Ringelringelreihen, die Neuronen schreien

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Von außerhalb beobachte ich
wie ich erwache,
wie ich mich schüttle,
wie ich aufstehe,
meine linke Achillessehne schmerzt,
ich trete ins Bad,
gehe aufs Klo,
putze Zähne,
wasche mich,
das linke Bein ist blau.
Ich beobachte,
wie ich die Strümpfe anziehe,
die Kompressionsstrümpfe,
die die Beine zusammenhalten.
Abends nahm ich Rattengift,
Rattengift, das das Blut flüssig hält.
Ich fühle, wie ich mich anziehe,
beobachte, wie ich Kaffee koche,
beginne zu schwitzen.
Ich sehe, wie ich nachdenke,
wie ich überdenke,
fühle Gedanken kommen,
Gedanken, die mich überschwemmen,
bittere Gedanken,
Gedanken der Vergesslichkeit.
Ich bin langsam geworden,
ich bin schwerköpfig geworden,
die Erinnerung an die letzten Minuten flieht.
Schlaflos wälzte ich mich im Bett,
nachts:
Ich sah Mitternacht und Morgendämmerung.
Schweiß dringt aus den Achseln.
Ich beobachte von außen,
wie ich zu schwitzen beginne,
den Schweiß rieche ich nicht,
aber ich fühle ihn riechen.
Ich, ich, ich, warum ich, ich.
Ich bin irrelevant.
Ich bin nichts.
Ich bin müde.
Sehr müde.
Ich kritzle Zeichen ins All,
fühle sie durch die Luft schweben,
bin ich.
Schwebe durch die Luft.
Unendlich große Traurigkeit der Traurigkeit.
Ich sehe mich schreiben.
Die Tasten hacken.
Die linke Achillessehne schmerzt.
Die Fehler häufen sich.
Fehler, die sich häufen.
Ich mache Kniebeugen.
Das Bein erwacht.
Man macht keine Kniebeugen auf Arbeit.
Keine Lust zum Weggehen.
Keine Lust, Freunde zu besuchen,
Keine Lust zum Spaziergang.
Fehler, Fehler, Fehler,
das All ruft: Fehler.
Fehler. Fehler. Fehler.
Die Brücke biegt sich durch, wenn ein Ingenieur drüber läuft.
Der Klügere gibt nach.
Fehler, Fehler, Fehler.
Die Achillessehne schmerzt.
Physiotherapie.
Ich beobachte den Ultraschall.
Der Kopf füllt sich mit einer schwarzen Kugel.
Ich sehe, wie sie sich ausbreitet.
Meyrink, Simon, Kruschel.
Alle drei schrieben das Schwarz.
Auch Michael Ende.
Ich bin am Ende.
Die Zeit umströmt meine Ferse.
Leere, allumfassende Leere.
Wie hast du das gemacht?
Mein Hirn antwortet nicht.
Ringelringelreihen, die Neuronen schreien.
 

Perry

Mitglied
Hallo Bernd,

ein Text der mich einerseits durch sein dramatisches Hetzen fesselt, dann aber wieder durch Bildwechsel aus dem Text wirft.

Ich versuche mal einige zu benennen:

"Man macht keine Kniebeugen auf Arbeit."

"Die Brücke biegt sich durch, wenn ein Ingenieur drüber läuft.
Der Klügere gibt nach."

Stilistisch halte ich die Wiederholungen als Sinnbild für das ständige Gedankenkreisen zwar für gut, empfinde es aber stellenweise für zu stark/oft eingesetzt.

Im Detail würde ich an Bildern arbeiten wie

"die Kompressionsstrümpfe,
die die Beine zusammenhalten." -> missverständlich!

"Unendlich große Traurigkeit der Traurigkeit."
-> neigt zum Pathos

Ich hoffe, es ist etwas Hilfreiches für Dich dabei.

LG
Manfred
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Perry,
danke für die Kritik.
Ich finde gut, wie Du es beschreibst:

"... einerseits durch sein dramatisches Hetzen fesselt, dann aber wieder durch Bildwechsel aus dem Text wirft ..."

Das ist genau beabsichtigt.
Der Text soll sich in einer Spirale bewegen, wobei man immer wieder herausgeworfen, zugleich aber an die Spirale gefesselt wird.

Das Gedicht enthält eine Reihe Zitate und Zustände, die aber ohne Kontext und splitterhaft eingesetzt sind.

Das Pathos wollte ich erzeugen, es aber so übertreiben, dass es sich selbst hintergeht.

Ich werde trotzdem prüfen ob die Anzahl der Wiederholungen im Verhältnis zum Text ausgewogen ist, und dabei Deine dankenswerten Hinweise beachten.

Liebe Grüße von Bernd
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Von außerhalb beobachte ich
wie ich erwache,
wie ich mich schüttle,
wie ich aufstehe,
meine linke Achillessehne schmerzt,
ich trete ins Bad,
gehe aufs Klo,
putze Zähne,
wasche mich,
das linke Bein ist blau.
Ich beobachte,
wie ich die Strümpfe anziehe,
die Kompressionsstrümpfe,
die die Beine festigen.
Abends nehme ich Rattengift,
Rattengift, das das Blut flüssig hält.
Falithrom.
Ich fühle, wie ich mich anziehe,
beobachte, wie ich Kaffee koche,
beginne zu schwitzen.
Ich sehe, wie ich nachdenke,
wie ich überdenke,
fühle Gedanken kommen,
Gedanken, die mich überschwemmen,
bittere Gedanken,
Gedanken der Vergesslichkeit.
Ich bin langsam geworden,
schwerköpfig,
die Erinnerung flieht.
Schlaflos wälze ich mich im Bett,
nachts:
Ich sehe Mitternacht und Morgendämmerung.
Schweiß dringt aus den Achseln.
Ich beobachte von außen,
wie ich zu schwitzen beginne,
Schweiß rieche ich nicht,
aber fühle ihn riechen.
Ich, ich, ich, warum ich, ich.
Ich bin irrelevant.
Ich bin nichts.
Ich bin müde.
Sehr müde.
Ich kritzle Zeichen ins All,
fühle sie durch die Luft schweben,
bin ich.
Bin hin.
Schwebe durch die Luft.
Unendlich große Traurigkeit,
Ort der Traurigkeit.
Ich sehe mich schreiben.
Die Tasten hacken.
Die linke Achillessehne schmerzt.
Die Fehler häufen sich.
Fehler, die sich häufen.
Fehlernde Fehler
Ich mache Kniebeugen.
Das Bein erwacht.
Der Chef spricht:
Man macht keine Kniebeugen auf Arbeit.
Keine Lust zum Weggehen.
Keine Lust, Freunde zu besuchen,
Keine Lust zum Spaziergang.
Fehler, Fehler, Fehler,
das All ruft: Fehler.
Fehler. Fehler. Fehler.
Der Witz:
Die Brücke biegt sich durch,
wenn ein Ingenieur drüber läuft.
Weil:
Der Klügere gibt nach.
Fehler, Fehler, Fehler.
Süßes Blut.
Diabetes.
Die Achillessehne schmerzt.
Physiotherapie.
Ich beobachte den Ultraschall.
Der Kopf füllt sich mit einer schwarzen Kugel.
Ich sehe, wie sie sich ausbreitet.
Meyrink, Simon, Kruschel.
Schwarzes Weltende.
Die Zeit umströmt meine Ferse.
Leere, allumfassende Leere.
Wie hast du das gemacht?
Mein Hirn antwortet nicht.
Ringelringelreihen, die Neuronen schreien.
 



 
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