T
Tabasco
Gast
Also...das was nun kommt ist der Roman an dem ich gerade schreibe. Ich bin momentan am 13. Kapitel angelangt und stelle das 1. und 2. nun hier hinein. Ich hab den Roman zwar schon Freunden mit guter Resonanz, aber es ist halt doch immer was anderes, wenn man ihn Fremden zum Lesen gibt.
Einen konkreten Titel gibt es noch nicht. Falls ihr Vorschläge haben solltet, wie man ihn nennen könnte, fänd ich's ganz gut. Ich hoffe mal ihr habt die Ausdauer, euch alles durchzulesen.
der Tab
-1-
"Ganz schön kalt, oder?"
"Ich weiss nicht...eben war's noch warm. Aber jetzt wo du's sagst, kommt's mir auch plötzlich ganz schön kalt vor."
"Ach halt den Mund, verdammter Schleimer!"
Ich machte die Kiste zu und steckte sie wieder in die Tasche.
Wenn man nicht findet, dass es kalt ist, dann soll man's auch nicht behaupten. Wenn ich blöde labern wollen würde, dann hätte ich nach dem Wetter oder Wohlbefinden gefragt. Aber ich finde wirklich, das es kalt ist. Ein bißchen zu kalt für meinen Geschmack. Und ich bin nun wirklich nicht gerade wählerisch.
Aber wenn man schon mal 'nen richtig leckeren mexikanischen Feuertopf mampft, dann muss der auch ordentlich warm sein. Das Zeug will schließlich nicht umsonst Feuertopf heißen, oder was?!
Zum Glück ist es wenigstens kein guter Feuertopf. Nur so ein Billig-Produkt von Aldi oder so. Selbst die Aufmachung der Dose läd nicht gerade zum Verzehr ein.
Und trotzdem. Drauf steht eindeutig Feuertopf!
F-E-U-E-R-T-O-P-F
Und dann will mir dieser Heini aus der Kiste erzählen, dass das Zeug gerade noch heiss war. Nur weil das Auge mit isst, ist da noch lange kein Feuer drin.
Der Heini aus der Kiste heisst überigens Olaf.
Olaf ist dumm.
Aber das macht nichts.
Olaf kann Geschichten erzählen, die schon deswegen lustig sind, weil er nicht weiss wie er anfangen soll und dann manche Sachen fünf mal, sechs mal, sieben mal erzählt. Der Winter wäre ganz schön blöd ohne Olaf. Blöder als Olaf selbst. Im Sommer brauche ich ihn eigentlich nicht. das macht ihn ganz schön fertig glaub ich. Aber er kann sich ja nicht wehren. Und er weiss ja, wie ich über ihn denke. Trotzdem bleibt er bei mir. Dieser Idiot.
Manchmal schaut er mir heimlich zu, wenn ich über ihn schreibe und dann weint er. Ich tue dann immer so als würde ich es nicht hören. Ich glaube er will, dass ich es höre. Ein Grund mehr den Unwissenden zu mimen.
Olaf hat keine Freunde. Ich auch nicht. Wahrscheinlich ist das der Punkt, an dem wir uns treffen. Der Punkt der uns zusammenschweißt. Außerdem mag Olaf keine Bullen. Ich kann die Typen auch nicht leiden. Und er trägt bei 40 Grad im Schatten immernoch 'nen Kaputzenpulover. Keiner interessiert sich dafür, ob Olaf vermummt ist oder nicht.
Bei mir ist das schon anders. Ich hab schon des öfteren Stress gehabt, wegen verdeckter Visage und so. Das sieht man hier nicht so gerne. Aber wahrscheinlich würde man das, was man sehen würde auch nicht so gerne sehen. Sagt Olaf somindest.
Mensch, jetzt fang ich sogar schon an diesen kleinen Spinner zu zitieren. Soweit kommt's noch. Ich reiß mir nun wirklich schon genug den Arsch für ihn auf. Da muss ich nicht auch noch irgendwelche hirnrissigen Lebensweisheiten á la Olaf preisgeben.
Im Endeffekt ist es generell Schwachsinn soviel wertvollen Wortschatz, den man an anderen Stellen sicher noch gebrauchen kann, für wichtigere Dinge, an "Heini aus der Kiste" zu verschwenden. So baut sich ja schließlich nie irgendeine Spannung auf.
Viel interessanter wäre es, zu erzählen wer ich früher war. Was mich auszeichnete. Und wie ich letztendlich hier gelandet bin.
Mit Olaf.
Pardon...hab ich überhaupt schon erzählt wo ich gelandet bin? Man kann's sich sicher denken, oder? Ich meine, ich bereite mir Aldi-Feuertopf mit Hilfe von 2 morschen Brettern und dem Berliner Tagesspiegel von letzte Woche zu (+ eine halbe Packung Streichhölzer).
Ja ganz richtig.
Ich wohne im Garten einer 4-köpfigen Familie, die mir gestattet hat, ein Holzhäuschen in ihrem Außenreich aufzustellen, gegen einen Selbstkostenpreis von 2,50 Euro am Tag. Strom ist da allerdings nicht mit eingerechnet. Wasser auch nicht. Brauch ich auch nicht. Wenn ich baden will, dann spring ich mal eben in die Spree und wenn ich Licht brauche, dann zünd ich halt kurzer Hand 'ne Matratze an.
Die liegen hier stapelweise, im Nachbarsgarten.
