Schenk mir (Briefwechsel)

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Brief und Siegel

[ 4][ 4]Sie:

Schenk mir Deine Lieder, Deine Farben, Deine Klänge
[ 4]Schenk mir Deine Töne, Deine Freundschaft, Deine Briefe
Gib mir Deine Weite, hilf mir raus aus dieser Enge
[ 4]Gib mir Deine Hand, wirf mich empor in Himmelstiefen!

Zeig mir auch der Sterngewölke schimmernde Spiralen
[ 4]Zeig mir auch die Nacht, in der die Welten sich verlieren
Öffne mir den gläsernen Kristall der Sphärenschalen
[ 4]Öffne Du Dich mir, laß uns die Sonnenfeuer schüren!

[ 4][ 4]Er:

[ 4]Schließ Dich rings um mich, laß uns die Sonnensäfte klären
Schließ Dich rings um mich, Du Glaskristall der Sphärenschalen
[ 4]Birg mich in der Nacht, aus der die Welten sich gebären
Birg mich in der Sonnenblumenmitte der Spiralen!

[ 4]Nimm Du meine Hand, zieh mich hinein in Himmelstiefen
Nimm mich mit Dir mit, nimm wieder mich und immer wieder
[ 4]Schenk ich mich in Tönen, schenk in Freundschaft mich, in Briefen
Schenk ich mich in Klängen, Melodien, Farben, Liedern
 

poetix

Mitglied
Hört sich gut an. Ist das eine bestimmte Form, der du hier folgst? Wenn nicht, halte ich die Anaphern für ein bisschen zu aufdringlich, aber das ist Geschmackssache, vielleicht sogar Absicht von dir.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Form und Inhalt

Ich freue mich, Poetix, daß Du hier hereinschaust und als erster was dazu schreibst. Ein bißchen Angst habe ich schon, daß die Hatz losgeht und der hochfliegende Ton dieses Gedichts verlästert wird. Aber vielleicht versinkt es in der Gnade der leisen Sphärenklänge wie der "Fisch" in meinem Figurengedicht.

Die Form ist selbstgewählt und so streng in ihrer Symmetrie wie z.B. ja auch die "Arabeske" es ist, - hier aber nicht einfach am Reim durchgeführt (wie im siebenmal a, dreimal b, binnenreimender Vers als Symmetrieachse in der Mitte, dann wieder dreimal a, siebenmal b durchgeführten Haufenreim in der "Arabeske"), - sondern hier, in "Brief und Siegel", am Inhalt der jeweiligen Verse:
der letzte entspricht dem ersten (mit gespiegelter Reihe der "Geschenke"), der vorletzte dem zweiten, und damit dann auch die vierte Strophe der ersten und die dritte Strophe der zweiten. Inhaltlich in dieser Spiegelung eine Komplementarität der Verse, z.B.
Zeig mir auch der Sterngewölke schimmernde Spiralen
Zeig mir auch die Nacht, in der die Welten sich verlieren
ist komplementär gegensätzlich zu
Birg mich in der Nacht, aus der die Welten sich gebären
Birg mich in der Sonnenblumenmitte der Spiralen!
Also das hinausgewandte "Zeigen" dem verinnerlichenden "Bergen", das "Sichverlieren" der Welten im Kosmos dem "Geborenwerden" der Welten im Schöpfungsschoß.
Man könnte denken: "Ist ja ein bißchen viel, was die lyrische Sie da vom lyrischen Er verlangt" - aber die erste Zeile ist ein realer Brief gewesen, der hier in den beiden ersten Strophen versifiziert-ausgefaltet und in den zweiten beiden Strophen beantwortet wird. Nein, die lyrische Sie hat nicht zu hoch gegriffen, sondern sich (wörtlich hier zitiert) all das gewünscht, was sie schon längst vom lyrischen Er bekam, soweit ist das in der Wirklichkeit verwurzelt und keineswegs eine überspannte Idealsucht. Die Entwicklung der Beziehung bleibt allerdings verhüllt und geht in die lyrische Gestaltung nicht ein.

Das nur (vielleicht etwas zu ausführlich) zum Verhältnis von Form und Inhalt in diesem Liebeslied.
 

lapismont

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