Risszeichnung

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sufnus

Mitglied
Risszeichnung

......................für Elke Erb

Mein Fenster zum Vorgarten
verrät sich der Betrachtung (welcher?)
als Risszeichnung mit leerem Sessel

In Blickrichtung (blitzschneller
Perspektivwechsel) vielleicht
ein brauner Vogel

Mit seiner Länge mal Breite mal Höhe
tritt er aus der Vorstellung
in die Anwesenheit ein

Schau doch mal Großmutter
da sitzt ein brauner Vogel
warum schaust du denn nicht?

Davon absehen womöglich
auch weiterblättern
ganz in Gedanken

Vorgarten leerer Sessel
kleiner brauner Vogel

könnte hier ein Gedicht

nicht enden müssen
 

Scal

Mitglied
Hervorragend, bilde ich mir ein.
Michaela Shiffrin am Elke-Erb-Hang.
Jeder Schwung Liebe zur Lyrik.

Wahrlich empfehlenswert!

LG, Scal
 
G

Gelöschtes Mitglied 28334

Gast
Die leider von uns gegangene Elke Erb würde sich freuen, suf.

logi
 

sufnus

Mitglied
Vielen lieben Dank für die so freundlichen Sterntalergaben und Deine Einordnung der Zeilen, lieber logi, als eine Art Verbeugung vor Elke Erb aus gegebenem traurigen Anlass. Ich habe im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten einen vorsichtigen, poetologischen Blickkontakt mit einem tyischen Erbschen Angang in der Lyrik gewagt, nämlich gedankliche Prozesse, die während des Schreibvorgangs abgelaufen sind, selbst wieder zum Gegenstand des Geschriebenen zu machen. Dafür soll, neben dem schmerzhaften Riss ihres Verlusts, auch der Titel stehen. Viele Gedichte von Elke Erb lese ich als eine Art Risszeichnung, sie zeigen nicht nur das bedichtete Objekt als "lesbare Oberfläche", sondern erlauben auch einen Blick in das innere des Gedichtgegenstandes und das ist ein Blick der direkt in die Denkräume des Schreibenden führt.
Viel wichtiger als diese Durchschaubarkeit des Schreibvorgangs, die ja zunächst noch der Ebene des Verfassers oder der Verfasserin anhängt, ist dann aber die schöpferische Leistung der Lesenden. Das würde sicher Elke Erb als erste unterschrieben haben. Und das hast Du, lieber Scal eindrucksvoll bestätigt! Als Wintersportmuffel musste ich google bemühen, aber Dein Mega-Lob kam auch schon ohne die Hintergrundinfo an (im doppelten Wortsinn). Ich finde aber, ganz unabhängig davon, ist ein schnittiges Alpinvergnügen an einer dichterischen Rennpiste ein wunderbares Bild! Und mich trefft Ihr dann zum Einkehrschwung beim Jagertee. :)
LG!
S.
 

revilo

Mitglied
Risszeichnung

......................für Elke Erb

Mein Fenster zum Vorgarten
verrät sich der Betrachtung (welcher?)
als Risszeichnung mit leerem Sessel

In Blickrichtung (blitzschneller
Perspektivwechsel) vielleicht
ein brauner Vogel

Mit seiner Länge mal Breite mal Höhe
tritt er aus der Vorstellung
in die Anwesenheit ein

Schau doch mal Großmutter
da sitzt ein brauner Vogel
warum schaust du denn nicht?

Davon absehen womöglich
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nicht enden müssen

Hallo, das erreicht mich nicht so richtig, auch wenn es für die famose, leider jüngst verstorbene Elke Erb ist. Die 5. Strophe ist wirklich gut. Die letzten Passagen klingen irgendwie angeklebt; sie passen für mich nicht wirklich. Aber das liegt sicherlich immer im Auge des Betrachters. Herzliche Grüße
 

