Anders Tell
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Ruckzucker und Rappelwackler
Der Werbeblock während eines spannenden Films kann eine willkommene Abwechslung bieten. Man kann dem unterdrückten Harndrang nachgeben, frische Chips holen oder mit den anderen Zusehern diskutieren, welcher Verdächtige wahrscheinlich der Mörder ist. Es empfiehlt sich, den Ton solange abzustellen. Dreisterweise wird der ja von alleine drei Stufen lauter. Die optische Belastung ist meistens schon schlimm genug.
Man hätte vielleicht mehr Lust, die Werbung durchzusitzen, wenn sie nur annähernd die Qualität wie zu Zeiten der Cannes-Rolle hätte.
Überhaupt nicht willkommen sind hingegen diese kleinen Spots, die man ertragen muss, wenn man zur Entspannung online z. B. Solitär spielen möchte. Bei der zweiten Runde wird meist derselbe Spot noch einmal gezeigt. Einziger Vorteil dabei ist, dass man hierbei den Ton gleich auf Mute setzen kann, weil die Töne der Spiele genauso Ohrenkrebs erregend sind.
Letzthin fiel mir auf, dass in vielen dieser Spots neuerdings getanzt wird. Also, was man so Tanzen nennt.
Einige Beispiele möchte ich kurz skizzieren:
Eine schlanke junge Schönheit tänzelt um ihren neuen SodaStreamer. Welch eine Freude dieser Sprudelmax ihr bereitet, zeigt sie mit ihrem Jubeltanz und ihrer von langer Qual erlösten Mimik. Weiter tanzend gleitet sie mit gekonnten Schritten auf ein zweistufiges Podest, auf welchem schon eine Anzahl Plastikflaschen darauf wartet, von ihr ins Nirgendwo gekickt zu werden. Jetzt noch einmal die Totale auf den phallischen Brausemacher und die verzückte Miene seiner neuen Eignerin. Kein Gralsfund und kein Lottogewinn könnten diese Lebensfreude hervorrufen.
Im nächsten Einspieler dreht eine wohlgenährte Eisprinzessin selbstverliebte Pirouetten um ihre eigene Achse. Sie lässt uns wissen, dass diese Dreherei ihr alles bedeutet und dass ihr niemand hineinreden soll. Diese Freiheit aber konnte sie nur durch die richtige Wahl ihrer Monatshygiene erlangen. Naja, Binden, Tampons und Inkontinenzbremsen sind das Thema in drei von zehn Spots und so wollen wir glauben, dass diese wichtigen Artikel frei machen können und wünschen der engagierten Eistänzerin noch viele beschwingte Runden.
Mein Lieblingsspot zeigt einen Mittdreißiger, Marke Knuddelbär, der mit rudernden Armen, die an Tanz erinnern könnten, seine Einkäufe tätigt. Die Anbieter scheinen diese Zappelei nicht zu registrieren und reichen ihm bereitwillig die gewählten Artikel. Jetzt erfahren wir, dass er Freunde zu einem Barbecue eingeladen hat. Dafür also die heftigen Einkäufe. In der folgenden Szene steht er am Grill. Die Musik läuft und alle zappeln vergnügt vor sich hin. Bis zu dem Moment, als er den Tonarm von der Vinylscheibe hebt und alle wie auf eine geheime Absprache im Freeze erstarren. Aber schon findet der Diamant zurück in die Tonrille und wie erleichtert wird die rhythmische Gymnastik wieder aufgenommen.
Was ihn so glücklich macht, dass er diese kleine Feier gibt, erfahren wir direkt im Anschluss: Er hat die Darlehenszusage einer Kundenkreditbank erhalten. Jetzt ist er wieder flüssig. Beeindruckend. Mit überhöhtem effektiven Jahreszins, zwei Ratenkäufen bei Online-Händlern und mehreren Handyverträgen tänzelt er so auf direktem Weg in die Privatinsolvenz. Herzlichen Glückwunsch zu diesem großmütigen Hilfspaket der Kredithaie.
Gerade wollte ich die Beispielreihe beschließen, als ein besonderes Exemplar meine Linsen kitzelt. Man sieht eine schlanke Frau von hinten, die sehr umständlich - fast wie ungeübt - eine enge Hose über ihre schmale Taille zerrt. Dann noch ein, zwei solcher Damen, die gesundheitsgefährdende Verrenkungen aufführen, um die stylischen Beinkleider an Ort und Stelle zu ziehen. Alle bewegen sich merkwürdig hinaus auf die Straße, wo sie in absurden Spastiken und Zuckungen zu einem zentralen Sammelplatz streben. Es kommen immer mehr dieser Mutanten aus allen Ecken. Eine benutzt die Rolltreppe und schleudert ihren Kopf am Pferdeschwanz ziehend in alle Richtungen. Nun ist der Trupp versammelt. Aus der hinteren Bildmitte nähern sich die zuckenden Gestalten dem erschrockenen Betrachter. Es erinnert an Videoclips von Michael Jackson, in denen die Untoten die Friedhöfe unsicher machen.
