Rupert Stilz

Sammis

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Rupert Stilz

Wer glaubt, dass es in alten Gemäuern nicht spukt oder zumindest wundersam zugeht, der irrt, der hat keine Ahnung.
Schon zu Lebzeiten war Rupert ein schwieriger Mensch gewesen, woran selbst der Tod wenig ändern konnte. Jähzorn oder gar Bösartigkeit wurde ihm nachgesagt. Das zu glauben, wäre jedoch zu einfach und auch falsch. Rupert Stilz war einsamer Mann. Heute wie damals.

Nun aber rasch zu dem, wovon ich euch erzählen möchte. Der eine ist arm und ein anderer reich. Der Arme träumt von einem besseren Leben und der Reiche kann oft nicht genug bekommen. Nun wollte es der Zufall, oder war es doch Bestimmung?, das die beiden Männer, nennen wir sie "den Vater" und "den König", einmal aufeinander trafen. Was ihr noch wissen müsst, ist, dass der Vater eine wahrhaftig wunderschöne Tochter und der König keine Frau an seiner Seite hatte.
Nur für wenige Worte war Zeit, und im Nachhinein vermochte der Vater nicht mehr zu sagen, warum er sagte, was er sagte. Manchmal ist das so, da sagt man Dinge, die unüberlegt und nicht sonders klug sind.
Jedenfalls offenbarte jener Vater, der ihm übrigen der arme von beiden war, was ihr sicher bereits erahnt habt, dem König, der standesgemäß den reichen darstellte, dass er eine Tochter habe, die schnödes Stroh zu purem Gold verspinnen könne.
Nun war der König kein Dummkopf und zweifelte dies wohl an. Zugleich war er aber auch überaus gierig und immer darauf aus seinen Reichtum zu mehren. Und was hatte er schon zu verlieren? Mit spottender Stimme wies er den Vater an, die Tochter noch an selbem Abend zu ihm zu bringen; dann werde man schon sehen, ob er die Wahrheit spricht oder nicht. Sollte er jedoch gelogen haben, so sei er sich dessen gewiss, dass es beide den Kopf kosten würde.
Der arme Vater bereute augenblicklich, was er mit seiner unüberlegten Rede angerichtet hatte; nur was blieb ihm jetzt noch übrig, als auf ein Wunder zu hoffen.

Das Töchterlein wurde dem König vorgeführt und der sperrte es umgehend in eine Kammer, die bis obenhin voll Stroh lag. Mit den knappen Worten: Wenn du all das Stroh bis morgen in der Früh nicht zu Gold versponnen hast, wirst du und dein Vater sterben!, ließ er es allein zurück. Die Tür fiel ins Schloss, der Schlüssel wurde gedreht und das Mädchen ward allein.
Verzweifelt saß es stumm, nicht wissend, wie es vollbringen solle, was ihm aufgetragen wurde. Nicht lange und es begann zu weinen. Weinte bitterlich Stunde um Stunde und als die zwölfte, also Mitternacht gekommen war, hatte Rupert seinen Auftritt.
Was weinst du so herzzerreißend?, fragte er das Mädchen. Dies schrak zusammen und schrie auf, als es die Stimme vernahm und gewahr, dass eine Gestalt urplötzlich neben ihr im Raum verweilte.
Wow wow wow, kein Grund so zu schreien!, versuchte Rupert das Mädchen zu beruhigen, was ihm alsbald auch gelang.
Das Mädchen erzählte ihm, warum es hier und weshalb es so verzweifelt war, worauf Rupert dem Mädchen ein Abkommen vorschlug: Ich werde für dich das Stroh zu Gold spinnen, wenn du mir etwas dafür zu geben hast.

Nun, so steht es geschrieben, gibt das arme wunderschöne Mädchen, Tochter des armen, nicht sonders klugen Vaters, dem unverhofft erschienenen Retter zunächst einen Ring und Tags drauf eine Kette, oder war es anders herum? Wie auch immer.
Blödsinn!, sage ich. Die beiden waren arm! So arm und verzweifelt, dass ein Vater sein einzig Kind dem Tod preisgibt für ein Hirngespinst, welches ihn aller Wahrscheinlichkeit nach selbst das Leben kosten wird. Somit besitzt dies Mädchen weder Ring noch Kette und ich im Übrigen nicht die Geduld weiter aufzuschieben, worauf es ohnehin hinauslaufen wird. Rupert ringt dem Mädchen das Versprechen ab, ihm, wenn die Zeit gekommen ist, ihr Erstgeborenes zu überlassen.

Am nächsten Morgen erblickt der König mit vor Freude glänzenden Augen das viele Gold, heiratet das Mädchen und ein Jahr darauf gebar sie ihm ein Töchterlein. Und schon war Rupert zur Stelle. Gib mir, forderte er, was du mir versprochen hast. Wieder weinte das Mädchen steinerweichend und bot Rupert allen Reichtum an, den es besaß, würde er ihr nur das Töchterlein lassen.
Nun, so müsst ihr wissen, war Rupert kein schöner Mann. Klein und krumm gewachsen war er sicher nicht der, den sich eine Königin wünschte. Doch tief in ihm schlummerte ein gutes Herz, daher schlug er ihr erneut ein Abkommen vor.
Geschrieben steht, sollte sie bin dreier Tage seinen Namen erraten, würde er sie freigeben, was ihr letztlich ja auch gelang, worauf er von Zorn ergriffen sich selbst zerriss und oder in den Boden stampfte. Nun aber frage ich, warum sollte ausgerechnet ihm jenes unschöne Schicksal widerfahren?; wobei andere dies weit mehr verdient hätten.
Dem Vater, der von der Vermählung seiner Tochter an ein gutes Auskommen gehabt hatte, sei verziehen; Einfältigkeit ist selten mutwillig.
Das opulente Mahl hingegen, das der König am Abend dieses Tages zu sich nehmen wollte, sollte ihm wenig bekommen. Die Krämpfe, die er erlitt ehe er der Vergiftung erlag, waren ein mildes Maß an Strafe, bedachte man die Gier, die ihn zeitlebens angetrieben hatte.

Und wenn sie nicht gestorben sind, leben Rupert, das schöne Mädchen und das Töchterlein …
… na ihr wisst schon.
 
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