richtung

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nisavi

Mitglied
ich sammle vergilbte ulmensonnen
von deinen landkarten,
fege sie wie brotkrumen in meine hand.

(zur sicherheit lieber noch einmal - bis auch die gebirge sich glatt anfühlen.)

jedes gelb eine versicherung:
es leuchtet noch immer im langsamen fallen
und tanzt, unberechenbar, einen rumbatakt zur seite.

(wie-ge-seit-wie-ge-seit-wie-…)

gestern schmeckt deine zunge
nach mand und tung,
unseren geheimen worten und zeiten.

(wie-ge-seit-wie-ge-seit-wie…)

gestern riecht deine haut nach den wassern
und im muster deiner muttermale finde ich mich zurecht
wie in den vergangenen sommern.

(wie-ge-seit-wie-ge-seit-wiege-seit...)

ein kompass ist eher hinderlich beim tanz,
hast du einmal gesagt.

ich folge den sonnen auf deinen karten.

brotkrumen in meiner hand.

bis die gebirge sich glatt anfühlen.



 
A

Architheutis

Gast
Liebe nivasi,

ich schließe mich oliver an, die Sprache ist grandios.


Ich musste zwar "ulmensonne" recherchieren, aber das macht nichts. Ich würde Deinen Text aber gerne in Gänze verstehen:

- Was sind "mand und tung"? Ich habe recherchiert, wurde aber nicht ganz schlau daraus.

- "gestern schmeckt/riecht"; ich verstehe die Wahl der Zeitform nicht. Ein Versehen unterstelle ich nicht.


ich folge den sonnen auf deinen karten.

brotkrumen in meiner hand.

bis die gebirge sich glatt anfühlen.
Der Text wird als Kreis geschlossen, ein Fazit.

Ich möchte mit meiner Wertung noch warten.

Lieben Gruß,
Archi
 
O

orlando

Gast
Hallo nisavi,
ich finde das Gedicht ebenfalls sehr gelungen.
Insbesondere gefällt mir, wie die herbstlichen "Ulmensonnen" in den Tanzrhythmus des Rumbas eingehen, geradezu integriert werden:

Wiege(schritt), seit(wärts, wiege(schritt), seit(wärts).

Lese ich ein (gewünschtes?) Enjambement mit, erklärt sich auch der abrupte Zeitenwechsel aus dem Präsens in die Vergangenheit:
Wie ...gestern schmeckt deine Zunge
eine ungewöhnliche Lösung, die mir aber gerade deswegen gut gefällt.

An anderer Stelle gelingt dir dies nicht ganz so elegant:

(wie-ge-seit-wie-ge-seit-wiege-seit...)

ein kompass ist eher hinderlich beim tanz,
hast du einmal gesagt.
Hier sehe ich einen kleinen Makel: "seit ... ein Kompass ist eher hinderlich", der sich aber sicherlich beheben ließe.

Sprachlich ein Werk der Sonderklasse.
Sehr schön "die Muster der Muttermale" und natürlich - der "Kompass."
Kurzum: 98%ig entzückte Grüße
orlando
 

nisavi

Mitglied
hallo alle und danke für eure rückmeldungen.

@orlando: du hast den finger auf der schwachstelle. ich muss mir die stelle noch einmal ansehen. vielleicht lässt sich der zeilensprung doch eleganter lösen.

@ archi: "mand" und "tung" sind fantasieworte. ein geheimcode, den nur zwei menschen kennen. entstanden vielleicht aus "mund" und "tang"?

lg
n
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo nisavi,

intressant finde ich, wie Du das Verb hinter dem Wort "gestern" beide Male im Präsens beibehältst. Das macht natürlich eine starke Aussage.

Da ist jemand nicht mehr präsent, aber er ist doch da.

Man kann sich an ihn erinnern, an das Gold, das er einzufangen und auszustrahlen wusste, an die Geheimsprache, welche nur diesen beiden Menschen gehörte.

Die wörtlich Aussage des Lyrdu:"Ein Kompass ist eher hinderlich beim Tanz" macht den Text lebendig und macht auch eine Aussage über das Lyrdu: Es konnte sich lösen von festgefahrenen Dingen, es konnte sich dem gemeinsamen Rhythmus problemlos anpassen.

Der Tanz, den Du immer wieder in Klammern in den Text einfügst,gibt Deinen Aussagen eine wunderbare Leichtigkeit.

Mögen die Ulmensamen noch lange eine Wirkung erzeugen anscheinend NUR eingefangen in die Hand, aber in Wirklichkeit, das lese ich jedenfalls heraus, eingeammelt in das ganze Lyri.

Ein wirklich außergewöhnlich gelungener Text, der durch Wortwahl und Form besticht.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 



 
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