Schokoladenstreusel

4,10 Stern(e) 13 Bewertungen

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Wachwerden war immer das Schlimmste, sie tauchte mühsam an die Oberfläche ihres Bewusstseins, sehnte sich aber danach, in der Schwärze des Schlafes verharren zu können. Beharrlich tröpfelte es in ihr Hirn und in ihr Herz: Irgendetwas stimmte nicht.

Aber heute Morgen hatte sie nicht vergessen, dass die Kinder einen Schulausflug machen sollten, sie musste früher aufstehen, alles herrichten und die beiden rechtzeitig wecken. Sie schwang die Beine aus dem Bett, angelte nach den Pantoffeln und richtete sich auf, den kurzzeitigen Schwindel unterdrückend. Sie hüllte sich im Dunkeln in ihren Bademantel, der griffbereit auf dem Stuhl lag und öffnete und schloss leise die Tür, um ihren Mann nicht zu wecken.

Leise schlich sie an den Kinderzimmern mit den geschlossenen Türen vorbei, die Treppe herunter und betrat die Küche. Der Morgen war noch fahl und sie schauderte in seiner Kühle, als sie die vor der Haustür liegende Zeitung aufhob. Sie überflog die Schlagzeilen und setzte Teewasser auf. Dann ging sie rasch ins Bad, um sich die Zähne zu putzen und das Gesicht zu waschen. Sie cremte es ein und fuhr sich mit der Bürste durch die Haare. Jetzt sah sie schon manierlicher aus. Später, wenn die Kinder weg wären, würde sie sich in Ruhe fertigmachen.

Sie ging in die Küche zurück, holte zwei bunte Becher aus dem Schrank, gab in jeden etwas Honig und einen Teebeutel, goss alles mit kochendem Wasser auf und genoss den Duft der Früchte, der sich augenblicklich verbreitete. Sie nahm zwei zu den Bechern passende Teller, den himmelblauen für Charlotte und den roten für Sabine, und schnitt dicke Scheiben Weißbrot ab. Heute sollte es Schokoladenstreusel geben, die mochten die Kinder doch so gern, die holländischen, die schmeckten am besten. Sie streute sie in Mäandern auf die Brote, vergaß sich dabei und schaute verzückt zu, wie die Streusel langsam die gelbe Butter zudeckten. Später würde sie noch das Proviant für den Tag vorbereiten.

Sie stellte die Teller auf den Tisch, dazu die Becher mit dem inzwischen fertigen Tee und warf die Kaffeemaschine an. Dann ging sie zum Fuß der Treppe und rief: „Charlotte, Sabine! Aufstehen! Heute habt ihr euren Ausflug! Kommt runter, das Frühstück ist schon fertig!“ Alles blieb still. Sie nahm sich eine Tasse Kaffee und las die Titelseite der Zeitung. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Es war so dunkel hier. Vorsichtig zog sie den Rollladen hoch und sah auf den mit Tau bedeckten Rasen des Vorgartens. Es wurde nun langsam hell draußen.

Sie beschloss, nach den Kindern zu sehen. Sie stieg die Treppe herauf, mühsam, ihre Beine erschienen ihr tonnenschwer, und öffnete die erste Tür. Das Zimmer ihrer Tochter Charlotte war ordentlich aufgeräumt. Die Nachttischlampe warf einen warmen Schein und ließ alles im Zimmer erkennen. Auf dem Schreibtisch lagen ein Heft und ein Stift, ein paar Bücher auf einem Stapel daneben. Die Schultasche stand halb unter dem Tisch, ebenso wie die Schuhe. Am Kleiderschrank hing ein Sommerkleid auf einem Bügel, es sah aus wie frisch gewaschen. Ein paar Haargummis hatten sich auf der Fensterbank neben den Holzblumen verirrt. Das Bett war gemacht, die Wäsche mit dem Mond, Charlottes Lieblingsteil, wirkte wie ein fröhlicher Farbtupfer. Die Bücherregale waren voll gestellt, auch mit Nippes, aber alles war sortiert und sauber. Mein ordentliches Mädchen, dachte sie.

