richard ein bruder den ich nicht hatte

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Perry

Mitglied
richard ein bruder den ich nicht hatte

sehnsüchtig wurdest du in der familienrunde erwartet
hattest sogar schon einen namen aber das schicksal
verwehrte dir ein leben in unserer trauten mitte

was hätte alles aus dir werden können ein löwenherz
ein klassischer komponist oder versonnener fantast
wie ich jedenfalls ein guter begleiter durch die zeiten

wie viel nähe und liebe hättest du verschenken können
wie viele kind- und kindeskinder wären dir nachgefolgt
so bleibt mir nur dich in meine träume einzuweben
 
G

Gelöschtes Mitglied 23450

Gast
wie viele kind- und kindeskinder

Ist das richtig? Ausgeschrieben hieße es wohl 'wieviele kindkinder und kindeskinder' ...

Gruß v. Rudi
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
hieß er nicht Hans, dieser Komponist und Phantast?
 

Perry

Mitglied
Hallo Rudi,
als Redewendung heißt es "Kinder und Kindeskinder", ich habs aus Klanggründen etwas verkürzt.
LG
Manfred

Hallo Mondnein,
gemeint waren Komponisten wie Richard Strauß, Richard Wagner etc. . "versonnener fantast" bezog sich auf das LI.
LG
Manfred
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Perry,
ein interessantes Gedicht, das nachwirkt!
Fast bin ich beim Lesen versucht zu sagen: Natürlich, ein trauriges Thema, aber das alles ist (mutmaßlich) sehr lange her, ist es nicht ein bisschen zu viel der Emotionalität und Introspektion, womit man hier beliebt sich zu beschäftigen?
Aber den Fragen nach nicht gelebter Nähe und nicht realisierter Liebe schiebt dann der Autor selbst ein
so bleibt mir nur
hinterher.
Hier wird der Ton seltsam nüchtern, kühl, vielleicht schwingt sogar ein Gestus des Unbeteiligtseins mit.
Eine faszinierende Stelle im Gedicht.
Ich nehme sie so wahr: Der Schmerz wird, im Sinne der Pragmatik, reduziert auf ein "vernünftiges" Maß. Was immer nun vernünftig heißen mag. Aber gerade diese Unschärfe gefällt mir in diesem Gedicht ausgesprochen gut, es entsteht eine nicht auflösbare Spannung.

lg wüstenrose
 

Perry

Mitglied
Hallo wüstenrose,
natürlich ist es immer traurig, wenn in einer Familie jemand stirbt, auch wenn er erst gar nicht leben durfte.
Du hast sehr treffend dem Grund für dieses Gedicht nachgespürt, denn letztlich fragt sich das LI auch, warum es ihm vergönnt war sein Leben zu leben und seinem totgeborenen Bruder nicht.
Danke fürs tiefe Hineinspüren und LG
Manfred
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Manfred,
dein Gedicht hat mich noch nicht losgelassen und ich habe mal einen Blick ins Netz gewagt:

"Hoff' nicht allzu viel vom Leben:
Was im Überfluß zu geben
Manchmal es verspricht,
Hält es schließlich nicht!

Doch verzag' auch nicht am Leben:
Was es nie versprach zu geben,
Gibt es plötzlich oft
Reich und unverhofft!

Unbekannt

Quelle: Fliegende Blätter, humoristische deutsche Wochenschrift, 1845-1944"


Die Frage des Menschseins, das existentielle Thema "erfülltes Leben" - dein Gedicht setzt sich mit diesen Aspekten auseinander.
Und dass diese Auseinandersetzung nicht mit penetranten, großspurigen Worten geführt wird, sondern ganz beiläufig, kaum merkbar erfolgt, das finde ich das eigentlich Beeindruckende an deinem Gedicht.
Die Saite umfassende existentielle Verunsicherung wird so leise angeschlagen, so zart, dass sie einen Moment später schon nicht mehr tönt.
Ein grandioser Gegenentwurf zu lauten, plakativen Texten!
 

Perry

Mitglied
Hallo wüstenrose,
danke für das treffliche Gedicht, das seinen unbekannten Verfasser "überlebt" hat.
LG
Manfred
 



 
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