Schießübung mit Z1 Chapter 4

Wir haben das Schießgebiet erreicht. Die See liegt ruhig. Wir werden auf der Brücke abgelöst, schnell ziehen wir unsere Helme an und tauchen vor Turm „Alpha“ auf. Es muss gesagt werden, dass der „Tolle Anthony“ ein amerikanischer Zerstörer der Fletcherklasse ist, von dem angeblich hunderte gebaut wurden.

Er ist 115 Meter lang, 12 Meter breit und 5,40 tief. 250 Mann Besatzung in Friedenszeiten, 350 Mann während des 2. Weltkrieges, wo er in der Schlacht von Iwo Jima und Okinawa teilnahm und von mehreren Kamikaze angegriffen wurde. Seine Hauptbewaffnung besteht aus 4 Geschützen, besagtem Turm Alpha und natürlich Beta, Charlie und Delta, mit je 12,7 cm Durchmesser. 4 Vierlingsgeschützen auf dem Oberdeck und 6 x 20 mm Einzellafetten. Außerdem 21 Zoll Torpedorohre in 2 Fünfergruppen und 6 Wasserbombenwerfer. Mit 2 x 30.000 PS Dampfturbinen ausgerüstet, erreicht der Zerstörer einer kurzzeitige Höchstgeschwindigkeit von 36,5 Knoten. So steht es in der Beschreibung, die von jedem nachzulesen ist. Er ist natürlich total überaltert und tut eigentlich keiner Fliege mehr ein Leid an.

Im Turm ist es eng und stickig, wir klettern nach unten, da wo die Granaten und Kartuschen gelagert sind. In einer genau geordneten Formation stehen wir unter-, über- und nebeneinander. Jetzt muss jeder Handgriff sitzen. Wichtig ist, es muss im Takt geschossen werden und es darf keine zeitliche Lücke entstehen.
Es dauert noch eine Weile bis das Kommando kommt. Turm Alpha ist das vorderste Geschütz, also eröffnen wir den Reigen. Der erste Schuss kracht und das metallische, laute Geräusch lässt uns zusammenfahren.

Sofort wird es hektisch, wir reichen an unseren Nachbarn in Windeseile die Granaten und Kartuschen nach oben, der nächste Schuss, dann wieder eine kurze Pause wieder ein Schuss und so geht es weiter. Die Luft im Turm steht und man bekommt kaum Sauerstoff. In den Augen brennt irgendeine chemische Verbindung. Von der Feuerleitzentrale bekommen wir das Signal die Schussfrequenz zu erhöhen. Es wird geackert wie verrückt. Immer schneller verlangen die Jungs oben ihren Nachschub, uns werden die Arme lahm, ich stehe in der Mitte des Schachts, der nach unten in die Munitionskammer führt, der Schweiß rinnt mir in die Augen, Flüche werden laut, wenn einer nachzulassen droht.

Schuss auf Schuss kracht, warum haben wir nur so viel Munition an Bord, geht es mir durch den Kopf? Nur entfernt hören wir die anderen Geschütze. Es gilt jetzt einen 12er-Takt zu schießen, alle 5 Sekunden ein Schuss. Das geht doch gar nicht, denke ich bei mir und wuchte die nächste Granate nach oben, der Mann über mir nimmt mir die Granate ab, die dann gleich im Geschützschloss verschwindet. Die Kartusche hinterher, den Verschluss verriegelt und "Kawumm." Uns werden die Arme lahm, ich stehe mit den Füßen breitbeinig im Schacht auf zwei Ringeisen und lehne mich mit dem Rücken gegen die Innenwand des Schachts.

Mit schweißnassen Händen greife ich die nächste Granate, die mir von unten angereicht wird, über mir sehe ich ausgebreitete Arme, die mir die Last abnehmen wollen. Die Granate mit Schwung nach oben gewuchtet, dabei den Blick nach unten gerichtet. Aus dem Dunkel folgt schon das nächste Geschoss und alles beginnt von vorne. Es geht weiter, es will nicht aufhören, aber dann, irgendwann, als keiner mehr so recht daran glaubt, tritt Stille ein. In den Ohren noch immer ein Rauschen und Nachhallen.Die Feuerleitzentrale scheint befriedigt zu sein. So schnell wie es irgend geht, drängt jeder nach draußen an die frische Luft. Wir stellen uns hinter den Turm in Lee auf, in den schweißnassen Gesichtern der Kameraden zeigt sich das erste Lächeln.

Mit zittrigen Händen werden Zigaretten verteilt, die Spannung muss raus und wir hören das stakkatoartige hohe Geräusch der Vierlingsgeschütze die mit Fünfermagazinen bestückt werden und damit natürlich eine viel schnellere Schussfolge erzielen können. Ich schaue zu den Schleppern hinüber, die riesigen Flöße, weit voraus, sehen immer noch intakt aus, lediglich die weißen Planen, die als Segel senkrecht an Latten gesetzt wurden, sind nicht mehr vorhanden. Als die Sonne langsam untergeht und ihr äußerer Kranz in die Oberfläche der Ostsee einzutauchen beginnt, kehren wir nach Kiel zurück.
 

Benn

Mitglied
Gut geschrieben. Flüssig zu lesen. Deine Beschreibung der "Tolle Anthony" lässt Sachverstand erahnen und gibt deiner Geschichte den nötigen Schliff in Glaubwürdigkeit. Du musst mir als Landratte nur erklären, mit wem du im Takt schießen musst. In den Augen brennt der Pulverdampf. Die Worte chemische Verbindung bring mich ins Grübeln und der Lesefluss stockt. Da denke ich an ein Labor und nicht an ein Kriegsschiff. Klasse gemacht. Die Stimmung der Männer hast du lebensnah rübergebracht. Damit hast du dir einen steifen Grog verdient. Ahoi. Gruß Süßwassermatrose.
 
Sorry! Komme erst jetzt dazu eine Antwort zu geben. Auf einem Kriegsschiff gibt die Feuerleitzentrale vor, wer schießt und in welcher Geschwindigkeit.
Vier Geschütze, Alfa, Bravo, Charly und Delta. Vorne zwei und hinten zwei. Auf dem Oberdeck sind die Boforsgeschütze, 40 mm, auch die bekommen den "Takt" vorgegeben. Anfangs vielleicht alle 8 Sekunden ein Schuss. Angefangen bei Turm Alpha, zwei Sekunden später Turm Bravo, dann Charly usw. Später wird der "Takt" erhöht. Dann muss alle fünf Sekunden geschossen werden. Wenn Delta am Heck fertig ist, dann beginnt Alfa vorne auf der Back von Neuem, eine Sekunde später das nächste Geschütz usw.
Der ätzende Geruch, das Kratzen im Hals, das Brennen in den Augen hat mich an eine chemische Verbindung glauben lassen. Was sich da in den Kartuschen an Treibmittel wirklich verbirgt, weiß ich natürlich nicht.
Danke dir für deinen Kommentar.
 



 
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