Diese unglaubliche Vorführung hat natürlich einen Grund: Eine begehrte Jeansmarke veranstaltet einen verbilligten Sonderverkauf. Sale, Sail away möchte man da sagen. Bei diesen brutalen Nebenwirkungen würde ich die Denimröhren nicht einmal ermäßigt kaufen.
Was mag geschehen sein, dass die Werbeschaffenden jetzt so oft auf Tanzelemente setzen? Eine Erklärung könnte sein, dass emsige Werbewirkungsforscher ihnen dies als Rezeptanleitung für schwindelnd hohen Absatz vermittelt haben. Nur sind die Statistiker einfallsreich bei der Frage, wie sie ihre Auswertungen gewinnbringend den Agenturen andrehen, aber nicht eben schöpferisch, wenn es um die Umsetzung geht. Da haben die Artdirektoren ihre Kreativteams gebildet und die Budgets festgeklopft.
Bei der Präsentation der mageren Entwürfe wurde dann womöglich mehr über Kostenreduktion gesprochen als über die Tragfähigkeit der Ideen. Anders können die erbärmlichen Ergebnisse kaum zustande gekommen sein. Eine Rotte bunt zusammen gecasteter Komparsen zappelt in talentfreier Darbietung daher und da ja immer das Produkt der Star sein soll, kann man auf ausgeklügelte Choreografie verzichten.
Einfallsreiche Werber hätten etwas daraus machen können. Fred Astaire und Ginger Rogers bedienen sich in der Garderobe aus demselben Karton mit Inkontinenzeinlagen. Pablo Veron zieht eine dieser verbilligten Jeans an und legt einen Tango aufs Parkett, der einem Aushilfsteufel Ehre gemacht hätte. Nicht zuletzt könnte der Sodamax die Niagarafälle hinab Salsa tanzen und seine sprudelnde Kraft direkt in den Kelch einer wunderschönen Nixe versprühen. Vergossene Milch; wir ertragen es mit Fassung.
Der Werbeblock während eines spannenden Films kann eine willkommene Abwechslung bieten. Man kann dem unterdrückten Harndrang nachgeben, frische Chips holen oder mit den anderen Zusehern diskutieren, welcher Verdächtige wahrscheinlich der Mörder ist. Es empfiehlt sich, den Ton solange abzustellen. Dreisterweise wird der ja von alleine drei Stufen lauter. Die optische Belastung ist meistens schon schlimm genug.
Man hätte vielleicht mehr Lust, die Werbung durchzusitzen, wenn sie nur annähernd die Qualität wie zu Zeiten der Cannes-Rolle hätte.
Überhaupt nicht willkommen sind hingegen diese kleinen Spots, die man ertragen muss, wenn man zur Entspannung online z. B. Solitär spielen möchte. Bei der zweiten Runde wird meist derselbe Spot noch einmal gezeigt. Einziger Vorteil dabei ist, dass man hierbei den Ton gleich auf Mute setzen kann, weil die Töne der Spiele genauso Ohrenkrebs erregend sind.
Letzthin fiel mir auf, dass in vielen dieser Spots neuerdings getanzt wird. Also, was man so Tanzen nennt.
Einige Beispiele möchte ich kurz skizzieren:
Eine schlanke junge Schönheit tänzelt um ihren neuen SodaStreamer. Welch eine Freude dieser Sprudelmax ihr bereitet, zeigt sie mit ihrem Jubeltanz und ihrer von langer Qual erlösten Mimik. Weiter tanzend gleitet sie mit gekonnten Schritten auf ein zweistufiges Podest, auf welchem schon eine Anzahl Plastikflaschen darauf wartet, von ihr ins Nirgendwo gekickt zu werden. Jetzt noch einmal die Totale auf den phallischen Brausemacher und die verzückte Miene seiner neuen Eignerin. Kein Gralsfund und kein Lottogewinn könnten diese Lebensfreude hervorrufen.
Im nächsten Einspieler dreht eine wohlgenährte Eisprinzessin selbstverliebte Pirouetten um ihre eigene Achse. Sie lässt uns wissen, dass diese Dreherei ihr alles bedeutet und dass ihr niemand hineinreden soll. Diese Freiheit aber konnte sie nur durch die richtige Wahl ihrer Monatshygiene erlangen. Naja, Binden, Tampons und Inkontinenzbremsen sind das Thema in drei von zehn Spots und so wollen wir glauben, dass diese wichtigen Artikel frei machen können und wünschen der engagierten Eistänzerin noch viele beschwingte Runden.
