Scheinbar verrückt

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Maribu

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Scheinbar verrückt

"Hallo. Herr Kerkhoff, ich habe manchmal an Sie gedacht." Er blickte auf seinen Bildschirm.
"Sie waren fast ein Jahr nicht mehr hier. Scheinbar ging es Ihnen gut."

"Ja, scheinbar. Ich will aber nicht mehr!"

"Was wollen Sie nicht mehr?"

"Gar nichts!"

"Wollen Sie nicht mehr leben? Dann verschreibe ich Ihnen ein Einweisung in die Psychiatrie!"

"Das hatte ich vermutet. Deswegen laufe ich schon monatelang ohne Maske herum.
Aus jedem Laden schmeißt man mich raus. Es gelingt mir einfach nicht, mich anzustecken!"

"Sie sollten sich schämen! Sie würden anderen , die leben möchten, das Bett auf der
Intensivstation wegnehmen!"

"Ich will doch gar keine Intensivstation!"

"Haben Sie mit Ihrer Frau und Ihren Kindern darüber gesprochen?"

"Wir leben doch getrennt, und Kinder haben wir nicht. Aber wenn man daran stürbe,
würde man betrauert. Ein Verkehrsunfall mit Todesfolge würde Zweifel aufkommen
lassen, und dann würden die Selbstvorwürfe überwiegen. Wenn man überlebte und
im Rollstuhl geschoben würde, schwebte über einem die unausgesprochene Frage:
'Warum hast du uns das angetan?' - Kann man damit weiterleben?"

"Jemand, der so überlegt, will nicht sterben!
Ich verschreibe Ihnen wieder das gleiche
Medikament. Scheinbar hat es Ihren Zustand nicht verschlechtert."
"Scheinbar nicht!"
 



 
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