Schlag licht gewitter - an einem sommer abend

3,00 Stern(e) 1 Stimme

Walther

Mitglied
Schlag licht gewitter
an einem sommer abend

die hüllen fallen in sich zusammen

Und die über blicke töten
keine mauer die behaust keine
decke die wärmt und kein licht
das brennt

Die feuer aber sie brennen

Die pilze wachsen in den himmel
der die ein schläge schickt
und staub auf wirbelt wo ein
leben gewesen ist

Die finger zeigen in die nacht
bis sie sich mit andern treffen
und sich im lärmen vermählen

Der tod greift nach den sternen

Auf dem markt platz der straße
ein wimmernder schatten eine
hand so klein so unscheinbar
will gehalten sein wenn kein
halt ist

Die krieg ist kein guter spiel
kamerad mein kind er lacht sich
ins fäustchen wenn er dich erntet
 
F

Fettauge

Gast
Schlaglichtgewitter

Lieber Walther,

ein Gedicht, das zu lesen sich möglicherweise lohnt. Wäre da nicht - ich muss es wohl nicht sagen, was du anscheinend für den Gipfel des individualistischen Schreibens hältst, dein Spleen, zusammengesetzte Wörter unbedingt trennen zu wollen, ohne dass hierfür ein wie auch immer gearteter Sinn ersichtlich ist. Schade. Das beschädigt nicht nur das Äußere, sondern letztlich auch das Inhaltliche, der Autor macht sich, umgangssprachlich, du wirst verzeihen, selbst zum Klops. Aber wem sage ich das.

Es geht um den Krieg, um den Atomkrieg. Die animalische Angst des Menschen vor dem atomaren Menschenmord, der aktuell möglich sein könnte, wird mit hinreichend Bekanntem ausgesprochen: der Pilz (nicht: die Pilze) wächst in den Himmel, falsch: Kein Licht, das brennt - es brennt ein Licht, und zwar ein so ungeheuer weißes, dass der Hineinschauende erblindet, ehe er verglüht. Ich weiß nicht, ob du schon mal im Fernsehen die Explosion einer Atombombe gesehen hast oder ob du dir die Sache nicht doch ein wenig zu harmlos vorstellst. Zumindest ist die Hölle nach der Explosion perfekt, man hat für sie einfach kein Wort mehr. Und dieses Höllische fehlt mir noch etwas im Gedicht, ein wenig kommt es so gemütlich daher wie ein Sonntagnachmittagsspaziergang, der ärgerlicherweise durch einen betrunkenen Amokläufer versaut wird. Du hast versucht, das "Normale" des kleinstädtischen Lebens dem Infernalischen gegenüberzustellen, was ich ganz in Ordnung finde, aber dem von dir tatsächlich beschriebenen Gegensatz fehlt doch ein wenig der Gegensatz.

Völlig lässt du das politische Umfeld aus. Das solltest du aber benennen, wenn dein Gedicht ernst genommen werden soll. Ohne diese Nennung bleibt das Gedicht im Schwammigen, Unverbindlichen, es erschöpft sich in schön gemeinter Rhetorik.

Ein paar Überlegungen zum Technischen:

Überflüssig meiner Ansicht nach die Zeilen 10-12, wo du versuchst, etwas zu beschreiben, was nicht beschreibbar ist, es bleibt einfach zu unbildlich und damit zu schwach.

Strophe "Auf dem Marktplatz der Straße": Hier würde ich "der Straße" streichen, wo sonst soll der Marktplatz denn sein als auf der Straße.

Dann "die kleine Hand": Erinnert ja sehr an das bekannte Lied von Bettina Wegener, würde ich rigoros streichen.

Die Conclusio drückt noch einmal das ganze Unklare, dieses Nicht-Stellungbeziehen-Wollen der Gedankengänge des Autors aus. Nicht die Kinder spielen mit dem Atomkrieg, Krieg als Spielzeug ist sowieso ein falscher Vergleich, mit einem Panzer oder sogar einer Bombe kann man spielen, man kann aber "Krieg spielen", also hier stimmt sprachlich etwas nicht. Was du ausdrücken willst, leuchtet mir schon ein, aber dann tu es auch.

Wenn ich diesen Text kurz charakterisieren sollte, würde ich sagen: Der Autor hatte eine gute Absicht.

Schöne Grüße, Fettauge
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Walther,

die form des textes ist auch für mich zwar gewöhnungsbedürftig. hier allerding muß ich sagen, passt das ziemlich gut, da die ereignisse von einer art sind, die einem die sprache buchstäblich verschlagen. nurmehr ein stammeln ist möglich.
ich finde den text eindringlich und treffend.

lg
die dohle

p.s.: das einfache, der alltag und der bombenblitz, der türkische dichter Nazim Hikmet bringt das ebenfalls in zusammenhang und erzielt wirkung. das gedicht trägt den titel "Hoffnung"
 

Walther

Mitglied
hi dohle,

der text reflektiert die abendlichen berichte über die aktuellen auseinandersetzungen im nahen osten und der ukraine. politische kommentare und bezüge sind nicht nötig. hier geht es um (un)menschliches verhalten.

in der tat soll das lesen erschwert werden. das ist das grundprinzpg dieses schreibungsstilmittels.

es freut mich, daß der text bei dir ankam. danke dafür!

lg w.
 

poetix

Mitglied
Hallo Walther,
die bürgerkriegsähnlichen Zustände an vielen Orten unserer Erde sind es wohl wert, kommentiert zu werden. Auch wenn es nichts helfen wird.
Das Stilmittel, Komposita zu trennen, halte ich für legitim und ich finde, dass es gut mit deinem Stil harmoniert.

In der letzte Strophe
Die krieg ist kein guter spiel
kamerad mein kind er lacht sich
ins fäustchen wenn er dich erntet
stolpere ich über das "die" bei "die krieg". Selbst wenn ich "krieg" als Verbform zu interpretieren versuche, bekomme ich den Sinn nicht heraus. Könnte es sein, dass du dich verschrieben hast? Mit "der" würde alles Sinn ergeben. Oder ist es ein Kunstgriff? Ich lerne gern dazu.
Viele Grüße
poetix
 

Walther

Mitglied
Schlag licht gewitter
an einem sommer abend

die hüllen fallen in sich zusammen

Und die über blicke töten
keine mauer die behaust keine
decke die wärmt und kein licht
das brennt

Die feuer aber sie brennen

Die pilze wachsen in den himmel
der die ein schläge schickt
und staub auf wirbelt wo ein
leben gewesen ist

Die finger zeigen in die nacht
bis sie sich mit andern treffen
und sich im lärmen vermählen

Der tod greift nach den sternen

Auf dem markt platz der straße
ein wimmernder schatten eine
hand so klein so unscheinbar
will gehalten sein wenn kein
halt ist

Der krieg ist kein guter spiel
kamerad mein kind er lacht sich
ins fäustchen wenn er dich erntet
 

Walther

Mitglied
lieber poetix,

danke für dein aufmerksames lesen. ich habe das schlicht übersehen und schon korrigiert!

lg w.
 



 
Oben Unten