Fehlleistung): Einätzung meint Einschätzung. lb
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Liest sich locker, Label, glatt durchgeführte Rezept-Metapher.

Die letzte Strophe holpert ein wenig, was dann die Schlußpointe zum Stolpern bringt:

Alles andre nach Belieben​
kochen, backen, braten, sieden​

Der unsaubere Reim stört nicht allzu sehr, da er nicht den Schlußakkord ausmacht. Vielleicht hat ihn deshalb keiner bemängelt.

nur des Dichters Seelenpein​
NIEMALS! mit zur Wurst hinein.​
Fettdruck ist Geschmackssache, Ausrufezeichen mitten im Satz oder Vers auch, - ich habe eher Schwierigkeiten mit der zweidimensionalen Präposition plus "hinein". Nun ja: hinein in den Topf (nicht in die Wurst), aber mit ihr zusammen, zu ihr hinzu. Oder mit dem Ganzen zusammen zur Wurst hinzu (die wohl irgendwie nicht das Ganze ist). Hauptsache, die Seelenpeinlichkeit bleibt außen vor.

Hier ist es eben die Schlußwirkung, die Pointe, da würdest Du wohl noch glätten, denn das hast Du drauf, Label, - oder Du hast noch einen guten Grund, die Präpositionen innerhalb der prädikatlosen Rezept-Stichwörtlichkeit so anzuhäufen.

Und wie wäre es mit "Brät" statt der "Wurst" (industriell fertig aus dem Glas)?

grusz, hansz
- und ein frohes Neues!
 

Soljanka

Mitglied
Ich mag das Gericht, äh Gedicht.

Die letzte Strophe lese ich anders als Mondnein. Nicht als Anleitung für den Dichter, die Seelenpein aus dem Gedicht rauszulassen, sondern an den Kritiker, aus der Seelenpein des Dichters nicht Wurst (egal) zu machen.
 



 
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