Sie ging zu dem nächsten Zimmer und wusste bereits, was sie erwartete: Eine künstlerische Unordnung, die ihrer Tochter Sabine zu eigen war. Zwar war auch hier das Bett ordentlich mit der gleichen Bettwäsche wie bei ihrer Schwester bezogen, aber Decke und Kissen machten den Eindruck, als sei gerade erst jemand dort herausgekrochen. Der Kleiderschrank stand halb offen, sie sah hinein geworfene Wäscheteile, Pullis und Hosen und auf dem Schreibtisch herrschte ein wildes Durcheinander von Stiften, Textmarkern, Heften, Büchern und Figuren aus Überraschungseiern. Die Regale waren gefüllt mit Basteleien und Büchern mit Eselsohren und Flecken. Meine kleine Chaotin, dachte sie zärtlich und löschte die Nachttischlampe, die auch hier gebrannt hatte.

Plötzlich hörte sie hinter sich ein leises Geräusch und zuckte zusammen. Ihr Mann legte ihr behutsam die Hand auf die Schulter. „Was machst du hier? Es ist doch noch fast dunkel!“, fragte er und dreht sie sanft zu sich herum. „Ich musste doch heute früh aufstehen, die Kinder haben einen Ausflug“, antwortete sie leicht unsicher. Hatte sie sich etwa doch im Tag vertan?

Er nahm sie in die Arme und murmelte: „Vera, Vera. Liebe Vera. Die Kinder, sie sind doch....o mein Gott!“, er brach ab und wiegte sie. Vera hörte ihn nicht. Die Kinder würden zu spät kommen. Sie mussten jetzt aufstehen, sonst versäumten sie noch den Bus. Sie löste sich aus seinen Armen und sagte: „Komm, hilf mir, die Kinder zu wecken!“ Er schluckte, wartete ein paar Sekunden und sagte dann mit ruhiger Stimme: „Vera. Hör mir zu. Die Kinder....Charlotte und Sabine....sie sind tot. Schon seit sechs Monaten.“

Sie sah ihn an. „Was sagst du? Nein, hör auf damit, ich muss....“, sie verstummte und starrte auf seinen Haaransatz. Er merkte, dass sie ihn nicht sah. Sie sah durch ihn hindurch, sah etwas, dass er nicht wahrnahm und er seufzte tief, resigniert und hoffnungslos. „Hast du deine Tabletten genommen?“, fragte er. „Ja, ich habe gestern Abend aber nicht alle geschluckt, ich musste doch heute Morgen früh aufstehen, damit die Kinder rechtzeitig zum Ausflug kommen....“ sie schwieg erneut und sah in die dunklen, leeren Kinderzimmer. „Komm, ich bring dich herunter. Wir frühstücken und ich rufe deine Schwester an. Sie wird dir Gesellschaft leisten“, sagte ihr Mann leise. Widerstandslos ließ sie sich in die Küche bringen. Ohne eine Regung aß sie die Brote mit den Streuseln und trank den kalt gewordenen Tee aus den Kinderbechern. Als sie fertig war, pickte sie mit dem Zeigefinger sorgfältig jeden einzelnen Schokoladenstreusel auf. Sie durfte nicht vergessen, beim nächsten Einkauf neue mitzubringen.

Die Mädchen würden sich freuen.
 
U

USch

Gast
Hallo Doc,

Plötzlich hörte sie hinter sich ein leises Geräusch und zuckte zusammen. Ihr Mann legte ihr behutsam die Hand auf die Schulter. „Was machst du hier? Es ist doch noch fast dunkel!“, fragte er und dreht[blue]e[/blue] sie sanft zu sich herum.
Zeit!

