Rosalie

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petrasmiles

Mitglied
Lieber Frodomir,

wie eindrücklich! So empfindet der Liebende, wenn selbst Worte das reine Lieben beeinträchtigen können, sie sich aber von der ureigenen Substanz des Menschseins speist.
Dein Gedicht hat etwas sehr sehr romantisches, Empfindungen aus einer anderen Zeit? Oder jeder Zeit.

Liebe Grüße
Petra
 

Frodomir

Mitglied
Hallo Petra,

herzlichen Dank für deinen Kommentar und deine freundliche Bewertung.

Mich macht dieses Gedicht bzw. die Arbeit daran ehrlichgesagt seit Tagen ziemlich fertig. Ich bin auf der Arbeit fast eingeschlafen, weil ich nachts nicht aufhören konnte, daran zu basteln - nur um dann wieder unzufrieden mit dem Ergebnis zu sein.

Du fragst:

Dein Gedicht hat etwas sehr sehr romantisches, Empfindungen aus einer anderen Zeit? Oder jeder Zeit.
Beides, würde ich sagen. Ich habe mich hier der Fantasie einer reinen Körperlichkeit hingegeben, worin ja eine große Würde liegen kann. Zwangsläufig aber kommt der Mensch in seinem Leben in Kontakt mit dem Abstrakten, Benennenden und ebenso zwangsläufig wird er es wie ein Zitat nachsprechen. Ein Kind aber nimmt alles auch sehr körperlich wahr, und diese Sphäre im Erwachsenwerden nicht zu verlieren, würde dem sich ausprägenden Verstand vielleicht eine lebendige Erdung geben.

Darf ich dich übrigens etwas fragen:

Ich hadere ein bisschen mit der drittletzten Zeile:

nimm meine Hand

Eigentlich würde ich lieber nimm meine Hände schreiben, aber die zusätzliche Silbe beißt sich möglicherweise mit der Kadenz im darauffolgenden Vers nimm mir die Namen. Wenn du beide Varianten zur Auswahl hättest, würde dich da die Pluralvariante metrisch stören?

Vielen Dank nochmal und liebe Grüße
Frodomir
 

petrasmiles

Mitglied
Auweia, ich habe noch nie über meine Verse nachts wachgelegen (aber über anderes), da scheinst Du sogar eine romantische Natur zu haben.
Was die Metrik anbelangt, bin ich der falsche Ansprechpartner - so ein feines 'Gehör' habe ich nicht. Ich kann nur inhaltlich argumentieren und da finde ich die einzelne Hand viel ausdrucksstärker als den Plural. Ich denke bei 'Händen' eher an einen Reigen oder eine Pose, aber nicht eine Essenz von Liebe.
Ob Dir das weiterhilft?

Liebe Grüße
Petra
 

Anders Tell

Mitglied
Über Texte wach zu liegen, das kenne ich auch. Dein Gedicht erschließt sich mir nicht. Ich kenne schon die Liebe, in der die Körper sich verstehen und man fast zum Zaungast des Geschehens wird. Romantische Empfindungen hatte ich dabei eher nicht. Eher ein Gefühl unbeschwerter Behaglichkeit. Was das jetzt mit dem Namen der Partnerin zu tun haben könnte, kann ich nicht erfassen. Was ändert sich denn, wenn mir jemand den Namen nimmt?
Vielleicht fehlt mir eine passende Erfahrung dazu.
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Frodomir,
dieses Gedicht von dir, nehme ich gerne zum Anlass das lange Schweigen zu brechen.
Ich mag hier die Durchmengung der körperlichen Aspekte mit sehr tiefen philosophischen "Fragen".
Hier beschwört die Macht die Dinge zu benennen (benennen zu müssen?)den Verlust der ursprünglichen nonverbalen Empfindung.
So sehe ich zumindest das Fazit von Lyrich in der letzten Zeile.
Das Empfinden so scheint mir hat mehr Bedeutung als das später dazu "verliehene " Wort.
Das Empfinden umfasst noch ein Gesamtbild, der Namen und das Wort zerreisst das Ganze in Partikel.
Hm, wir erobern unsere Welt duch Sprache, und wer das Wort hat, hat eine intellektuelle Deutungshoheit über das "Wesen" des vorher nur Empfundenen.
Da klingt für mich auch eine "Trauer" an. Einmal benannt gibt es keinen Weg zurück.
Die Namen geben dem Gefühlten eine klare abgegrenzte Form.
Vielleicht sind die Worte die wir festlegen nur Miniaturen des voher Sprachlosen.
Es gibt kein zurück, der Weg ist versperrt.

"bis einer deine Schönheit
Stirn und Wange nannte
und später Liebe
ich begriff sie nie"

ist für mich formidabel:
allein das Wort "begriff" ist so wunderbar ambivalent, weil es ja als Wort sowohl das Verlorene als auch das Gewonnene einschließt.

Begreifen - erst im haptischen Sinne, also tatsächlich das "Fassbare", das wir nur mit Händen berühren und dann empfinden, als auch:
sich einen Begriff machen, also ein Wort (er-)finden, das das Empfundene benennt.

sehr gerne gelesen
LG Ralf
 

Anders Tell

Mitglied
Ich bin sprachlos. Und das muss man wohl sein, um ganz in diese sinnliche Empfindung hinein zu finden. Jetzt sehe ich den Kern meiner Begriffsstutzigkeit und erschrecke.
 