sufnus

Mitglied
Hey Oliver,
über Dein Feedback habe ich gerne ein bisschen nachgedacht. :) Es ist ja primär ein Gedicht, das den Verlust und auch das Erschrecken, die ich persönlich über Elke Erbs Tod verspüre, ein bisschen in Worte zu fassen.
Ein bisschen war der Angang, wie oben schon angedeutet, dabei vorsichtige (und sicher nicht besonders elaborierte) Anleihen bei ihrer Poetologie zu nehmen. Was ich aber nicht wollte, war eine Art "auftrumpfendes" Gedicht nach dem Motto: Seht her Leute, der sufnus schreibt bessere Elke Erb-Gedichte als Elke Erb selbst (mal abgesehen davon, dass das unfein wäre, wäre es auch von jeder/jedem lebenden Dichter ziemlich töricht, so etwas zu unternehmen). Um also über dem etwas Pastiche-haften der Zeilen gar nicht in diese Richtung zu kommen, wollte ich, dass der Schluss eher ausfadet... leiser wird... dabei auch der Lyrik Elke Erbs fremder und dann relativ "unspektakulär" verklingt.
Vielleicht deutet Dein Urteil zum "angeklebt" wirkenden Schluss an, dass ich mich da zumindest auf halbem Weg zum gesetzten Ziel befinde.
LG!
S.
 

revilo

Mitglied
Ich habe nicht so furchtbar viel von ihr gelesen; aber nach Deinem Beitrag wird mir einiges klar … Was ein Dichter mit seinem Gedicht ausdrücken will, spielt für mich grundsätzlich keine Rolle … Wichtig ist das, was bei dem Leser – also mir – ankommt … Mit „angeklebt“ meine ich, dass das Gedicht irgendwie nicht fertig ist, was Du ja auch indirekt bestätigst … Natürlich wolltest und willst Du Dich nicht mit der verstorbenen Dichterin messen … Wenn ich Dich richtig verstanden habe, hast Du versucht, das Ende Deines Gedichts gewissermaßen typisierend wie Elke Erb zu schreiben … Einen Dichter zu imitieren oder im nachzueifern funktioniert meistens nicht … Vermutlich hast Du das – zumindest unbewusst – versucht … Das Gedicht sollte aber einen Schluss in einem für Dich typischen Stil haben … Ich weiß nicht, ob ich das richtig rüberbringe… Herzliche Grüße
 

sufnus

Mitglied
Hey Oliver,
an einem Punkt hast Du meine obigen Ausführungen auf alle Fälle genau falschrum verstanden: Gerade der Schluss sollte sich von einer Reverenz gegenüber dem Erbsound wieder entfernen und er sollte eben durch das eher Unfertige, vielleicht auch etwas Linkische, meine persönliche Traurigkeit transportieren.
Und zur Frage des Nacheiferns/ Imitierens: Ich persönlich halte es für einen der unklügsten Ratschläge, den man Nicht-Profis geben kann, wenn man ihnen verklickert, sie sollten auf keinen Fall eine(n) der Großen nachahmen, sondern unbedingt "authentisch" eine ganz eigene Stimme erklingne lassen. Um damit auf einen grünen Zweig zu kommen, müsste man schon ein mächtig einmaliges Originalgenie sein. Daher glaube ich das Gegenteil ist richtig :) : Der Ratschlag müsste demnach eher lauten, versuche einem Vorbild nachzueifern, aber wechsle das Vorbild am besten einmal wöchentlich. Dann halte das 20 Jahre durch und mach Dir anschließend Gedanken über einen Originalsound. ;)
LG!
S.
 

petrasmiles

Mitglied
Ist nicht alles Inspiration? (Hat das mal ein kluger Mensch gesagt?)
Ich bin kein Perlensammler in Lyrik - und kenne kaum Originale, ganz zu schweigen von Epigonen. Ist das so? Sind Inspirierte Epigonen?
Was das Schönste für mich an diesem Gedicht ist, ist offensichtlich Dein Eigenes:
könnte hier ein Gedicht

nicht enden müssen
Dieses 'können' und 'müssen' in einem Atemzug ... da passt ein Universum rein.

Liebe Grüße
Petra
 

sufnus

Mitglied
Hey Petra!
Deine makrokosmische Testbohrung zwischen meinen beiden Hilfsverben freut mich ganz ganz arg! :) Vielen Dank dafür! :)
LG!
S.
 



 
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