Schön

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sufnus

Mitglied
Schön

Die Schönheit ist ein zähes Gut,
wie Lippenstift am Zigarettenrest
auf dem Asphalt aus Übermut,
halb feuchter Dreck, halb Überlebensfest,

halb (zähl ich recht?) erscheint sie ganz
und ist verletzt bereits, wenn man sie schaut
und ist die menschliche Instanz
schlechthin, auf die doch niemand baut

und färbt wohl jeden bis aufs Blut,
der Indikator Mensch, ein Lackmustest
für alles, was nicht in sich ruht:
Uns luftgeistgleich fast frei sein lässt.
 

Scal

Mitglied
Ich sage jetzt, luftgeistgleich: ganz und gar schön, dieser lyrische Blick bis zum gefärbten Blut.

Lieben Gruß
Scal
 

sufnus

Mitglied
Oh... das freut mich, Scal! :)
Bin froh, dass ich das Gedicht nicht vortragen muss... bei luftgeistgleich braucht man schon eine schwindelfreie Zunge ... die ganze Zeile ist eigentlich phonetisch fordernd (aber ich glaub, man kann es hinbekommen bei gut geölter Sprachmuskulatur). Und heute morgen ist mir endlich das "fast" noch eingefallen, das der Zeile bei diesem Gedicht die ganze Zeit fehlte. :)
LG!
S.
 

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Du entführst uns LeserInnen wieder einmal in deine wunderbar (oder wundersam? Für mich zieht sich da nicht immer die klare Grenze) verschlungenen Wortlianenwälder, sufnus,

und diesmal auch noch mit einem so flüchtigen Gut wie der Schönheit. Kein leichtes Thema, doch du bekommst es hin, die Gewichtigkeit im Gewand der Leichtigkeit zu transportieren und verlangst dem Leser doch einiges ab, was da erarbeitet werden möchte.

Ich gestehe, ich muss mich beim Lesen (ev. noch die Schuld der Restmigräne) schon arg konzentrieren, um deine Aussage im Geflecht derart dingfest zu machen , dass ich sie mit Sicherheit auch in eigenen Worten wiedergeben könnte. Manchmal fände ich da die Wahl kürzerer Poesie-Happen-Einheiten persönlich ja besser (und das schreibe ich, die ich in meiner Gymnasialzeit gefürchtet war für meine Schachtelsätze - wenig liebevoll von meiner Mutter als "Wurstsätze" tituliert). Auch, weil einzelne Bilder und Wortspielereien dann für mich besser nachwirken könnten, anstatt gleich von der nächsten gejagt zu werden. Klar - ein Teil von mir hält ehrfürchtig den Atem an angesichts solcher Konstruktionen...aber der andere geht währenddessen schon wieder ans Suchen nach etwas, an dem ich mich festhalten kann. Ich bin also begeistert und leicht (!) irritiert zugleich, wenn ich ehrlich bin.

Und noch am Rande, weil's mir jetzt keine Ruhe mehr lässt mit jedem neuen Lesen: Hier bleibe ich immer hängen und rätsle mindestens seit dem vierten Lesedurchgang, ob ich es "falsch" lese (im Sinne von anders bezüglich gemeint als es deiner Intention entspricht):

auf dem Asphalt aus Übermut,
Ich lese den Asphalt, der aus Übermut besteht, aber ich vermute, du meinst die aus Übermut dort hin geworfene Schönheit, oder?
Gefallen tut mir beides, kommt aber bei jeweils anderen Enden raus.

Auf jeden Fall gerne gelesen. Sorry...der Beitrag stand schon vorhin nur als erster halber Satz da - ich hab eine neue Tastatur und die Finger wollen da noch nicht immer an die neuen Plätze und sorgen dann für solche Überraschungs-Eier.

Liebe Grüße,
fee
 
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sufnus

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Hi fee!
Einen ganz lieben Dank für Deine ebenso freundlichen wie ausführlichen Gedanken! Mit der Feststellung, dass eine gewisse Neigung zu ins Wuchrige spielenden Wortdickichten mir ganz abzusprechen wohl um Einiges an der Sache vorbei ginge, liegst Du wohl zugegebenermaßen nicht so falsch. ;)
Beim Asphalt hab ich übrigens tatsächlich gemeint, dass dieser aus Übermut bestehe und bin auf die, jetzt , wo ich Deine Analyse lese, viel naheliegendere (wenngleich im vorliegenden Fall grammatisch problematische) Deutung einer übermütigen Kippenwegschnipsung gar nicht gekommen. Vielleicht sollte ich da nochmal über mein Wording nachdenken... jetzt allerdings... mit deutlich reduzierter Mentalkapazität, wird das wohl nix mehr... aber ich nehms mir noch mal vor (nehm ich mir hiermit vor). :)
LG & nochmals Merci! :)
S.
 



 
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