Robbenlex
Der Mann, der das Café betrat, trug einen schwarzen Anzug, eine bunte Krawatte
und schien eben vom Frisör zu kommen. Sein rosiges Gesicht kam mir bekannt vor,
aber erst als er mit unsicheren Schritten auf den Nachbartisch zusteuerte, gab es keinen Zweifel mehr: Dies war der stadtbekannte Penner Alex, auch Robbenlex genannt, weil er vor langer Zeit einmal Geld für die Robbenbabies der Nordsee gesammelt und es hinterher für Schnaps ausgegeben hatte.
Aber Robbenlex in dieser Aufmachung? Wozu die Maskerade? Ich sah ihn erstaunt an, als er sich schwer auf einen Stuhl fallen liess. Er bemerkte es, zwinkerte mir zu,
als wolle er mich zum Komplizen machen für etwas, das ausserhalb meiner Fantasie
lag. Nach einer Weile kam der Kellner, blieb vor Alex stehen und fragte:
„Sie wünschen?“
Robbenlex lehnte sich zurück, schaute ihn mit einem breiten Grinsen an und rief her-
ausfordernd:
“He, kennst du mich denn nicht mehr?“
Der Kellner wich erstaunt einen Schritt zurück und musterte ihn von oben bis unten.
Robbenlex senkte die Stimme etwas, trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte
und sagte noch breiter grinsend:
„Du kannst ruhig Herr Direktor zu mir sagen!“
Der Kellner erkannte ihn nun auch, legte die Hand auf seine Schulter und rief:
"Ah...du bist es Alex!.... Sei un vero Signore!“
Robbenlex brach in schallendes Gelächter aus und boxte den Kellner immer wieder
freundschaftlich vor die Brust. Nach einigem Hin und Her bestellte er ein Bier begann
amüsiert die andern Gäste zu mustern.
Unsere Blicke kreuzten sich, ich lächelte ihm zu, öffnete den „Anzeiger“ und begann zu lesen, während Alex sich damit amüsierte, nun auch das andere Personal mit
seinem Auftritt zu überraschen.
Kurz darauf verliess ich das Lokal und hatte die Geschichte längst vergessen, als ich
Monate später mit einem Freund durch den Stadtpark spazierte. Wir waren in ein Ge-
spräch vertieft, blieben hin und wieder stehen und redeten aufeinander ein, als ich auf
einer Bank ein schäbig gekleideten, vollbärtigen Mann sah, der eben eine Flasche Bier
an die Lippen setzte.
Es war Robbenlex.
Er setzte die Flasche ab, schaute vage in unsere Richtung, erkannte mich und grinste
über das ganze Gesicht. Ich winkte ihm kurz zu, ging mit meinem Bekannten ein paar
Schritte weiter und fragte ihn beiläufig, ob er den Mann auf der Bank kenne.
„Ah, du meinst den Robbenlex, wieso, was ist mit ihm“?
Ich erzählte ihm von unserer Begegnung im Café, erwähnte den ungewöhnlichen
Auftritt mit Anzug und Krawatte, als mein Begleiter mir ins Wort fiel:
„Das muss wohl an dem Tag gewesen sein, als sie ihm seine Erbschaft ausbezahlt
haben. Ich weiss es von einem Bekannten, der bei der Verwaltung arbeitet.“
„Eine Erbschaft, Robbenlex hat geerbt?“ fragte ich erstaunt.
„Ja, von einer Tante oder einem Onkel, aber seine Schwester wollte verhindern, dass
er die ganze Summe auf einmal bekommt und die Behörden dazu bewegen, ihm nur einen kleinen Betrag auszubezahlen. Den Rest hätte sie dann für ihn verwalten wollen.
Als er eine kurze Pause machte, drehte ich mich um und sah, wie Robbenlex gerade
eine weitere Flasche aus dem Karton fischte, den er hinter der Bank versteckt hatte.
„Aber er wollte sich auf keinen Fall darauf einlassen, fuhr mein Begleiter fort, er
erschien frisch rasiert, in Anzug und Krawatte auf dem Amt und machte deutlich,
dass es sein Geld sei und er damit machen könne, was er wolle! Sie hatten keine Wahl
und mussten ihm das Erbe ausbezahlen.“
Wir schwiegen eine Weile und ich stellte mir vor, wie Robbenlex vergnügt durch
die Stadt lief und das Geld bündelweise aus seinen fleckigen Hosen schaute.
„Er hat dann mit seinen Kumpanen im Park hinter dem Bahnhof ein Saufgelage
veranstaltet, von welchem die ganze Stadt sprach, fuhr mein Freund fort, aber in
derselben Woche ist beim Tierschutzverein ein Check über 10 000 Euro eingetroffen.
- ZUR GEFÄLLIGEN VERWENDUNG DER ROBBENBABIES DER NORDSEE- stand im Begleitbrief. Anonym natürlich."