Und vermissen wird die 100%ig keiner. Die schönste hab ich mir gleich am Anfang, als ich hier angekommen bin ausgesucht. Eine mit lauter Schlümpfen drauf die irgendwelchen Kötern hinterher rennen. Und diese Köter haben was im Maul, das ich bis heute weder als Stöckchen noch als Knochen identifizieren konnte.
Eigentlich hasse ich Hunde, und ich würde auch nie einen haben wollen. Der kostet nur Geld. Das tut Olaf zwar auch, aber der ist wenigstens noch einigermaßen stubenrein.
Naja, diese stilvoll "beschlumpfte" Matratze dient mir jedenfalls als Bettchen.
Olaf fand auch, dass die Matratze ziemlich gut aussieht. Deswegen hab ich ihm auch zum Geburtstag ein Stückchen rausgeschnitten und geschenkt. Ist schon 'ne schöne Sache, wenn man sieht wie sich jemand über ein Geschenk freut. Auch wenn es nur Olaf ist.
Also hier wohn ich jedenfalls.
Man duldet mich.
Gerade so.
Ich bin ja auch ganz friedlich.
Meistens.
"Meine Familie" hier hat 2 Kinder. Ganz liebe Bälger. Ist 'ne echte Traumfamilie. 'Ne gut aussehende, super-nette Mutter, einen beruflich erfolgreichen Vater und dazu noch die beiden Kleinen. Junge und Mädchen.
So richtig schön Barbie-Idylle.
Da stellt sich doch echt die Frage, warum eine so schnucklige 4er Gruppe einen Typen wie mich bei sich im Garten ein Lager aufschlagen lässt. Sozial sind die eben auch noch. Und ich dachte immer, sowas gibt's nur im Film.
Manchmal kommen die beiden Gören, der Junge 9, das Mädel 7, zu mir und dann spielen wir "Hau den Olaf".
Scheint ihnen Spaß zu machen. Und Olaf kriegt so auch endlich sein Fett weg.
Momentan sind wir, also ich und die Kinder, gerade dmit beschäftigt, meine Holzhütte zu gestalten. Regenbogen, Sonne, Wolken, Karnickel und ein doofer kleiner Olaf, der aus einem gemalten Fenster glotzt.
Das malt die Kleine somindest.
Der Bengel hat sich mein Dach vorgenommen und ist gerade damit beschäftigt Flammen darauf zu malen.
Und auch hier:
direkt aus der Stelle, wo ihm die Flammen am besten gelungen sind, guckt ein doofer kleiner Olaf.
Olaf sagt, er mag den Jungen nicht leiden.
Damals war selbst er für jede Art von schwarzem Humor zu haben, aber jetzt ist er ganz schön sentimental geworden. Ist schon ganz o.k., wenn er von den Kids von Zeit zu Zeit mal eine geflankt kriegt.
...Auch wenn es mir manchmal ein bisschen Sorgen macht. Er wehrt sich ja nicht mal mehr. Selbst ein kleines "Au" verkneift er sich. Entweder gefällt's ihm, dass sich auch noch andere ausser mir mit ihm beschäftigen oder er ist seelisch einfach nur am Ende.
Aber ich rede ja schon wieder nur von Olaf. Himmel-Donner!
Wenn ich recht überlege, ist dieses kleine Ungeheuer sogar der Grund dafür, warum ich jetzt hier sitze. Ich kann zwar nicht konkret sagen, was er gemacht hat, dass ich so abgerutscht bin, aber es fing eigentlich mit dem Finden dieser kleinen Kiste an.
Ich war zu Hause.
Nicht alleine.
Zu Hause hiess damals WG.
Mit Jochen zusammen hatte ich im Groben und Ganzen 'ne schöne Zeit.
Wir waren auf Demos, haben den Bullen Pflastersteine, so groß wie "Langenscheidt"-Englisch-Wörterbücher, gegen die Helme geschmettert und hatten jedes Wochenende 'ne andere Schnecke im Bett. Und mit Schnecke meine ich ich auch Schnecke. Nicht solche abgefuckten Schlampen, sondern Frauen mit Klasse. Manchmal haben wir versucht die Frauen gegenseitig auszutauschen aber daraus wurde eigentlich nie was. Jochen und ich waren vom Charakter her zu verschieden, als das ein und die selbe Frau auf uns Beide gleichzeitig abfahren könnte. Wir waren wirklich ganz schön verschieden. Jochen konnte gelegentlich richtig komisch sein. Also nicht komisch im Sinne von amüsant, sondern eher merkwürdig.
Ein Beispiel: Jochen und ich vor dem Fernseher. Mittwoch oder so. Nachrichten. Irgendwo ist mal wieder Krieg. Ich mag Krieg nicht so. Jochen wusste das. Aber was in der Welt so passiert, ging ihm schon immer ganz schön weit am Arsch vorbei. An diesem Abend jedenfalls sitzt der Jochen da und starrt gebannt auf die Goltze. Nach vorne gebeugt, die Arme auf die Knie gestützt. Er saß einfach nur da. Mit riesigen
Augen, die die Schreckensmeldung im TV zu verschlingen schienen. Ich guckte auch recht interessiert, aber nicht so euphorisch wie der Jochen. Der Bericht war noch nicht zu Ende. Dennoch, ich wollte wissen, was er dazu zu sagen hat..
"Ist doch schlimm, oder?"