Mein Lieblingsspot zeigt einen Mittdreißiger, Marke Knuddelbär, der mit rudernden Armen, die an Tanz erinnern könnten, seine Einkäufe tätigt. Die Anbieter scheinen diese Zappelei nicht zu registrieren und reichen ihm bereitwillig die gewählten Artikel. Jetzt erfahren wir, dass er Freunde zu einem Barbecue eingeladen hat. Dafür also die heftigen Einkäufe. In der folgenden Szene steht er am Grill. Die Musik läuft und alle zappeln vergnügt vor sich hin. Bis zu dem Moment, als er den Tonarm von der Vinylscheibe hebt und alle wie auf eine geheime Absprache im Freeze erstarren. Aber schon findet der Diamant zurück in die Tonrille und wie erleichtert wird die rhythmische Gymnastik wieder aufgenommen.
Was ihn so glücklich macht, dass er diese kleine Feier gibt, erfahren wir direkt im Anschluss: Er hat die Darlehenszusage einer Kundenkreditbank erhalten. Jetzt ist er wieder flüssig. Beeindruckend. Mit überhöhtem effektiven Jahreszins, zwei Ratenkäufen bei Online-Händlern und mehreren Handyverträgen tänzelt er so auf direktem Weg in die Privatinsolvenz. Herzlichen Glückwunsch zu diesem großmütigen Hilfspaket der Kredithaie.
Gerade wollte ich die Beispielreihe beschließen, als ein besonderes Exemplar meine Linsen kitzelt. Man sieht eine schlanke Frau von hinten, die sehr umständlich - fast wie ungeübt - eine enge Hose über ihre schmale Taille zerrt. Dann noch ein, zwei solcher Damen, die gesundheitsgefährdende Verrenkungen aufführen, um die stylischen Beinkleider an Ort und Stelle zu ziehen. Alle bewegen sich merkwürdig hinaus auf die Straße, wo sie in absurden Spastiken und Zuckungen zu einem zentralen Sammelplatz streben. Es kommen immer mehr dieser Mutanten aus allen Ecken. Eine benutzt die Rolltreppe und schleudert ihren Kopf am Pferdeschwanz ziehend in alle Richtungen. Nun ist der Trupp versammelt. Aus der hinteren Bildmitte nähern sich die zuckenden Gestalten dem erschrockenen Betrachter. Es erinnert an Videoclips von Michael Jackson, in denen die Untoten die Friedhöfe unsicher machen.
Diese unglaubliche Vorführung hat natürlich einen Grund: Eine begehrte Jeansmarke veranstaltet einen verbilligten Sonderverkauf. Sale, Sail away möchte man da sagen. Bei diesen brutalen Nebenwirkungen würde ich die Denimröhren nicht einmal ermäßigt kaufen.
Was mag geschehen sein, dass die Werbeschaffenden jetzt so oft auf Tanzelemente setzen? Eine Erklärung könnte sein, dass emsige Werbewirkungsforscher ihnen dies als Rezeptanleitung für schwindelnd hohen Absatz vermittelt haben. Nur sind die Statistiker einfallsreich bei der Frage, wie sie ihre Auswertungen gewinnbringend den Agenturen andrehen, aber nicht eben schöpferisch, wenn es um die Umsetzung geht. Da haben die Artdirektoren ihre Kreativteams gebildet und die Budgets festgeklopft.
Bei der Präsentation der mageren Entwürfe wurde dann womöglich mehr über Kostenreduktion gesprochen als über die Tragfähigkeit der Ideen. Anders können die erbärmlichen Ergebnisse kaum zustande gekommen sein. Eine Rotte bunt zusammen gecasteter Komparsen zappelt in talentfreier Darbietung daher und da ja immer das Produkt der Star sein soll, kann man auf ausgeklügelte Choreografie verzichten.
Einfallsreiche Werber hätten etwas daraus machen können. Fred Astaire und Ginger Rogers bedienen sich in der Garderobe aus demselben Karton mit Inkontinenzeinlagen. Pablo Veron zieht eine dieser verbilligten Jeans an und legt einen Tango aufs Parkett, der einem Aushilfsteufel Ehre gemacht hätte. Nicht zuletzt könnte der Sodamax die Niagarafälle hinab Salsa tanzen und seine sprudelnde Kraft direkt in den Kelch einer wunderschönen Nixe versprühen. Vergossene Milch; wir ertragen es mit Fassung.
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