Frodomir

Mitglied
Hallo Petra,

vielen Dank für deine erneute Rückmeldung. Naja, an manchen Gedichten habe ich so lange geschrieben (manchmal - natürlich mit Pausen - Jahre, um ehrlich zu sein) - hätte ich diese Zeit in irgendetwas finanziell Ertragreiches investiert... aber ich liebe eben die Lyrik. Deshalb sind ein paar durchschriebene Nächte nicht so schlimm.

Was du über den Unterschied zwischen Hand und Hände sagst, hilft mir sehr. Ich bin zwar immer noch nicht wirklich zufrieden mit meinem Text, aber vielleicht kann ich ihn so jetzt besser ruhen lassen.

Danke und viele Grüße
Frodomir

~~~

Hallo Anders Tell,

vielen Dank für deine beiden Kommentare. Ich glaube, für das Textverständnis ist es wichtig, den Artikel vor Namen mit einzubeziehen. Dann geht es über den bloßen Namen einer Person hinaus. Aber wenn ich es richtig verstehe, hast du jetzt einen anderen Zugang zum Gedicht bekommen, was mich natürlich freut.

Viele Grüße
Frodomir

~~~

Hallo Clown,

es freut mich, dass du nicht nachtragend bist. Schön, dass dich mein Gedicht berühren konnte und gute Erinnerungen wachrief.

Vielen Dank auch für deine freundliche Bewertung.

Viele Grüße
Frodomir

~~~

Hallo Ralf Langer,

es macht mich sehr glücklich, dich hier wieder zu sehen. Warst du im Exil? Und warum so lange?

Wie ich es von dir gewohnt bin, triffst du mit deinen Interpretationen - so auch mit dieser - den Nagel auf den Kopf. Es freut mich, dass du speziell auf meine Wortwahl, insbesondere auf das Verb begreifen, eingegangen bist, denn ich finde es immer sehr schön, wenn jemand etwas sieht, was ich in einen Text hineingelegt habe. Danke dafür!

Ich hoffe, du bleibst uns jetzt wieder in der Leselupe erhalten und wir dürfen bald auch wieder Texte von dir lesen!

Viele Grüße
Frodomir
 

sufnus

Mitglied
Hey Frodomir!

Die Arbeit hat sich wirklich gelohnt! Großartig!
Ein Liebesgedicht, das beinahe die altehrwürdige Form des Blason streift. Und natürlich den Meister evoziert:

What's in a name? That which we call a rosalie
by any other name would smell as sweet.


Ich bin restlos begeistert und viel zu arm an Sternen...

LG!

S.
 

Ubertas

Mitglied
Lieber Frodomir,
hier steht ein Gedicht des nicht Begreifbaren, des sinnlich Gefühlten, des unendlich in sich Getragenen, das aufbrechen will in der Gegenwart des Moments. Da ist kein Halten mehr, kein Wehren. Trotzdem fühlt es sich wie ein Traum an, wie ein unerfüllter Wunsch. Obwohl er erfahren wurde, vermischt er sich wieder zu einer fragilen Erfahrung.
bevor ich nachsprach
warst du Hand und Zunge
das alles
kannte ich von dir

bis einer deine Schönheit
Stirn und Wange nannte
und später Liebe
ich begriff sie nie
wie flüchtig finden sich Worte für Stirn und Wange, die begriffen, zu Liebe werden. Doch sobald sie sich Liebe nennt, will sie unbegriffen bleiben. Sie ist nicht mehr körperlich Hand und Zunge, sie löst sich von körperlichem, fassbarem Begehren und wird zu etwas, das sich nicht benennen lassen wird.

vergib
nimm meine Hand

nimm mir die Namen
Rosalie
Hier beginnt für mich eine Annahme, die schöner nicht sein kann. Hier reicht eine Hand, ohne Namen zu suchen. Sie will nur gehalten sein ohne Benennung. Sie will sein. Unbenannt. Vielleicht sich selbst haltend.
Dann ist es Liebe und sie spricht aus jedem Wort.
Ohne Namen:
Deine Rosalie.

Liebe Grüße, ubertas
 

Frodomir

Mitglied
Hallo sufnus,

ich bedanke mich herzlich für deinen Kommentar und deine Bewertung. Interessant, dass du Shakespeare in den Sinn bekommst, beim Schreiben dachte ich eher an Rilke und Celan: Das Namengeben hat ein Ende

Ich danke dir jedenfalls und freue mich über deine Zeilen.

Viele Grüße
Frodomir

~~~

Hallo Ubertas,

in letzter Zeit ist mir noch einmal vermehrt aufgefallen, welche Poesie du nicht nur in deinen Gedichten, sondern auch in deinen Kommentaren an den Tag legst. Dass du mein Gedicht damit nun auch adressiert hast, freut mich sehr. Und um ehrlich zu sein: Was du am Ende deines Kommentars geschrieben hast, hat mich derart berührt, dass ich fast zu Weinen anfing. Danke für diese Wärme.

Und natürlich auch vielen Dank für deine Bewertung.

Viele Grüße
Frodomir
 

Ubertas

Mitglied
ab und zu darf man das auf der Leselupe (hoffe ich). Ich schicke dir jetzt ein Lied, das in diese Nacht passt. Und Wärme entsteht nicht allein.
Ich danke dir!
 

Ubertas

Mitglied
Das freut mich sehr:)
Lieber Frodomir,
ich habe versucht, dich per PN zu erreichen, da ich noch eine Frage hätte. Leider funktioniert es nicht. Wäre es möglich, dass du mir eine PN schickst?
Noch einen schönen Sonntag wünscht dir ubertas:)
 



 
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