Jochen starrt.
"Ich meine, dass es sowas immernoch gibt, auf der Welt."
Jochen starrt.
"Ich finde, da müsste mal was gemacht werden, wa?"
Jochen starrt.
"Also ich find das auf jeden Fall ganz schön krass."
Jochen starrt.
"Ich meine, dass es sowas immernoch gibt, auf der Welt."
Jochen starrt.
"Hab ich recht, Jochen?"
Er starrt.
"JOCHEN! HAB ICH RECHT?"
Jochen plötzlich:
"Wie? Was?"
"OB ICH RECHT HAB, DU PENNER!"
"Womit jetzt?"
"NA DER BERICHT DU PFEIFFE! DASS ES SCHLIMM IST, DASS ES SOWAS NOCH GIBT!!!"
"Welcher Bericht?"
"NA DER IM FERNSEH'N NATÜRLICH, ARSCHGEIGE!"
"Der? hmm... tut mir leid, ey. Aber ich hab da grad echt nicht zugehört. Sorry, Mann.
.............
Hä? ...das war Jochen. Da bin ich wirklich nie hintergestiegen.
Jochen war Soziologie-Student. Was will man da schon groß erwarten. Meine Wenigkeit hingegen verdiente sich sein Brot selber. Ich war so einer, der kleinere Firmen aufkauft um die dann an größere Firmen weiterzuverkaufen. Aber ich hatte weder das nötige Kleingeld um auch nur die beschissenste Sandpapierherstellungsfirma aus Fluchtweg-Hausen aufzukaufen, noch hatte ich auch nur die geringste Ahnung wie man einen Firmenaufkauf plant und durchführt. Aber wenigstens meine Eltern waren beruhigt.
"Der Junge macht wenigstens was Anständiges."
In Wirklichkeit machte ich mich daran, Polizeiuniformen für militante Anarchisten zu klauen, damit die bei Strassenschlachten ungehindert Randale machen konnten. Ich habe zwar immer im Hinterkopf gehabt, dass das Randale-machen in Bullenkluft nicht ganz so clever wäre, weil es für nicht eingeweihte Demonstranten äußerst schwierig sein dürfte, den Unterschied zwischen Feind und Freund zu finden, aber mein Job war ja lediglich die Uniformen zu besorgen. Und das ist eigentlich leichter als man denkt. Da wo die meisten Bullen sind, erwarten diese selbstverständlich auch die wenigsten Diebstähle oder "Ordnungswidrigkeiten". Man spaziert also einfach geradewegs ins Bullenquartier hinein, bahnt sich gemütlich seinen Weg zu den Umkleidekabinen, schnappt sich dort 3 bis 4 Uniformen und läuft dann in aller Seelenruhe, die Uniformen sichtbar über den Arm gehängt, wieder hinaus. Wenn mich beim Rausgehen einer gefragt hätte wo ich mit dem Scheiss hin wolle, hätt ich irgendwas von Reinigung oder so gefaselt. Mich hat aber nie einer gefragt. Man darf natürlich auch nicht aussehen wie der letzte Assel-Punk aber selbstbewusst und zur Arbeiterklasse gehörend sollte man schon wirken.
Und eins kann ich wirklich sagen. Diese Militanten haben für so 'ne Uniform echt ein gutes Sümmchen geblecht. Anstatt die sich die Dinger selbst holen, die Flachzangen. Wenn es diese Gruppe, die sich übrigens "Wächter-Schlächter" schimpfte (jetzt kann man's ja sagen), immernoch geben würde, dann würd ich sofort wieder für die Typen Uniformen klauen geh'n.
Aber doofer Weise muss sich meine Befürchtung, dass die anderen Steineschmeisser die "Wächter-Schlächter" nicht als Verbündete erkannt haben, wohl bestätigt haben. Jedefalls wurden es von mal zu mal weniger, wenn ich zum Treffpunkt kam um die Ware zu überliefern. Irgendwann gab's die Schlächter nicht mehr.
Da musste ich mir jedenfalls 'ne neue Geldquelle suchen.
Ich hatte schon vorher, mit Jochen zusammen, angefangen 'nen Underground-Magazin aufzubauen.
Um mal bei der Wahrheit zu bleiben: es lief ganz schön beschissen aber man kam halt doch irgendwie über die Runden. Die Einnahmen der "Darum scheisse" (so der Name der Zeitschrift) von c.a. 40 Euro pro Monat, zusammen mit Jochens Barfögg und meiner Sozialhilfe ließen uns irgendwie über die Runden kommen. In einem Monat hatten wir den sagenhaften Umsatz von 290 Euro, als wir in jedes Exemplar ein Gratis-Kopfsteinpflaster reinpackten, für verletzte Punker, die versehentlich die Geschosse der Kameraden zu spühren bekamen.
Jochen jedenfalls hatte irgendwann keinen Bock mehr auf unser idyllisches WG-Leben.
Das sagte er somindest. In Wirklichkeit hat er 'nen Job gefunden bei den "Johanitern", diesen Krankenversorgungsfuzzis.
Der Grund für seinen plötzlichen Auszug war der, dass es null Bock hatte, seine Arbeitseinnahmen mit mir zu teilen, wie ich später von Hannes erfuhr.
Hannes war auch so 'ne Marke. Der konnte nie die Fresse halten. Wenn du also wolltest, dass ein vermeintliches Geheimnis schnell die Runde macht und die Szene in Aufruhr bringt, dann musstest du's nur Hannes erzählen.
