sakrileg

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anbas

Mitglied
sakrileg

sie metzelten
im namen der christlichen religion
vor jahrhunderten auf dem weg nach jerusalem
missionierten
mit mord und totschlag
schlachteten
bis vor jahren noch
in belfast und den ländern des balkans

fanatische scharfmacher
säten angst und schrecken
hetzten willige menschen aufeinander

heute wetzen sie die messer
zum schutze dieser hasskultur

und ich beginne eine heimat zu suchen
in fremden gesichtern
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Andreas,

vorweg:
das funktioniert für mich auf der lyrischen Ebene leider gar nicht.

sakrileg

sie metzelten
im namen der christlichen religion
vor jahrhunderten auf dem weg nach jerusalem
missionierten
mit mord und totschlag
schlachteten
bis vor jahren noch
in belfast und den ländern des balkans

fanatische scharfmacher
säten angst und schrecken
hetzten willige menschen aufeinander

heute wetzen sie die messer
zum schutze dieser hasskultur

und ich beginne eine heimat zu suchen
in fremden gesichtern

ich frage mich jetzt nicht nach der Thematik, sie ist wie sovieles komplex, aber hat wohl lyrische Zugänge, die ich selbst allerdings noch nicht gefunden habe.

Aber im Detail:
ich empfinde die gesamte erste und zweite Strophe als redundant, eine sprachlich sehr wertende, explizite Ausführung der Greueltaten unter dem Banner des Kreuzes , ja, ein Potpurri der letzten zweitausend Jahre, ich empfinde das als ermüdend, und was noch schlimmer ist immer wieder moralisierend, als ob nicht der Leser weiß wasein Verbrechen ist!
Ja er weiß worauf du hinaus willst nach:

"sie metzelten
im namen der christlichen religion"

Danach und das macht fast das ganze Gedicht aus ensteht bei mir kein Mehrwert, da kommt bei mir nichts ins Grübeln, und natürlich nicke ich jede Zeile ob ihrer Richtigkeit ab.

Allein hier:
"und ich beginne eine heimat zu suchen
in fremden gesichtern"

Das ist lyrisch, da keimt aus den Worten eine Transzendenz. Sie ist nicht aufdringlich, sie will verstanden werden.
da würde mich interessieren, welche Gesichter du schaust, was sie verbergen, was sie offenbaren.

Vielleicht (ich spekuliere jetzt) waren diese zwei kleinen gelungenen zeilen ja am Anfang deiner Überlegungen zu diesem Gedicht da.

Mir scheint du hast den "richtigen " Rest dazu noch nicht gefunden.

Off Topic:
gehört jetzt nicht konkret hierhin( weil es nicht dieses Gedicht meint, sondern die Thematik)

Es betrifft die Frage, die ich mir oft stelle:

Von wo aus, bezogen auf die Gesellschaft in der der Künstler lebt, entstehen Gedichte. Ich frage des , weil der "Ort" den Blickwinkel auf Gesellschfaftsprozesse prägt.

ich sehe mich gut am Rande der Gesellschaft aufgehoben, nicht in ihrer Mitte, die Mitte ist laut, sie ist aktuelles Zeitgeschehen, sie antwortet zu schnell und ihre Antworten sind mir zu eindeutig.


Betrachte ich zum Beispiel seht langsam und "rückblickend" wie es ja dein Gedicht auch tut, die Tatsache von Gewaltausübung im Namen der monotheistischen Religionen, komme ich zu dem Fazit das die Gewalt an sich rein phänomenologisch ist.
Sie war schon immer da,sie sucht sich ein Gewand und tritt auf, sie mordet, sie vergewaltigt, erobert...

Nichts davon ist an seiner Oberfläche für mich lyrischer Natur. Es ist eine Widerkehr des immer Gleichen. Es lässt mich auf der künstlerischen Seite kalt, weil es so für mich nicht fassbar wird.

