Schastel marveile (Sonett)

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  • Ersteller Gelöschtes Mitglied 15780
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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]Schastel marveile


Kammern. Eine für jede der Frauen
Im Zauberschloß. Auch du wohnst dort
Du bist sein Lehrling. Meist ist er fort
Der Meister. Du sollst nach dem Rechten schauen

Hier der Schlüssel. Du gehst deine Runde
Du mußt sie doch trösten, die einsamen Luder
Tränen abtupfen, sie waschen und pudern
Sie betteln um mehr: "Ach nur eine Stunde ..."

Verschwiegen saugen mit nachtschwarzem Licht
Pupillen dich ein: Du stürzt in die Ferne
Des Ernstes - nie erreichst du die Sterne

Und andere patschen dir glatt ins Gesicht
Und lachen dich aus: "Du würdest wohl gerne?
Komm, wirf den Schlüssel in meine Zisterne!"
 

JoteS

Foren-Redakteur
Metrik-Alarm

S1: weibliche Kadenz 10 Silben,männliche Kadenz 8, m9, w11

Das ist gewiss so kein Sonett - es kann so nicht klingen.

Gruß

Jürgen
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
sonst keine Probleme? da kann ich ja froh sein ...

Es ist kein französisches Sonett, wo man die Silben zählt, sondern ein deutsches, wo man die Hebungen zählt.
Dieses Sonett hat die Sonderform von vier Hebungen pro Zeile. Nun gibt es eine Fülle von Varianten, und man mag darüber diskutieren, ob Sonette fünf- und sechhebig sein müssen oder auch mit kürzeren Versen zulässig sind. Auch darüber, ob Daktylen (bzw. Amphibrachyen) mit Iamben (bzw. Trochäen) wechseln dürfen. Auch darüber, ob die Kadenzen ihr Geschlecht wechseln dürfen (oder ob das Wurst ist). Ich meine, sie dürfen, aber ich achte darauf, daß da nicht drei Unbetonte aufeinander folgen oder daß eine Zeile mit Anapäst beginnt.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Nö, sonst keine Probleme,

für mich klingt es nicht (spätestens beim "abTUpfen" haste Dich mit Deinen Hebungen verhoben, überhaupt hast Du vielleicht auf manches geachtet, lagst aber wohl in Deiner Einschätzung der Betonungen eher falsch), und klingen muss ein Sonett. Dieses holpert wie Kopfsteinpflaster, finde jedenfalls ich.

Gruß

Jürgen
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Dein "spätestens" ist ein ziemlich bescheuertes Adverb, weil Du mir keine andere Deiner Verhebungen aufweisen kannst, weder vor dem "abtupfen" (wie Dein "spätestens" voraussetzt) noch danach. Das Schwebende der Präposition-Verb-Verbindungen, die im Deutschen gar nicht so fest gefügt sind und deshalb grammatisch einfach wieder getrennt werden, sobald der Satzbau das erfordert (z.B. bei Fragen), wirkt sich auf deren Betonung aus: Sie schwebt. Ich kann damit leben.

Ich spiele drei Musikinstrumente, habe zahllose Stücke geschrieben, improvisiere grenzenlos auf den Klavier, ich höre immer, immer, ohne Unterbrechung Musik in mir, und gerade erst komme ich aus der zweistündigen Bachchor-Probe (Baß). Ich bestehe aus Musik, das ist meine Substanz, meine Lebensstruktur durch und durch. Erzähl Du mir nichts von der Musikalität meiner Verse, ich weiß selbst, wann ich schroffe Fügungen suche, kurz-abgerissene "unedle" Sätze wie für das Lehrlings-Lyri in diesem Lied hier: bestenfalls trägst Du Eulen nach Athen.
 