Hannes war unsere "Darum scheisse"- Promotion. Und abgesehen davon war er auch 'ne absolut feige Sau. Und wenn er mal 'nen Hals gemacht hat, dann nur, wenn er ganz genau wusste, dass ich, Jochen oder sonst wer in der Nähe war. Und ausbaden mussten seine oberschlauen Sprüche gegenüber irgendwelchen Faschos immer andere, nur Hannes selbst nie.
Dennoch war er ein guter Kumpel. Keiner konnte ihn wirklich leiden aber alle waren doch irgendwie einverstanden, dass er mit dabei war. Und wenn man einen, der ihn kannte gefragt hat, was er von Hannes halte kam meistens 'ne zögerliche Antwort, wie:
"Och der Hannes is' scho' ganz in Ordnung. Is halt'n Kumpel, wa?!"
Aber selbst dieser Kumpel wollte nichts mehr mit mir zu tun haben, als Jochen weg war.
Von heute auf morgen.
"Ich packe."
"Du packst, Jochen? Wo willst'n hin?"
"Weg. Raus aus dem Loch hier."
"In wie fern? Für immer?"
"Na sicher für immer. Nach was sieht das hier denn aus, hä?"
"Und wieso? Ich mein, was is'n der Grund?"
"Ich will endlich ma' auf eigenen Füßen steh'n. Ich hab jetzt schließlich Studium fertig und so. Musste
versteh'n."
"Kann ich mitkomm'?"
"Nee, lass ma. Mach ma' dein Ding. Ich schreib dir. Tschö!"
..........
Dann war er weg. Die Sau. Die nächsten Wochen waren verdammt langweilig. Ohne Jochen's Barfögg war ich ganz schön aufgeschmissen. Ich fraß mich dann hauptsächlich bei Tiffy durch. die hatte immer was im Haus. dementsprechend sah sie ja auch aus. Hannes hatte sie mal flach gelegt. Ich hab Hannes dann gefragt, wie er die denn flach gekriegt hat, die is' doch rund wie 'ne Bowlingkugel. Hannes antwortete auf so was nie. Wahrscheinlich hatte er Schiss davor was vor die Schnauze zu kriegen, wenn er schnippisch reagiert. Es dauerte jedenfalls nicht sehr lange, bis mir selbst der Tiffy-Brocken, der mich immer am liebsten an Ort und Stelle gefressen hätte, den Rücken zukehrte.
Langsam kam ich mir ganz schön allein vor.
Auch mit den Frauen lief's nicht mehr ganz so gut. Jochen war halt weg. Der hat die sonst immer angelabert, für mich.
Ich war dann schon so 3 Monate alleine im Haus. Miete war ja eh nicht aber langsam bekam ich Kohldampf. Betteln wär mir echt zu doof gewesen.
Ist es heute immernoch.
Und eines abends dann eben, ich durchlief so ganz Kreuzberg, auf der Suche nach bekannten Gesichtern, bei denen man sich ein wenig einschleimen könnte, da isses dann eben passiert.
Faschos. In Kreuzberg.
IN KREUZBERG!!!
Wegrennen hätte wohlmöglich sogar was genützt,
in Kreuzberg.
Aber besoffen wie ich war, waren auch meine Beine eher Pudding als durchtrainierte Sprinter-Schenkel. Und zack, gab's was auf die Mütze. Undzwar so richtig. Man kann sich gar nicht vorstellen, wieviel Spass diese Wixer hatten, einem Anarcho direkt in Kreuzberg eins vor die Fresse zu zwerbeln. Die Hunde hatten sogar soviel Spass dabei, dass ich mich nicht mehr errinnern kann, welcher Tag in der Woche das war, wie die aussahen und vor allem, wann ich dann endlich ohnmächtig geworden bin. Totgeprügelt haben sie mich somindest nicht.
Tja, und jetzt zum Punkt:
Als ich dann nämlich langsam wieder zu mir kam, lag ich in einer Gasse, in die ich sicher nicht freiwillig, mit `ner Horde Nazis hinter mir, gerannt bin.
Ich blinzelte und schaute mich ein wenig um. Sperrholz, Müllsäcke, Gestank und Katzenpisse.
Und da lag sie!
Diese kleine unscheinbare Kiste.
Aus Holz. Mit so 'nem Kinderschloss vorne dran, womit die Kleinen immer ihre Tagebücher abschließen. Und oben auf der Kiste war in Großbuchstaben eingeritzt: "FUCK YOU!" und gleich darunter etwas kleiner: "Mach mich auf und du stirbst einen qualvollen Tod" "Ein Grund mehr es zu tun", dachte ich mir. Aus rebellischen Gründen versteht sich. Abgesehen davon würde mein Tod sowieso ziemlich qualvoll sein. Was hatte ich also zu befürchten.
Ich nahm die Holzkiste in die Hand und schüttelte sie mal so richtig durch. Es stand schließlich nichts davon drauf, dass man sie nicht schütteln darf. Irgendwas klapperte darin. Ich versuchte das Kinderschloss aufzubrechen aber irgendwie hatten mir die Faschos doch schon ziemlich übel mitgespielt, so dass ich das verdammte Drecksding einfach nicht auf bekam. Also schmiss ich den Kasten mit voller Wucht auf den Boden. Er ging nicht kaputt. Aber das Schloss brach ohne Probleme einfach aus der Halterung und fiel ab. Ich trat mit den Springern den Deckel auf und glotzte in den Inhalt...