„Ja, ich habe gestern Abend aber nicht alle geschluckt, ich musste doch heute Morgen früh aufstehen, damit die Kinder rechtzeitig zum Ausflug kommen....“ [red]sie [/red]schwieg erneut...
Ich würde einen Punkt setzen!
zum Ausflug [blue]kommen....“. Sie schwieg...[/blue]

Komm, ich bring dich herunter.
Ich würde [blue]hinunter [/blue]schreiben, da die Prot´s oben stehen. Weiter oben auch noch mal überprüfen aus welcher Sicht du schreibst. Da war noch so ein Fall.

Eine sehr ernste excellent geschriebene Geschichte.
LG Uwe

P.S. Du bist ja im Akkord durch einige meiner Geschichten gezogen. Danke dir. Allerdings erzeugt das sicher Neid, dass gleich mehrere Geschichten plözlich ganz oben in der Pole-Position stehen. Da haben dann die Anonymen wieder ein Feld zum Bewertungsabkanzeln. Naja, damit muß ich halt leben, hat ja auch was, viel gelesen zu werden.
 
A

Architheutis

Gast
Servus Doc,

Das Wachwerden war immer das Schlimmste, sie tauchte mühsam an die Oberfläche ihres Bewusstseins, sehnte sich aber danach, in der Schwärze des Schlafes verharren zu können. Beharrlich tröpfelte es in ihr Hirn und in ihr Herz: Irgendetwas stimmte nicht.
Selten hier ein besseres Intro gelesen.

Sie streute sie in Mäandern auf die Brote
Es mäandern Flüssigkeiten, keine Schokostreusel. Das passt nicht.

Sie durfte nicht vergessen, beim nächsten Einkauf neue mitzubringen.

Die Mädchen würden sich freuen.
Ein bewegender Text! Man wähnt am Anfang eine desillusionierte Ehefrau und Mutter, vielleicht eine, die trinkt oder Tabletten schluckt. Erst als der Mann auftaucht, wähnt man das Eigentliche, das Arge.

Ich wünsche mir mehr solcher Texte hier. Nicht dieser Thematik, sondern diese Kunst, zu erzählen. Das hast Du hier!

Mir gefällts`, aber bitte lass die Streusel nicht mäandern. ;-)

Lieben Gruß,
Archi
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Wachwerden war immer das Schlimmste, sie tauchte mühsam an die Oberfläche ihres Bewusstseins, sehnte sich aber danach, in der Schwärze des Schlafes verharren zu können. Beharrlich tröpfelte es in ihr Hirn und in ihr Herz: Irgendetwas stimmte nicht.

Aber heute Morgen hatte sie nicht vergessen, dass die Kinder einen Schulausflug machen sollten, sie musste früher aufstehen, alles herrichten und die beiden rechtzeitig wecken. Sie schwang die Beine aus dem Bett, angelte nach den Pantoffeln und richtete sich auf, den kurzzeitigen Schwindel unterdrückend. Sie hüllte sich im Dunkeln in ihren Bademantel, der griffbereit auf dem Stuhl lag und öffnete und schloss leise die Tür, um ihren Mann nicht zu wecken.

Leise schlich sie an den Kinderzimmern mit den geschlossenen Türen vorbei, die Treppe herunter und betrat die Küche. Der Morgen war noch fahl und sie schauderte in seiner Kühle, als sie die vor der Haustür liegende Zeitung aufhob. Sie überflog die Schlagzeilen und setzte Teewasser auf. Dann ging sie rasch ins Bad, um sich die Zähne zu putzen und das Gesicht zu waschen. Sie cremte es ein und fuhr sich mit der Bürste durch die Haare. Jetzt sah sie schon manierlicher aus. Später, wenn die Kinder weg wären, würde sie sich in Ruhe fertigmachen.

Sie ging in die Küche zurück, holte zwei bunte Becher aus dem Schrank, gab in jeden etwas Honig und einen Teebeutel, goss alles mit kochendem Wasser auf und genoss den Duft der Früchte, der sich augenblicklich verbreitete. Sie nahm zwei zu den Bechern passende Teller, den himmelblauen für Charlotte und den roten für Sabine, und schnitt dicke Scheiben Weißbrot ab. Heute sollte es Schokoladenstreusel geben, die mochten die Kinder doch so gern, die holländischen, die schmeckten am besten. Sie streute sie langsam auf die Brote, vergaß sich dabei und schaute verzückt zu, wie die Streusel langsam die gelbe Butter zudeckten. Später würde sie noch das Proviant für den Tag vorbereiten.