Der Mann, der das Café betrat, trug einen schwarzen Anzug, eine bunte Krawatte
und schien eben vom Frisör zu kommen. Sein rosiges Gesicht kam mir bekannt vor,
aber erst als er mit unsicheren Schritten auf den Nachbartisch zusteuerte, gab es keinen Zweifel mehr: Dies war der stadtbekannte Penner Alex, auch Robbenlex genannt, weil er vor langer Zeit einmal Geld für die Robbenbabies der Nordsee gesammelt und es hinterher für Schnaps ausgegeben hatte.
Aber Robbenlex in dieser Aufmachung? Wozu die Maskerade? Ich sah ihn erstaunt an, als er sich schwer auf einen Stuhl fallen liess. Er bemerkte es, zwinkerte mir zu,
als wolle er mich zum Komplizen machen für etwas, das ausserhalb meiner Fantasie
lag. Nach einer Weile kam der Kellner, blieb vor Alex stehen und fragte:
„Sie wünschen?“
Robbenlex lehnte sich zurück, schaute ihn mit einem breiten Grinsen an und rief her-
ausfordernd:
“He, kennst du mich denn nicht mehr?“
Der Kellner wich erstaunt einen Schritt zurück und musterte ihn von oben bis unten.
Robbenlex senkte die Stimme etwas, trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte
und sagte noch breiter grinsend:
„Du kannst ruhig Herr Direktor zu mir sagen!“
Der Kellner erkannte ihn nun auch, legte die Hand auf seine Schulter und rief:
"Ah...du bist es Alex!.... Sei un vero Signore!“
Robbenlex brach in schallendes Gelächter aus und boxte den Kellner immer wieder
freundschaftlich vor die Brust. Nach einigem Hin und Her bestellte er ein Bier begann
amüsiert die andern Gäste zu mustern.
Unsere Blicke kreuzten sich, ich lächelte ihm zu, öffnete den „Anzeiger“ und begann zu lesen, während Alex sich damit amüsierte, nun auch das andere Personal mit
seinem Auftritt zu überraschen.
Kurz darauf verliess ich das Lokal und hatte die Geschichte längst vergessen, als ich
Monate später mit einem Freund durch den Stadtpark spazierte. Wir waren in ein Ge-
spräch vertieft, blieben hin und wieder stehen und redeten aufeinander ein, als ich auf
einer Bank ein schäbig gekleideten, vollbärtigen Mann sah, der eben eine Flasche Bier
an die Lippen setzte.
Es war Robbenlex.
Er setzte die Flasche ab, schaute vage in unsere Richtung, erkannte mich und grinste
über das ganze Gesicht. Ich winkte ihm kurz zu, ging mit meinem Bekannten ein paar
Schritte weiter und fragte ihn beiläufig, ob er den Mann auf der Bank kenne.
„Ah, du meinst den Robbenlex, wieso, was ist mit ihm“?
Ich erzählte ihm von unserer Begegnung im Café, erwähnte den ungewöhnlichen
Auftritt mit Anzug und Krawatte, als mein Begleiter mir ins Wort fiel:
„Das muss wohl an dem Tag gewesen sein, als sie ihm seine Erbschaft ausbezahlt
haben. Ich weiss es von einem Bekannten, der bei der Verwaltung arbeitet.“
„Eine Erbschaft, Robbenlex hat geerbt?“ fragte ich erstaunt.
„Ja, von einer Tante oder einem Onkel, aber seine Schwester wollte verhindern, dass
er die ganze Summe auf einmal bekommt und die Behörden dazu bewegen, ihm nur einen kleinen Betrag auszubezahlen. Den Rest hätte sie dann für ihn verwalten wollen.
Als er eine kurze Pause machte, drehte ich mich um und sah, wie Robbenlex gerade
eine weitere Flasche aus dem Karton fischte, den er hinter der Bank versteckt hatte.
„Aber er wollte sich auf keinen Fall darauf einlassen, fuhr mein Begleiter fort, er
erschien frisch rasiert, in Anzug und Krawatte auf dem Amt und machte deutlich,
dass es sein Geld sei und er damit machen könne, was er wolle! Sie hatten keine Wahl
und mussten ihm das Erbe ausbezahlen.“
Wir schwiegen eine Weile und ich stellte mir vor, wie Robbenlex vergnügt durch
die Stadt lief und das Geld bündelweise aus seinen fleckigen Hosen schaute.
„Er hat dann mit seinen Kumpanen im Park hinter dem Bahnhof ein Saufgelage
veranstaltet, von welchem die ganze Stadt sprach, fuhr mein Freund fort, aber in
derselben Woche ist beim Tierschutzverein ein Check über 10 000 Euro eingetroffen.
- ZUR GEFÄLLIGEN VERWENDUNG DER ROBBENBABIES DER NORDSEE- stand im Begleitbrief. Anonym natürlich."