Einen konkreten Titel gibt es noch nicht. Falls ihr Vorschläge haben solltet, wie man ihn nennen könnte, fänd ich's ganz gut. Ich hoffe mal ihr habt die Ausdauer, euch alles durchzulesen.
der Tab
-1-
"Ganz schön kalt, oder?"
"Ich weiss nicht...eben war's noch warm. Aber jetzt wo du's sagst, kommt's mir auch plötzlich ganz schön kalt vor."
"Ach halt den Mund, verdammter Schleimer!"
Ich machte die Kiste zu und steckte sie wieder in die Tasche.
Wenn man nicht findet, dass es kalt ist, dann soll man's auch nicht behaupten. Wenn ich blöde labern wollen würde, dann hätte ich nach dem Wetter oder Wohlbefinden gefragt. Aber ich finde wirklich, das es kalt ist. Ein bißchen zu kalt für meinen Geschmack. Und ich bin nun wirklich nicht gerade wählerisch.
Aber wenn man schon mal 'nen richtig leckeren mexikanischen Feuertopf mampft, dann muss der auch ordentlich warm sein. Das Zeug will schließlich nicht umsonst Feuertopf heißen, oder was?!
Zum Glück ist es wenigstens kein guter Feuertopf. Nur so ein Billig-Produkt von Aldi oder so. Selbst die Aufmachung der Dose läd nicht gerade zum Verzehr ein.
Und trotzdem. Drauf steht eindeutig Feuertopf!
F-E-U-E-R-T-O-P-F
Und dann will mir dieser Heini aus der Kiste erzählen, dass das Zeug gerade noch heiss war. Nur weil das Auge mit isst, ist da noch lange kein Feuer drin.
Der Heini aus der Kiste heisst überigens Olaf.
Olaf ist dumm.
Aber das macht nichts.
Olaf kann Geschichten erzählen, die schon deswegen lustig sind, weil er nicht weiss wie er anfangen soll und dann manche Sachen fünf mal, sechs mal, sieben mal erzählt. Der Winter wäre ganz schön blöd ohne Olaf. Blöder als Olaf selbst. Im Sommer brauche ich ihn eigentlich nicht. das macht ihn ganz schön fertig glaub ich. Aber er kann sich ja nicht wehren. Und er weiss ja, wie ich über ihn denke. Trotzdem bleibt er bei mir. Dieser Idiot.
Manchmal schaut er mir heimlich zu, wenn ich über ihn schreibe und dann weint er. Ich tue dann immer so als würde ich es nicht hören. Ich glaube er will, dass ich es höre. Ein Grund mehr den Unwissenden zu mimen.
Olaf hat keine Freunde. Ich auch nicht. Wahrscheinlich ist das der Punkt, an dem wir uns treffen. Der Punkt der uns zusammenschweißt. Außerdem mag Olaf keine Bullen. Ich kann die Typen auch nicht leiden. Und er trägt bei 40 Grad im Schatten immernoch 'nen Kaputzenpulover. Keiner interessiert sich dafür, ob Olaf vermummt ist oder nicht.
Bei mir ist das schon anders. Ich hab schon des öfteren Stress gehabt, wegen verdeckter Visage und so. Das sieht man hier nicht so gerne. Aber wahrscheinlich würde man das, was man sehen würde auch nicht so gerne sehen. Sagt Olaf somindest.
Mensch, jetzt fang ich sogar schon an diesen kleinen Spinner zu zitieren. Soweit kommt's noch. Ich reiß mir nun wirklich schon genug den Arsch für ihn auf. Da muss ich nicht auch noch irgendwelche hirnrissigen Lebensweisheiten á la Olaf preisgeben.
Im Endeffekt ist es generell Schwachsinn soviel wertvollen Wortschatz, den man an anderen Stellen sicher noch gebrauchen kann, für wichtigere Dinge, an "Heini aus der Kiste" zu verschwenden. So baut sich ja schließlich nie irgendeine Spannung auf.
Viel interessanter wäre es, zu erzählen wer ich früher war. Was mich auszeichnete. Und wie ich letztendlich hier gelandet bin.
Mit Olaf.
Pardon...hab ich überhaupt schon erzählt wo ich gelandet bin? Man kann's sich sicher denken, oder? Ich meine, ich bereite mir Aldi-Feuertopf mit Hilfe von 2 morschen Brettern und dem Berliner Tagesspiegel von letzte Woche zu (+ eine halbe Packung Streichhölzer).
Ja ganz richtig.
Ich wohne im Garten einer 4-köpfigen Familie, die mir gestattet hat, ein Holzhäuschen in ihrem Außenreich aufzustellen, gegen einen Selbstkostenpreis von 2,50 Euro am Tag. Strom ist da allerdings nicht mit eingerechnet. Wasser auch nicht. Brauch ich auch nicht. Wenn ich baden will, dann spring ich mal eben in die Spree und wenn ich Licht brauche, dann zünd ich halt kurzer Hand 'ne Matratze an.
Die liegen hier stapelweise, im Nachbarsgarten.
