Schleiereule Fiona

Aledi

Mitglied
Schleiereule Fiona

Marie ging in die vierte Klasse. Sie träumte sehr gerne und lag oft in der Wiese, schaute den Wolken nach und erfand kleine Geschichten. Dazu malte sie bunte Bilder.

Sie lebte mit ihren Eltern und der Großmutter in einem Haus auf dem Land. Dort hatten sie eine kleine Landwirtschaft. Der Garten war sehr groß. Darin wuchsen Kartoffel, Gemüse, Obst, Beeren und bunte Blumen. Es gab zwei Schweine, eine Ziege, Hühner, Enten und Kaninchen. Die Mutter war Schneiderin und nähte viel außer Haus. Der Vater arbeitete in einer Fabrik. Kamen sie abends nach Hause, stand die Feldarbeit an. Am Tag versorgte die Großmutter die Tiere und kochte das Essen. Kam Marie aus der Schule, erzählte sie der Oma, was in der Klasse passiert war.

Marie liebte es, viel an der frischen Luft zu sein. Aber heute regnete und stürmte es. Ganz leise schlich sie auf den Dachboden. Dort war es trocken und es gab viele Sachen, mit denen sie spielen konnte. Zuerst öffnete Marie die schwere Eichentruhe mit den alten Kleidern und Hüten. Sie nahm ein rotes Kleid heraus, das mit bunten Perlen bestickt war. Sie zog es über und vor dem Spiegel betrachtete sie sich und rief laut: „Ich bin eine Prinzessin!“. Jetzt fehlten nur noch die Schuhe. Neben der Truhe stand ein Lederkoffer mit Schuhen. Ein Paar hatten es Marie angetan. Es waren rote Pumps mit der goldenen Schleife. Diese wählte sie jedes Mal. Jetzt noch den Strohhut aufsetzen. So stöckelte sie mit den zu großen Pumps vor dem Spiegel hin und her. Sie war so beschäftigt, dass sie die Zeit vergas.
Ein Gewitter zog auf. Aus der Ferne hörte man schon Donnergrollen. Der Regen prasselte aufs Dach. Es wurde dem Mädchen unheimlich. Sie zog das Kleid aus, setzte den Hut ab und zog die Schuhe aus. Alles legte sie zurück in die Truhe. Auf einmal kam ein großer Vogel durch das Eulenloch geflogen und landete auf der alten Standuhr. Es war eine Schleiereule. Diese putzte ihr nasses Gefieder. Marie erschrak und bekam es mit der Angst.
„Huhu! Du musst dich nicht fürchten Marie“, sagte eine dunkle Stimme.
Angstvoll blickte sich das Kind um. Niemand war zu sehen. Wer sprach da mit ihr? Das Mädel hob den Kopf in Richtung Standuhr.
„Hast du mit mir gesprochen?“, kam zaghaft über ihre Lippen.
„Ja, das habe ich. Es können mich nur wenige Menschen verstehen.“
Voller Neugier fragte Marie: „Ja wer denn?“
„Nun, mein Kind, es sind ganz besondere Menschen, so wie du.“
Das Mädchen war beeindruckt. “Das werde ich gleich Mama, Papa und Oma erzählen!“, rief sie.
Sie sprang auf und hüpfte auf die Bodenklappe zu.
„Halt Marie! Wenn du das machst, wirst du mich nicht mehr verstehen. Du musst mir versprechen, dass das unser Geheimnis bleibt.“
Marie hielt inne und kam zurück und setzte sich wieder in den Ohrensessel.
„Schade“, kam traurig über ihre Lippen. „Wie heißt du?“
„Ich heiße Fiona und dieser Dachboden ist mein Zuhause.“
Marie sah hinauf und seufzte: „Ach, liebe Eule, ich bin so traurig. Am liebsten würde ich nicht mehr zur Schule gehen.“
„Das wäre aber sehr dumm von dir. Dort lernst du doch sehr viel.“
„Ja ... dass schon, aber weißt du, ich war vorige Woche mit meiner Freundin Lisa bei einer Schulfreundin. Stell dir mal vor, da gab es ein Zimmer nur mit Büchern. An drei Wänden waren Regale vom Fußboden bis an die Decke voll mit Büchern. Puh, ... sowas habe ich noch nie gesehen.“
Sie dachte jeden Tag an das Zimmer mit den Büchern. Sie rekelte sich im abgewetzten Ohrensessel. Die Eule putze ihr Gefieder und schaute auf das Mädchen.
„Ich habe meine Schulfreundin gefragt, wer alle die Bücher liest. Sie hat gesagt, dass ihre Eltern und ihr Bruder viel lesen.“
Traurig fügte Marie hinzu: „Bis auf meine Schulbücher und der Bibel meiner Oma, gibt es bei uns kein einziges Buch im Haus.“
Die Eule hatte aufmerksam zugehört. „Liebe Marie, Bücher sind teuer. Deine Eltern haben auch keine Zeit zum Lesen. Wenn sie abends nach Hause kommen, steht noch die Feldarbeit an. Danach sind sie müde. Das verstehst du doch. Oder?“
Der Vogel schüttelte die letzten Tropfen aus dem Gefieder und sagte: „Geh in die Dorfbücherei. Sie liegt direkt neben deiner Schule. Dort kannst du dir die Bücher ausleihen, die du gerne lesen möchtest.“
Hell erfreut sprang Marie auf und rief: „Ja, Fiona! Gleich morgen nach der Schule werde ich dort hingehen und mir welche ausleihen!“
Schnell verabschiedete sich Marie von der Schleiereule. Sie flitzte die Treppe hinunter. In der Küche saßen ihre Eltern mit der Oma beim Abendbrot. Mit glühenden Wangen setzte sich Marie dazu. „Hast du deine Schularbeiten gemacht? fragte die Mutter. Marie war nicht bei der Sache. Da das Mädchen immer noch nicht antwortete, hakte der Vater nach: „Marie! Was ist los mit dir? Bist du wieder am Träumen?“
Schüchtern sah sie hoch: „Ja, ich habe meine Schularbeiten gemacht.“
Sie nahm eine Scheibe Brot und belegte es mit ihrer Lieblingswurst und kauend erzählte sie: „Wir haben heute einen Aufsatz geschrieben.“
Sie senkte ihren Kopf und fügte leise hinzu: „Über Bücher.“
Am Tisch wurde es still. Da keiner etwas dazu sagte, plapperte sie übermütig drauflos: „Ich habe geschrieben, dass wir drei hohe Regale voll mit Büchern haben und wir alle ganz viel lesen.“
Noch immer Schweigen am Tisch. Die Oma erklärte Marie, dass die Eltern keine Zeit zum Lesen haben. Die Enkelin neigte ihren Kopf und aß weiter.