Label

Mitglied
Lieber Mondnein

Diskussionen ob ein Gedicht den Anforderungen einer bestimmten Form entspricht oder nicht - solche gab es hier in der LL schon erbitterte. Ich glaube darum wurde auch das Forum feste Formen eingeführt, damit nicht um jedes Gedicht mit Zähnen und Klauen gefochten wird.

mir gefällt dein Gedicht es hat Klang, es fließt, hat Witz und es blitzen Anzüglichkeiten auf - geradeso als firtete es mit dem Leser.
Die Unebenheit bei Luder /pudern stört ein wenig, aber nicht so sehr, dass es den Schmunzeleffekt beeinträchtigt.
Ich glaube gerade weil in deinem Gedicht die Sprache so fließt drückt es sich weich um die ansonsten harten Zäsuren einer festen Form und reißt (in meinem Ohr) kleine Stolperer gleich mit.
Als Analogie fällt mir dazu ein Bach der ungehindert lautlos fließt, oder einer der durch eine Unebenheit aufrauscht, ein.
Ich finde einen rauschenden Bach schöner und einen ungehindert fließenden nützlicher.
Deshalb denke ich, dass dein Gedicht im Gereimten besser aufgehoben wäre - wo die Beurteilung sich nicht hauptsächlich an den Formalien orientiert.

Dir ein lieber Gruß
Label
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Danke, liebe Label, sehr genau, treffend.
Natürlich ist die "Beurteilung" eines Gedichts dem Genuß des Liedes jeweils untergeordnet.
Du hast ein paar von meinen Lieder gesehen, weißt also gewiß, daß die abgerissenen Formulierungen, wie sie in diesem Sonett schon vom ersten "bloßen" Wort an vorkommen, bei mir - vor allem in einem Sonett - völlig untypisch sind, ein kleines Wagnis.
Alle Formen eines Liedes ergeben sich (möglichst) aus dem Lied selbst, es sollte (möglichst) kein Handwerksstück in äußerlicher Erfüllung einer Form sein.
Also spielt ein formbewußtes Lied (möglichst) mit seiner Form, und überaus reizend ist: wenn es geradezu disparat zur Form steht, wie z.B. die technischen Geräusche quer durch die simple Strophe auf schlichtem basso continuo in "Yellow Submarine" - oder (um bei dieser Gedichtform hier zu bleiben) in dem berühmten Sonett von Robert Gernhardt die "unedle" Sprache, die Enjambementes, Anakoluthe und natürlich die frech hingerotzte Verachtung der Form und ihrer Nutzer ("abgefuckte Kacker", tolle Klangfigur!).
Wenn schon feste Form, wenn schon "Sonett", dann auch Spiel mit der Form. Jammereien über die ausufernde Vielfalt der Sonettgestalten (wie ichs erst vor kurzem noch hier in der Lupa las) überlasse ich gerne den (mir zum Verwecheln ähnlichen ...) pseudoklassizistischen Nostalgikern (ohne die gleich als "Warmduscher" zu bespeien, wie das hier bei Kommentatoren der radikalen Bukowski-Fraktion gerade erst zu lesen war).
Wenn Gernhardts berühmtes Sonett (der's übrigens falscherweise "italienisch" nennt, obwohl's die englische Variation ohne Terzette ist) ein Sonett ist, dann ist mein vergleichsweise biederes Schmunzelstück erst recht eines.

Nein, Gereimtes ist erst morgen wieder dran, wenn ich ein Himmelfahrtslied einrücke. Denn ich stelle alle zwei Tage etwas Neues ein, immer von oben nach unten die Foren durchwandernd (und überspringe als Nichtdialektsprecher mit Trans- bzw. Immigrationshintergrund nur die Dialektgedichte), lese aber alle Neueinträge, bewerte aber (mit Punkten) nimmer niemals nichts.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]Schastel marveile


Kammern. Eine für jede der Frauen
Im Zauberschloß. Auch du wohnst dort
Du bist sein Lehrling. Meist ist er fort
Der Meister. Du sollst nach dem Rechten schauen

Hier der Schlüssel. Du gehst deine Runde
Du mußt sie doch trösten, den einsamen Ludern
Die Tränen tupfen, sie waschen und pudern
Sie betteln um mehr: "Ach nur eine Stunde ..."

Verschwiegen saugen mit nachtschwarzem Licht
Pupillen dich ein: Du stürzt in die Ferne
Des Ernstes - nie erreichst du die Sterne

Und andere patschen dir glatt ins Gesicht
Und lachen dich aus: "Du würdest wohl gerne?
Komm, wirf den Schlüssel in meine Zisterne!"
 



 
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