Und vermissen wird die 100%ig keiner. Die schönste hab ich mir gleich am Anfang, als ich hier angekommen bin ausgesucht. Eine mit lauter Schlümpfen drauf die irgendwelchen Kötern hinterher rennen. Und diese Köter haben was im Maul, das ich bis heute weder als Stöckchen noch als Knochen identifizieren konnte.
Eigentlich hasse ich Hunde, und ich würde auch nie einen haben wollen. Der kostet nur Geld. Das tut Olaf zwar auch, aber der ist wenigstens noch einigermaßen stubenrein.
Naja, diese stilvoll "beschlumpfte" Matratze dient mir jedenfalls als Bettchen.
Olaf fand auch, dass die Matratze ziemlich gut aussieht. Deswegen hab ich ihm auch zum Geburtstag ein Stückchen rausgeschnitten und geschenkt. Ist schon 'ne schöne Sache, wenn man sieht wie sich jemand über ein Geschenk freut. Auch wenn es nur Olaf ist.
Also hier wohn ich jedenfalls.
Man duldet mich.
Gerade so.
Ich bin ja auch ganz friedlich.
Meistens.
"Meine Familie" hier hat 2 Kinder. Ganz liebe Bälger. Ist 'ne echte Traumfamilie. 'Ne gut aussehende, super-nette Mutter, einen beruflich erfolgreichen Vater und dazu noch die beiden Kleinen. Junge und Mädchen.
So richtig schön Barbie-Idylle.
Da stellt sich doch echt die Frage, warum eine so schnucklige 4er Gruppe einen Typen wie mich bei sich im Garten ein Lager aufschlagen lässt. Sozial sind die eben auch noch. Und ich dachte immer, sowas gibt's nur im Film.
Manchmal kommen die beiden Gören, der Junge 9, das Mädel 7, zu mir und dann spielen wir "Hau den Olaf".
Scheint ihnen Spaß zu machen. Und Olaf kriegt so auch endlich sein Fett weg.
Momentan sind wir, also ich und die Kinder, gerade dmit beschäftigt, meine Holzhütte zu gestalten. Regenbogen, Sonne, Wolken, Karnickel und ein doofer kleiner Olaf, der aus einem gemalten Fenster glotzt.
Das malt die Kleine somindest.
Der Bengel hat sich mein Dach vorgenommen und ist gerade damit beschäftigt Flammen darauf zu malen.
Und auch hier:
direkt aus der Stelle, wo ihm die Flammen am besten gelungen sind, guckt ein doofer kleiner Olaf.
Olaf sagt, er mag den Jungen nicht leiden.
Damals war selbst er für jede Art von schwarzem Humor zu haben, aber jetzt ist er ganz schön sentimental geworden. Ist schon ganz o.k., wenn er von den Kids von Zeit zu Zeit mal eine geflankt kriegt.
...Auch wenn es mir manchmal ein bisschen Sorgen macht. Er wehrt sich ja nicht mal mehr. Selbst ein kleines "Au" verkneift er sich. Entweder gefällt's ihm, dass sich auch noch andere ausser mir mit ihm beschäftigen oder er ist seelisch einfach nur am Ende.
Aber ich rede ja schon wieder nur von Olaf. Himmel-Donner!
Wenn ich recht überlege, ist dieses kleine Ungeheuer sogar der Grund dafür, warum ich jetzt hier sitze. Ich kann zwar nicht konkret sagen, was er gemacht hat, dass ich so abgerutscht bin, aber es fing eigentlich mit dem Finden dieser kleinen Kiste an.
Ich war zu Hause.
Nicht alleine.
Zu Hause hiess damals WG.
Mit Jochen zusammen hatte ich im Groben und Ganzen 'ne schöne Zeit.
Wir waren auf Demos, haben den Bullen Pflastersteine, so groß wie "Langenscheidt"-Englisch-Wörterbücher, gegen die Helme geschmettert und hatten jedes Wochenende 'ne andere Schnecke im Bett. Und mit Schnecke meine ich ich auch Schnecke. Nicht solche abgefuckten Schlampen, sondern Frauen mit Klasse. Manchmal haben wir versucht die Frauen gegenseitig auszutauschen aber daraus wurde eigentlich nie was. Jochen und ich waren vom Charakter her zu verschieden, als das ein und die selbe Frau auf uns Beide gleichzeitig abfahren könnte. Wir waren wirklich ganz schön verschieden. Jochen konnte gelegentlich richtig komisch sein. Also nicht komisch im Sinne von amüsant, sondern eher merkwürdig.
Ein Beispiel: Jochen und ich vor dem Fernseher. Mittwoch oder so. Nachrichten. Irgendwo ist mal wieder Krieg. Ich mag Krieg nicht so. Jochen wusste das. Aber was in der Welt so passiert, ging ihm schon immer ganz schön weit am Arsch vorbei. An diesem Abend jedenfalls sitzt der Jochen da und starrt gebannt auf die Goltze. Nach vorne gebeugt, die Arme auf die Knie gestützt. Er saß einfach nur da. Mit riesigen
Augen, die die Schreckensmeldung im TV zu verschlingen schienen. Ich guckte auch recht interessiert, aber nicht so euphorisch wie der Jochen. Der Bericht war noch nicht zu Ende. Dennoch, ich wollte wissen, was er dazu zu sagen hat..
"Ist doch schlimm, oder?"
Jochen starrt.
"Ich meine, dass es sowas immernoch gibt, auf der Welt."
Jochen starrt.
"Ich finde, da müsste mal was gemacht werden, wa?"