Am nächsten Tag, ging Marie direkt nach der Schule, in die Dorfbücherei. Sie musste sich erst einmal orientieren. So viele Bücher auf einmal hatte sie noch nie gesehen. Eine freundliche Frau kam auf sie zu und zeigte ihr, wo die Kinderbücher stehen. Ein Buchtitel fiel ihr sofort ins Auge. „Pippi Langstrumpf“. Sie las ein paar Zeilen darin. Ui, das schien lustig zu sein. Das nahm sie schon mal mit.
Mit dem ausgeliehenen Buch ging Marie, nachdem sie ihre Hausaufgaben gemacht hatte, in ihr Zimmer. Dort las sie in aller Ruhe die ersten Seiten. Immer wieder musste sie lachen. Das Mädchen Pippi gefiel ihr. So ein Leben hätte sie auch gern.
Es war spät am Nachmittag, als Marie auf den Dachboden ging. Wie immer setzte sie sich in den Ohrensessel. Sie ließ ihre Beine baumeln. Es dauerte eine Weile, bis Fiona durchs Eulenloch geflogen kam.
„Huhu Marie! Du bist schon da? Wie geht es dir?“
„Mir geht es gut. Ich muss dir doch meine Neuigkeiten erzählen.“
„Dann schieß mal los“, erwiderte die Schleiereule.
Das Mädel plapperte drauf los: „Heute war ich in der Bücherei. Puh ... da gibt es so viele Bücher. Ich habe mir eins ausgeliehen. Es heißt „Pippi Langstrumpf“. Stelle dir vor, die Pippi lebt mit einem Affen und dem Kleinen Onkel ganz allein in einer Villa.“
Fiona putzte ihr Gefieder und fragte: „Wer ist denn der kleine Onkel?“
„Ein weißes Pferd mit schwarzen Flecken. Stell dir mal vor, es wohnt auf der Veranda des Hauses.“
Die Eule lachte: „Wie schön, mein Kind. Es freut mich, dass du ein Buch liest. Ein kluger Mann hat einmal gesagt: ‚Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne.‘
Wenn du einmal groß bist, wirst du den Satz verstehen.“
„Weißt du was Fiona? Wenn ich groß bin, will ich auch Bücher schreiben.“
„Ah, die kleine Marie möchte Schriftstellerin werden!“, schmunzelte die Eule und putzte ihr Gefieder.
Das Mädchen war ganz aufgedreht und erzählte weiter: „Ja, dann werde ich ganz viel Geld verdienen und in einem Schloss wohnen. Dann müssten meine Mama und Papa nicht mehr arbeiten. Das wäre schön.“
Die Eule lachte und prustete drauf los: „Oha, dann musst du aber eine Menge Bücher verkaufen.“
„Hm ... dann werde ich eben Malerin.“
„Auch das ist nicht leicht.“
Marie wurde nachdenklich: „Aber was ist denn leicht?“
Die Schleiereule überlegte: „Nichts ist leicht. Wenn du wirklich vorhast Geschichten oder sogar einen Roman zu schreiben, musst du erst einmal viel lesen. Damit bist du jetzt angefangen. Es ist ein langer Weg. Wenn du fest an dich glaubst, wirst du es vielleicht schaffen.“ Fiona machte eine Pause und fuhr fort: „Ich bin davon überzeugt, dass du es schaffen wirst.“
„Na gut, ich werde es mir überlegen.“
Sie hüpfte auf die Treppe zu und rief: „Tschüss, Fiona. Bis morgen.“
Kurz vor der Bodentreppe blieb sie stehen und rief der Eule zu: „Fiona, ich muss dir unbedingt noch was erzählen! Gestern mussten wir in der Schule einen Aufsatz über Bücher schreiben. Du glaubst ja nicht, was ich geschrieben habe.“
„Huhu! Erzähl doch mal, was du geschrieben hast.“
"Ich konnte doch nicht schreiben, dass es bei uns nur ein Buch gibt, nämlich die Bibel meiner Oma. Darum habe ich im Aufsatz geschrieben, dass wir über hundert Bücher besitzen. Die Klasse hätte mich ausgelacht, wenn ich die Wahrheit geschrieben hätte.“
„Donnerwetter! rief Fiona. Du hast eine blühende Fantasie. Da bin ich mal gespannt, was du für eine Zensur dafür bekommst.“