Und dann bin ich wieder bei deinem "kleinen" Gedanken, dem letzten Vers deines Stückes, da tritt estwas auf von dem ich mich führen lassen würde:
das lyrische ich, hier kommt Empfindsamkeit und ein Blick auf, der das Große, das Wogende, das ewige Hin und Her, anhält, es einfängt, es personalisiert, zum Ausdruck bringt, und dadurch erfahrbar macht.


Dir einen lieben Gruß
Ralf
 

anbas

Mitglied
Lieber Ralf,

entschuldige die späte Reaktion - aber seit Monaten geht es bei mir beruflich und privat ziemlich stressig zu, so dass ich nicht immer gleich die Energie dazu habe, auf Kommentare zu antworten.

Ich danke Dir sehr für Deine Ausführungen. Wir hatten das - glaube ich - schon mal, dass politische Texte von mir als zu moralisch und "unlyrisch" empfunden wurden (nicht nur von Dir). Irgendwie kann ich es scheinbar nicht lassen :D.

Jetzt schwanke ich sehr. Mir widerstrebt es zutiefst, diesen Text "in die Tonne zu treten", bin mir aber auch sehr unsicher, ob man ihn - aus rein lyrischer Sicht - noch retten kann (vermutlich nicht).

Es reizt mich aber auch, an den Schlußzeilen zu arbeiten.

Ich werde daher - bis auf Weiteres - diesen Text so stehen lassen, wie er ist, und mich bei Gelegenheit an die Schlusszeilen ranmachen - mal sehen, was da noch entsteht.

Allerdings kann ich auch nicht versprechen, dass dies der letzte Text dieser Art von mir gewesen sein wird ;) - bitte aber, daraus jetzt keine Beratungsresistenz zu schlussfolgern :D.




Hallo Herbert,

vielen Dank auch an Dich für Deine Rückmeldung.

Ja, das könnte ein Ansatz sein.



Liebe Grüße an Euch beide

Andreas
 

anbas

Mitglied
Hallo rogathe, hallo Oliver,

vielen Dank für Eure Rückmeldung - dann werde ich mich wohl bei Gelegenheit an diese Schlusszeilen ranmachen und sehen, was ich daraus noch so entwickeln kann.

Liebe Grüße

Andreas
 

revilo

Mitglied
Erleuchteter, habt Ihr schon an den letzten beiden Zeilen geschmiedet und Euer unbestechlich Lyrik-Schwert geschwungen?
Meister, lasse deine unwürdigen Schüler nicht zu lange darben....

untertänigst revilo.....
 

anbas

Mitglied
Oh Eminenz, Heiligkeit, Eure Frage beschämt mich. Verzeiht, wenn ich mich derzeit eher anderen Projekten zuwende. Doch selbstverständlich werde ich auch diesem Thema immer wieder mal meine Aufmerksamkeit widmen. Sobald ich zu einem Resultat gekommen bin, werde ich Euch davon in Kenntnis setzen.

In tiefer Ehrfurcht

anbas
 
Lieber Andreas,
nunja, wirklich lyrisch klingen jene Zeilen vor den letzten beiden nicht. Dennoch ist mir das Thema sehr wichtig. Daher wünsche ich mir, dass Du noch etwas aus jene Zeilen machen kannst.
Herzliche Grüße
Karl
 

anbas

Mitglied
Lieber Karl,

über Deine Rückmeldung und die Wertung habe ich mich sehr gefreut. Ich bin dabei, den Text zu überarbeiten. Zumindest versuche ich es. Derzeit komme ich - mal wieder - nicht so oft zum Schreiben, wie ich es gerne hätte.

Ich melde mich , wenn ich fertig bin ;).

Liebe Grüße

Andreas
 

anbas

Mitglied
Hallo in die Runde,

ich hab mal was ausprobiert:

sakrileg

sie missionierten
mit folter und mord
zu wahrer gottes furcht

metzelten
im namen jesu
seit kreuzfahrerzeiten
die nächstenliebe nieder

auch die wunden
in Belfast und auf dem Balkan
sind noch lange nicht verheilt

heute wetzen fanatische
scharfmacher ihre messer
zum schutze dieser hasskultur

und ich beginne eine heimat zu suchen
in fremden gesichtern
Besser? Oder nur anders schlecht :D?