Jochen starrt.
"Also ich find das auf jeden Fall ganz schön krass."
Jochen starrt.
"Ich meine, dass es sowas immernoch gibt, auf der Welt."
Jochen starrt.
"Hab ich recht, Jochen?"
Er starrt.
"JOCHEN! HAB ICH RECHT?"
Jochen plötzlich:
"Wie? Was?"
"OB ICH RECHT HAB, DU PENNER!"
"Womit jetzt?"
"NA DER BERICHT DU PFEIFFE! DASS ES SCHLIMM IST, DASS ES SOWAS NOCH GIBT!!!"
"Welcher Bericht?"
"NA DER IM FERNSEH'N NATÜRLICH, ARSCHGEIGE!"
"Der? hmm... tut mir leid, ey. Aber ich hab da grad echt nicht zugehört. Sorry, Mann.
.............
Hä? ...das war Jochen. Da bin ich wirklich nie hintergestiegen.
Jochen war Soziologie-Student. Was will man da schon groß erwarten. Meine Wenigkeit hingegen verdiente sich sein Brot selber. Ich war so einer, der kleinere Firmen aufkauft um die dann an größere Firmen weiterzuverkaufen. Aber ich hatte weder das nötige Kleingeld um auch nur die beschissenste Sandpapierherstellungsfirma aus Fluchtweg-Hausen aufzukaufen, noch hatte ich auch nur die geringste Ahnung wie man einen Firmenaufkauf plant und durchführt. Aber wenigstens meine Eltern waren beruhigt.
"Der Junge macht wenigstens was Anständiges."
In Wirklichkeit machte ich mich daran, Polizeiuniformen für militante Anarchisten zu klauen, damit die bei Strassenschlachten ungehindert Randale machen konnten. Ich habe zwar immer im Hinterkopf gehabt, dass das Randale-machen in Bullenkluft nicht ganz so clever wäre, weil es für nicht eingeweihte Demonstranten äußerst schwierig sein dürfte, den Unterschied zwischen Feind und Freund zu finden, aber mein Job war ja lediglich die Uniformen zu besorgen. Und das ist eigentlich leichter als man denkt. Da wo die meisten Bullen sind, erwarten diese selbstverständlich auch die wenigsten Diebstähle oder "Ordnungswidrigkeiten". Man spaziert also einfach geradewegs ins Bullenquartier hinein, bahnt sich gemütlich seinen Weg zu den Umkleidekabinen, schnappt sich dort 3 bis 4 Uniformen und läuft dann in aller Seelenruhe, die Uniformen sichtbar über den Arm gehängt, wieder hinaus. Wenn mich beim Rausgehen einer gefragt hätte wo ich mit dem Scheiss hin wolle, hätt ich irgendwas von Reinigung oder so gefaselt. Mich hat aber nie einer gefragt. Man darf natürlich auch nicht aussehen wie der letzte Assel-Punk aber selbstbewusst und zur Arbeiterklasse gehörend sollte man schon wirken.
Und eins kann ich wirklich sagen. Diese Militanten haben für so 'ne Uniform echt ein gutes Sümmchen geblecht. Anstatt die sich die Dinger selbst holen, die Flachzangen. Wenn es diese Gruppe, die sich übrigens "Wächter-Schlächter" schimpfte (jetzt kann man's ja sagen), immernoch geben würde, dann würd ich sofort wieder für die Typen Uniformen klauen geh'n.
Aber doofer Weise muss sich meine Befürchtung, dass die anderen Steineschmeisser die "Wächter-Schlächter" nicht als Verbündete erkannt haben, wohl bestätigt haben. Jedefalls wurden es von mal zu mal weniger, wenn ich zum Treffpunkt kam um die Ware zu überliefern. Irgendwann gab's die Schlächter nicht mehr.
Da musste ich mir jedenfalls 'ne neue Geldquelle suchen.
Ich hatte schon vorher, mit Jochen zusammen, angefangen 'nen Underground-Magazin aufzubauen.
Um mal bei der Wahrheit zu bleiben: es lief ganz schön beschissen aber man kam halt doch irgendwie über die Runden. Die Einnahmen der "Darum scheisse" (so der Name der Zeitschrift) von c.a. 40 Euro pro Monat, zusammen mit Jochens Barfögg und meiner Sozialhilfe ließen uns irgendwie über die Runden kommen. In einem Monat hatten wir den sagenhaften Umsatz von 290 Euro, als wir in jedes Exemplar ein Gratis-Kopfsteinpflaster reinpackten, für verletzte Punker, die versehentlich die Geschosse der Kameraden zu spühren bekamen.
Jochen jedenfalls hatte irgendwann keinen Bock mehr auf unser idyllisches WG-Leben.
Das sagte er somindest. In Wirklichkeit hat er 'nen Job gefunden bei den "Johanitern", diesen Krankenversorgungsfuzzis.
Der Grund für seinen plötzlichen Auszug war der, dass es null Bock hatte, seine Arbeitseinnahmen mit mir zu teilen, wie ich später von Hannes erfuhr.
Hannes war auch so 'ne Marke. Der konnte nie die Fresse halten. Wenn du also wolltest, dass ein vermeintliches Geheimnis schnell die Runde macht und die Szene in Aufruhr bringt, dann musstest du's nur Hannes erzählen.