Unten in der Küche saß die Großmutter am Tisch und schälte Kartoffeln. Die alte Frau drehte sich um und sagte: „Was ist Marie, du bist so still? Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen? Das kennt man ja gar nicht an dir.“
Marie setzte sich mit an den Tisch. Hier saß sie gern bei ihrer Großmutter. Sie nahm auch ein Messer zur Hand und schälte eine Kartoffel.
„Du warst aber lange auf dem Dachboden“, sagte die Oma.
„Ach Oma, da oben kann man so großartig spielen.“
Die alte Frau lachte. „Ich weiß. Auch ich war als Kind oft da oben.“ Sie machte eine Pause, bevor sie weitersprach: „Dort lernte ich eine Schleiereule kennen.“
Jetzt spitzte Marie die Ohren.
„Weißt du, jetzt kann ich es dir ja erzählen. Dort wohnte eine Eule, die sprechen konnte. Immer wenn ich Kummer hatte, schlich ich mich auf den Dachboden.“Liebevoll legte sie ihre Hand auf die Hand ihrer Enkeltochter. Marie wollte etwas sagen, aber die Großmutter kam ihr zuvor: „Ich war damals ... ich glaube so alt wie du, da war ich oft auf dem Dachboden.“
Aufgeregt fragte Marie: „Erzähl Oma. Hatte die Eule auch einen Namen? Wie ging es weiter?“
„Nun mein Kind, da gibt es nicht viel zu erzählen. An den Namen der Eule kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich bin zu meiner Mutter geflitzt und habe ihr von der sprechenden Eule erzählt.“
Traurig sah sie ihre Enkelin an: „Am nächsten Tag bin ich wieder rauf auf den Dachboden. Die Eule saß wie immer auf dem Schrank, aber ich konnte sie nicht mehr verstehen. Sie putzte ihr Gefieder und sah mich mal nicht mehr an. Ich habe damals bitterlich geweint und sie angefleht, wieder mit mir zu sprechen. Es war zwecklos. Nun ja, ich hatte mein Versprechen nicht gehalten.“
Stille trat ein. Die Großmutter legte den Arm um Marie. Nur sie ahnte, was in ihrer Enkeltochter vorging.
 
