schneegestöber mental

4,10 Stern(e) 8 Bewertungen

Mimi

Mitglied
ich könnte dir heute
unzählige liebesbriefe schreiben
brennende zeilen
triebgesteuerte worte
in denen ich dir mitteilen würde
wie sehr ich mich
nach dir sehne
doch jedes einzelne blatt
bleibt unbeschrieben
blütenrein
ich laufe hinaus in die kälte
fülle meine lunge mit winterluft
mit jedem atemzug
irre ich durch die nacht
wie eine heimatlose

suche
in jedem gesicht
in jedem lächeln
ein stück von dir
 
Zuletzt bearbeitet:

Tula

Mitglied
Hallo Mimi
Ja, manchmal holt uns die Erinnerung ein, und mit ihr die Gefühle von einst.
Eine Frage: passte nach dem 'sehne' nicht doch das Wörtchen 'doch'?
Auch das 'lieber' würde ich streichen, das liest sich so nach freier Wahl. Eigentlich ist es etwas anderes, das uns davon abhält, die Briefe wirklich zu schreiben. Oder?

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 23450

Gast
in denen ich dir mitteilen würde

Wäre nachfolgend nicht der ständige Konjunktiv machbar? Also bliebe ... liefe ... füllte ... usf.

Das Schlussquartett könnte so beginnen:

doch suchte ich
...


Vielleicht ... man muss das Ganze auch klanglich auf sich wirken lassen. Die Häufung konjunktivischer Verben stört vielen, weil sie weniger verdichtet, eher verdickt.
Das 'mentale Schneegestöber' hat allerdings Bildkraft!

Rudi Esche
 

Mimi

Mitglied
Hallo Tula,
Du hast nicht ganz unrecht mit Deinem Kommentar...
Ja, es ist ganz sicher etwas anderes, was uns davon abhält diese Briefe zu schreiben.
Na ja , die eine oder andere Zeile schafft es sogar manchmal aufs Papier... und landet sogleich zerknüllt im Papierkorb ;).
Insofern stimme ich Dir zu und übernehme Deine Vorschläge gerne.
Danke!

Gruß
Mimi
 

Mimi

Mitglied
Hallo Rudi,

in denen ich dir mitteilen würde

Wäre nachfolgend nicht der ständige Konjunktiv machbar? Also bliebe ... liefe ... füllte ... usf.
Nein, das "könnte" und "würde" sind ja im Text irreal, nur mögliche Optionen, deshalb im Konjunktiv...
Die Sätze danach, sind Dinge/Tätigkeiten, die das Lyrische Ich real umsetzt, anstelle des Schreibens von Liebesbriefen.

Danke für Deine Gedanken zu meinem Gedicht.

Gruß
Mimi
 
Hi Mimi,

ein paar Gedanken zu Deinem so sehnsuchtsvollen Gedicht:

1. Der Titel ist sehr stark. Der Einordnung durch die weitere Abkühlung "mental" hätte es m.E nicht mehr bedurft. Die Stärke kommt für mich aus dem Basalen, dem Verletzlichen und der Verwebung der eindrucksvollen Bilder und inneren Stimmungen, dem Spiel mit den Widersprüchlichkeiten, den Begrenztheiten, die das LI beengen. Das Schneegestöber begleitet den Leser sehr gelungen durch den gesamten Text. Der Text hat für mich etwas lawinenhaftes, etwas, das sich verselbstständigt, das mitreißt und spielt gekonnt mit dem Kontext der Kälte und der Hitze (der Triebe). Das "triebgesteuerte Worte" klingt mir in diesem Kontext fast schon zu verurteilend. Ja sie ist getrieben, sie bekennt sich mit allem zu diesem Getriebensein. Nur versagen ihr die Worte.

2. In seiner Rohheit und Unnachgiebigkeit beschreibt er die Naturgewalt, die dem LI GESCHIEHT (!) sehr gut. Hier sind Elementarkräfte am Werk, die überwältigen, verwirren, verirren lassen. Dann die Bilder der Sehnsucht: Überwältigend, präverbal, nicht mehr zu strukturieren. "Ein Stück von Dir" - da sehe ich fast eine verhungernde Pantherin vor mir, die das Objekt (!) ihrer Begierde wenigstens etwas einverleiben will. SO verletzlich und radikal sollte wahre Leidenschaft sein!

3. Chopins Polonaise No 6 "Herioque" passt hier für mich wunderbar: - wir lesen von einer Heldin, die -wie alle großen Helden des Monomythos- in die Winternacht (der Seele) schreitet: Nackt mit nichts als der Wahrheit am bloßen Leib !

mes compliments

Dionysos
 
Zuletzt bearbeitet:

Mimi

Mitglied
Lieber Dionysos,
da hast Du ja ein altes Stück aus den Tiefen der Leselupe ausgegraben ...
Vielen lieben Dank für Deine ausführliche Beschäftigung mit dem Werk.
Ich finde Deine Ausführungen immer wieder interessant und aufschlussreich.


Das "mental" habe ich angefügt, weil es nochmal eine Unterscheidung darstellt zu der Koinzidenz des "schneegestöbers".

Es hat mich jedenfalls sehr gefreut ...

Gruß
Mimi
 



 
Oben Unten