Liebe Grüße

Andreas
 

molly

Mitglied
Hi Andreas,

ich bleibe immer an diesem Wort "metzelten" hängen.

Wie wäre das?

sie missionierten
mit folter und mord

seit kreuzfahrerzeiten
die nächstenliebe nieder

auch die wunden
in Belfast und auf dem Balkan
sind noch lange nicht verheilt

heute wetzen fanatische
scharfmacher [blue]die[/blue] messer
zum schutze [blue]ihrer[/blue] hasskultur

und ich beginne eine heimat zu suchen
in fremden gesichtern.

Liebe Grüße

Monika
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
nein

Im Unterschied zu den meisten Kommentatoren kann ich mit der Schlußsentenz nichts anfangen. Das liegt vielleicht daran, daß ich keine Heimat suche, schon gar nicht in irgendjemandes Gesicht.
heute wetzen sie die messer
zum schutze dieser hasskultur
Da der Text bis dahin gegen das Christentum gerichtet ist, dessen Ketzerverfolgungen und Kreuzzüge keiner verzeiht (d.h. auch, daß entsprechende Tiraden ein wenig redundant sind, sie sind nicht gegen irgendeines Stachelschweines Strich gebürstet, conventionalissima), scheint die Behauptung sich gegen die heutigen Christen zu richten.
Das sind zwei Milliarden Menschen.
Unter denen gibt es gewiß einige Fundamentalisten, amerikanische Wiedererweckte und spanische Opusdeisten, die gerne hassen.
Aber selbst unter denen sind Messerwetzer ziemlich selten, es sei denn, sie arbeiten in Solingen am Eßbesteck.

Man könnte diese Sentenz als Kaugummiblase abtun, wenn sie nicht Verszeile eines Gedichtes wäre.

Du spuckst diesen ausgesüßten Kaugummi in ein Gedicht hinein, - und wer soll das auslöffeln?
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo,
ich werfe nur kurz
einebedeutungsebene in den ring die mir zum begriff
"gesicht" in den sinn kommt.

ich denke hier auch an "gesichter haben" oder "gesichte sehen"

also eine form von "visionen"

wegen dieser konnotation gefiel mir auch "fremde gesichter"
lg
ralf
 

Tula

Mitglied
Hallo Andreas

meine gaaaanz ehrliche Meinung ... Ich teile deine Ansicht zum Thema, aber dennoch finde ich, dass die direkte Anklage in der Lyrik selten gut dasteht. Mit anderen Worten: mir fehlt es bei diesem an sprachlicher Überraschung, es liest sich trotz alledem immer noch wie Prosa.

LG
Tula
 

Tula

Mitglied
Nachtrag:

und ich beginne eine heimat zu suchen
in fremden gesichtern.

das finde ich aber immer sehr gut!

Ok, vielleicht jetzt doch ein Versuch:

ihre nächstenliebe
brannte sich durch jahrhunderte

ihre Zeit
heilt keine Wunden

dazu sind die messer
der hasskultur zu scharf

ich beginne eine heimat zu suchen
in fremden gesichtern


LG
Tula
 

anbas

Mitglied
Hallo Ihr Lieben,

auch während meiner "Lupenpause", die ich derzeit eingelegt habe (doch ich scheine mich langsam dem "Pausenende" zu nähern ;)), habe ich mir diesen Text immer mal wieder vorgenommen.

Ihr habt mit Euren kritischen Anmerkungen Recht - und doch mag ich den Text nicht ändern. Vielleicht liegt es daran, dass mir jede Änderung nach einiger Zeit nicht mehr gefällt. Daher lasse ich ihn bis auf Weiteres so stehen, wie er jetzt ist. Möglicherweise flammt ja doch noch eine Idee auf, wie ich ihn weiter bearbeiten kann.

Euch danke ich für Eure Rückmeldungen!

Liebe Grüße

Andreas
 



 
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