Zuletzt bearbeitet:

molly

Mitglied
Hallo Aledi,

die Begegnung Maries mit der Schleiereule gefällt mir. Nur würde ich noch den Anfang und das Ende bearbeiten.
Wenn Du willsts, kann ich Dir den Anfang etwas glätten.

Liebe Grüße
molly
 

Aledi

Mitglied
Guten Tag Molly,

zunächst einmal ein Dankeschön, dass du meine Geschichte gelesen hast.
Mit dem Anfang und dem Ende meiner Geschichte bin ich auch nicht so zufrieden. Deine Hilfe nehme ich gerne an.

Liebe Grüße
aledi
 

molly

Mitglied
Hallo Aledi,

im Moment kann ich Dir nur was zum Anfang schreiben, ich habe einige "war" ersetzt. Nimm nur, was Du auch magst.
Liebe Grüße
molly

Marie ging in die vierte Klasse. (Sie war ein aufgewecktes Kind und bei ihren Mitschülern und Lehrern sehr beliebt. Malen und Schreiben waren ihre Lieblingsfächer.) Sie träumte sehr gerne und lag oft in der Wiese, schaute den Wolken nach und erfand kleine Geschichten. Dazu malte sie bunte Bilder.

Marie lebte mit ihren Eltern und der Großmutter in einem Haus auf dem Land. Dort hatten sie eine kleine Landwirtschaft. Im großen Garten (war sehr groß. Darin) wuchsen Kartoffel, Gemüse, Obst, Beeren und bunte Blumen. Es gab zwei Schweine, eine Ziege, Hühner, Enten und Kaninchen. Die Mutter war Schneiderin und nähte viel außer Haus. Der Vater arbeitete in einer Fabrik. Kamen sie abends nach Hause, stand die Feldarbeit an. Am Tag versorgte die Großmutter die Tiere und kochte das Essen. Kam Marie aus der Schule, (wurde) erzählte sie der Oma alles, was so in der Klasse passiert war.

Marie liebte es, viel an der frischen Luft zu sein. Aber heute regnete und stürmte es. Leise schlich sie auf den Dachboden. Dort war es trocken und es gab viele Sachen, mit denen (man) sie spielen konnte. Zuerst öffnete (sie) Marie die schwere Eichentruhe mit den alten Kleidern und Hüten. Sie (zog) nahm ein rotes Kleid heraus, das mit bunten Perlen bestickt war. Sie zog es über und vor dem Spiegel betrachtete sie sich und rief laut: „Ich bin eine Prinzessin!“. Jetzt fehlten nur noch die Schuhe. Neben der Truhe stand ein Lederkoffer mit Schuhen. Ein Paar hatten es Marie angetan, die roten Pumps mit der goldenen Schleife. (Es waren rote Pumps mit einer goldenen Schleife.) Diese wählte sie jedes Mal.(wurden). Jetzt noch den Strohhut aufsetzen. So stöckelte sie mit den zu großen Pumps vor dem Spiegel hin und her. Sie war so beschäftigt, dass sie die Zeit vergas.
 

Aledi

Mitglied
Guten Tag molly,

ich werde einige Verbesserungen von dir annehmen. Danke für deine Mühe.

Liebe Grüße
aledi
 



 
Oben Unten