manche menschen sehn halt aus
wie eine graue schnecke
sie schleimen und sind lahm, durchaus
dienen sie keinem zwecke!
doch schau dir nur die schnecken an,
was können sie dafür?
sie sind, nicht wie der mensch, arm dran
lass doch das arme tier
gib ihnen lieber ein, zwei drei
salate-blätter-blüten
leg keine schneckenkörner bei
das würde sie sonst töten
ach mensch, im leben wirst du nie
gemächlich sein wie schnecken
die arbeit raubt viel energie;
gestresst wirst du verrecken
(nach Christian Morgensterns Möwenlied)
Hallo Chandrian,
zunächst zu Morgenstern: Ich kann doch noch lesen. Dein Hinweis als Fußnote auf Morgenstern ist doch nicht zu übersehen. Solche Sachen sollte man nicht machen, wenn man weiß, man kommt an den Kerl nicht ran. Und du entschuldigst dich mit "Fingerübung". Vielleicht wäre "Kopfübung" angebrachter?
Und dein Hinweis auf meine drei politkritischen Gedichte darf auch nicht fehlen in deinem Kommentar. Au weia, die schreibt politische Gedichte!
Zu den Schwierigkeiten des Reimgedichts: Du hättest dich entscheiden müssen, ob du Trochäen oder Jamben schreiben willst. Dahin geht meine Kritik.
Abgesehen natürlich von unsauberen Reimen. Wenn du hättest witzig sein wollen, was ich diesem Text aber völlig abspreche, dann hättest du die unsauberen Reime zu sauberen Reimen gemacht, zum Beispiel: Blüten - tüten. Das wäre wenigstens ein bisschen tiefsinnig-witzig im Sinne Morgensterns gewesen. Der Mann war vergnüglich zu lesen, aber er meinte es ernst.
Aber ich gehe mal deine Reimerei durch:
S1V1: Hier reimst du "aus" auf "durchaus". Das ist ein "Reim" auf dasselbe Wortende, und das ist Käse. Zumal "durchaus" durchaus auf beide Silben gesprochen werden können und es dadurch sein kann, dass dieses "aus" unbetont bleibt. Unbedingt vermeiden.
S2V4: Blüten - töten hatten wir schon.
Alle Strophen: Du kannst dich auch nicht dafür entscheiden, ob dein Gedicht in jeder Strophe, also durchgehend, eine männliche oder weibliche
Endung hat. Wenn du also in Strophe 1 im Wechsel männlich - weiblich reimst, dann müssen die folgenden Strophen ebenfalls im Wechsel männlich - weiblich gereimt sein. Das wirst du vielleicht nicht für wesentlich halten, aber ich, und nicht nur ich, bin der Meinung: Wenn schon reimen, dann richtig. Solche Sachen kann sich nur der Spitzenkönner erlauben, man sieht es ihm nach, weiß aber: Stimmt nicht. Aber Spitzenkönner können eben reimen und tun so etwas nur im Ausnahmefall mit bestimmten Absichten.
Zur letzten Strophe: Da kleidest du dich sozialkritisch. Gut ist, dass du nochmal auf den Menschen aus der Einleitung zurückkommst. Da schließt sich der Kreis. Aber, mal so gesagt, dass einer aussieht wie eine graue Schnecke und lahm ist, muss nichts mit dem Malochen zu tun haben. Da hast du was machen wollen, was zumindest für mich so nicht ganz klappt.
Aber zum Aphorismus: Das Thema bietet sich an. Während meine politischen Gedichte mit einem Aphorismus leider nicht abzutun sind.
Das ist meine Kritik.
Lieben Gruß, Hanna