Hannes war unsere "Darum scheisse"- Promotion. Und abgesehen davon war er auch 'ne absolut feige Sau. Und wenn er mal 'nen Hals gemacht hat, dann nur, wenn er ganz genau wusste, dass ich, Jochen oder sonst wer in der Nähe war. Und ausbaden mussten seine oberschlauen Sprüche gegenüber irgendwelchen Faschos immer andere, nur Hannes selbst nie.
Dennoch war er ein guter Kumpel. Keiner konnte ihn wirklich leiden aber alle waren doch irgendwie einverstanden, dass er mit dabei war. Und wenn man einen, der ihn kannte gefragt hat, was er von Hannes halte kam meistens 'ne zögerliche Antwort, wie:
"Och der Hannes is' scho' ganz in Ordnung. Is halt'n Kumpel, wa?!"
Aber selbst dieser Kumpel wollte nichts mehr mit mir zu tun haben, als Jochen weg war.
Von heute auf morgen.
"Ich packe."
"Du packst, Jochen? Wo willst'n hin?"
"Weg. Raus aus dem Loch hier."
"In wie fern? Für immer?"
"Na sicher für immer. Nach was sieht das hier denn aus, hä?"
"Und wieso? Ich mein, was is'n der Grund?"
"Ich will endlich ma' auf eigenen Füßen steh'n. Ich hab jetzt schließlich Studium fertig und so. Musste
versteh'n."
"Kann ich mitkomm'?"
"Nee, lass ma. Mach ma' dein Ding. Ich schreib dir. Tschö!"
..........
Dann war er weg. Die Sau. Die nächsten Wochen waren verdammt langweilig. Ohne Jochen's Barfögg war ich ganz schön aufgeschmissen. Ich fraß mich dann hauptsächlich bei Tiffy durch. die hatte immer was im Haus. dementsprechend sah sie ja auch aus. Hannes hatte sie mal flach gelegt. Ich hab Hannes dann gefragt, wie er die denn flach gekriegt hat, die is' doch rund wie 'ne Bowlingkugel. Hannes antwortete auf so was nie. Wahrscheinlich hatte er Schiss davor was vor die Schnauze zu kriegen, wenn er schnippisch reagiert. Es dauerte jedenfalls nicht sehr lange, bis mir selbst der Tiffy-Brocken, der mich immer am liebsten an Ort und Stelle gefressen hätte, den Rücken zukehrte.
Langsam kam ich mir ganz schön allein vor.
Auch mit den Frauen lief's nicht mehr ganz so gut. Jochen war halt weg. Der hat die sonst immer angelabert, für mich.
Ich war dann schon so 3 Monate alleine im Haus. Miete war ja eh nicht aber langsam bekam ich Kohldampf. Betteln wär mir echt zu doof gewesen.
Ist es heute immernoch.
Und eines abends dann eben, ich durchlief so ganz Kreuzberg, auf der Suche nach bekannten Gesichtern, bei denen man sich ein wenig einschleimen könnte, da isses dann eben passiert.
Faschos. In Kreuzberg.
IN KREUZBERG!!!
Wegrennen hätte wohlmöglich sogar was genützt,
in Kreuzberg.
Aber besoffen wie ich war, waren auch meine Beine eher Pudding als durchtrainierte Sprinter-Schenkel. Und zack, gab's was auf die Mütze. Undzwar so richtig. Man kann sich gar nicht vorstellen, wieviel Spass diese Wixer hatten, einem Anarcho direkt in Kreuzberg eins vor die Fresse zu zwerbeln. Die Hunde hatten sogar soviel Spass dabei, dass ich mich nicht mehr errinnern kann, welcher Tag in der Woche das war, wie die aussahen und vor allem, wann ich dann endlich ohnmächtig geworden bin. Totgeprügelt haben sie mich somindest nicht.
Tja, und jetzt zum Punkt:
Als ich dann nämlich langsam wieder zu mir kam, lag ich in einer Gasse, in die ich sicher nicht freiwillig, mit `ner Horde Nazis hinter mir, gerannt bin.
Ich blinzelte und schaute mich ein wenig um. Sperrholz, Müllsäcke, Gestank und Katzenpisse.
Und da lag sie!
Diese kleine unscheinbare Kiste.
Aus Holz. Mit so 'nem Kinderschloss vorne dran, womit die Kleinen immer ihre Tagebücher abschließen. Und oben auf der Kiste war in Großbuchstaben eingeritzt: "FUCK YOU!" und gleich darunter etwas kleiner: "Mach mich auf und du stirbst einen qualvollen Tod" "Ein Grund mehr es zu tun", dachte ich mir. Aus rebellischen Gründen versteht sich. Abgesehen davon würde mein Tod sowieso ziemlich qualvoll sein. Was hatte ich also zu befürchten.
Ich nahm die Holzkiste in die Hand und schüttelte sie mal so richtig durch. Es stand schließlich nichts davon drauf, dass man sie nicht schütteln darf. Irgendwas klapperte darin. Ich versuchte das Kinderschloss aufzubrechen aber irgendwie hatten mir die Faschos doch schon ziemlich übel mitgespielt, so dass ich das verdammte Drecksding einfach nicht auf bekam. Also schmiss ich den Kasten mit voller Wucht auf den Boden. Er ging nicht kaputt. Aber das Schloss brach ohne Probleme einfach aus der Halterung und fiel ab. Ich trat mit den Springern den Deckel auf und glotzte in den Inhalt...