ENachtigall
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Rhapsodie
Oben auf seinen Astspitzen balanciert der Fliederbaum, wie einen schelmisch schief getragenen Heiligenschein, den blauen Hulahupreifen.
Seit den letzten warmen Sommertagen wacht er dort. Unkontrollierter Wildwuchs legt seine Patina aus Moos und Laub, Schnee und Staub über die Gartenerde. Keck schmückt sie sich mit einem Fitzelchen Bonbonpapier und der Spitze einer Sylvesterrakete. Bei Tage sieht er freche Spatzen mit fleißigen Meisen um die letzten Samen der trockenen Schmetterlingssträucher zanken; bei Nacht schrecken ihn die Katzen, wenn sie sich verwegene Schimpfsalven zufauchen. Am Stamm lehnt seltsam asymmetrisch der Rest von Tannenbaum, den die Gartenschere beim Einsetzen eines Eisregens verschmähte. Einige geschnittene Zweige warten schon im spinnenbenetzten Holzregal, um knisternd die ersten lauen Frühjahrsdämmerungen mit ihrem Feueratem zu schwängern, um heiß und harzig im Bauch des Gartenkamins zu glühen und Feuerbienen in den Himmel zu schicken, die ihm verkünden, dass ich es breche, das letzte Siegel der Verschwiegenheit.
Dann, Kinder, werde ich euch erzählen, was die jungen Spatzen eines Tages von den Spottdrosseln hören werden, bevor sie es von den Dächern pfeifen, in einem verfluchten Moment unserer Schwäche, wenn wir die Augen vor Angst schließen und uns vorstellen, keiner sähe uns.
Ich will euch wappnen mit unserem Vertrauen – diesem Schild, das uns schützt - damit ihr ihnen ins Gesicht schreien könnt. „Na und, kümmert euch um euren eigenen Scheiß!“ Wahrscheinlich tun sie uns nichts, wenn sie spüren, dass wir gewappnet sind. Sie haben nur Lust daran, ins ungeschützte Fleisch zu schneiden, mit ihren scharfen Stimmen.
Noch schlafen die Gänseblümchen, die hier keiner mehr aussticht, im frostigen Boden. Bald säge ich die Tanne und spalte ihr Holz. Es bleibt noch ein unbestimmter Rest von Winter. Die Schneeglöckchen brechen durch. Gedachte Worte wälzen sich wie schlaflos über meine Zunge.
Ich komponiere die letzte Rhapsodie zu seinem Suizid.
Januar 2006-01-18
Oben auf seinen Astspitzen balanciert der Fliederbaum, wie einen schelmisch schief getragenen Heiligenschein, den blauen Hulahupreifen.
Seit den letzten warmen Sommertagen wacht er dort. Unkontrollierter Wildwuchs legt seine Patina aus Moos und Laub, Schnee und Staub über die Gartenerde. Keck schmückt sie sich mit einem Fitzelchen Bonbonpapier und der Spitze einer Sylvesterrakete. Bei Tage sieht er freche Spatzen mit fleißigen Meisen um die letzten Samen der trockenen Schmetterlingssträucher zanken; bei Nacht schrecken ihn die Katzen, wenn sie sich verwegene Schimpfsalven zufauchen. Am Stamm lehnt seltsam asymmetrisch der Rest von Tannenbaum, den die Gartenschere beim Einsetzen eines Eisregens verschmähte. Einige geschnittene Zweige warten schon im spinnenbenetzten Holzregal, um knisternd die ersten lauen Frühjahrsdämmerungen mit ihrem Feueratem zu schwängern, um heiß und harzig im Bauch des Gartenkamins zu glühen und Feuerbienen in den Himmel zu schicken, die ihm verkünden, dass ich es breche, das letzte Siegel der Verschwiegenheit.
Dann, Kinder, werde ich euch erzählen, was die jungen Spatzen eines Tages von den Spottdrosseln hören werden, bevor sie es von den Dächern pfeifen, in einem verfluchten Moment unserer Schwäche, wenn wir die Augen vor Angst schließen und uns vorstellen, keiner sähe uns.
Ich will euch wappnen mit unserem Vertrauen – diesem Schild, das uns schützt - damit ihr ihnen ins Gesicht schreien könnt. „Na und, kümmert euch um euren eigenen Scheiß!“ Wahrscheinlich tun sie uns nichts, wenn sie spüren, dass wir gewappnet sind. Sie haben nur Lust daran, ins ungeschützte Fleisch zu schneiden, mit ihren scharfen Stimmen.
Noch schlafen die Gänseblümchen, die hier keiner mehr aussticht, im frostigen Boden. Bald säge ich die Tanne und spalte ihr Holz. Es bleibt noch ein unbestimmter Rest von Winter. Die Schneeglöckchen brechen durch. Gedachte Worte wälzen sich wie schlaflos über meine Zunge.
Ich komponiere die letzte Rhapsodie zu seinem Suizid.
Januar 2006-01-18