Sie stellte die Teller auf den Tisch, dazu die Becher mit dem inzwischen fertigen Tee und warf die Kaffeemaschine an. Dann ging sie zum Fuß der Treppe und rief: „Charlotte, Sabine! Aufstehen! Heute habt ihr euren Ausflug! Kommt runter, das Frühstück ist schon fertig!“ Alles blieb still. Sie nahm sich eine Tasse Kaffee und las die Titelseite der Zeitung. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Es war so dunkel hier. Vorsichtig zog sie den Rollladen hoch und sah auf den mit Tau bedeckten Rasen des Vorgartens. Es wurde nun langsam hell draußen.

Sie beschloss, nach den Kindern zu sehen. Sie stieg die Treppe hinauf, mühsam, ihre Beine erschienen ihr tonnenschwer, und öffnete die erste Tür. Das Zimmer ihrer Tochter Charlotte war ordentlich aufgeräumt. Die Nachttischlampe warf einen warmen Schein und ließ alles im Zimmer erkennen. Auf dem Schreibtisch lagen ein Heft und ein Stift, ein paar Bücher auf einem Stapel daneben. Die Schultasche stand halb unter dem Tisch, ebenso wie die Schuhe. Am Kleiderschrank hing ein Sommerkleid auf einem Bügel, es sah aus wie frisch gewaschen. Ein paar Haargummis hatten sich auf der Fensterbank neben den Holzblumen verirrt. Das Bett war gemacht, die Wäsche mit dem Mond, Charlottes Lieblingsteil, wirkte wie ein fröhlicher Farbtupfer. Die Bücherregale waren voll gestellt, auch mit Nippes, aber alles war sortiert und sauber. Mein ordentliches Mädchen, dachte sie.

Sie ging zu dem nächsten Zimmer und wusste bereits, was sie erwartete: Eine künstlerische Unordnung, die ihrer Tochter Sabine zu eigen war. Zwar war auch hier das Bett ordentlich mit der gleichen Bettwäsche wie bei ihrer Schwester bezogen, aber Decke und Kissen machten den Eindruck, als sei gerade erst jemand dort herausgekrochen. Der Kleiderschrank stand halb offen, sie sah hinein geworfene Wäscheteile, Pullis und Hosen und auf dem Schreibtisch herrschte ein wildes Durcheinander von Stiften, Textmarkern, Heften, Büchern und Figuren aus Überraschungseiern. Die Regale waren gefüllt mit Basteleien und Büchern mit Eselsohren und Flecken. Meine kleine Chaotin, dachte sie zärtlich und löschte die Nachttischlampe, die auch hier gebrannt hatte.

Plötzlich hörte sie hinter sich ein leises Geräusch und zuckte zusammen. Ihr Mann legte ihr behutsam die Hand auf die Schulter. „Was machst du hier? Es ist doch noch fast dunkel!“, fragte er und drehte sie sanft zu sich herum. „Ich musste doch heute früh aufstehen, die Kinder haben einen Ausflug“, antwortete sie leicht unsicher. Hatte sie sich etwa doch im Tag vertan?

Er nahm sie in die Arme und murmelte: „Vera, Vera. Liebe Vera. Die Kinder, sie sind doch....o mein Gott!“, er brach ab und wiegte sie. Vera hörte ihn nicht. Die Kinder würden zu spät kommen. Sie mussten jetzt aufstehen, sonst versäumten sie noch den Bus. Sie löste sich aus seinen Armen und sagte: „Komm, hilf mir, die Kinder zu wecken!“ Er schluckte, wartete ein paar Sekunden und sagte dann mit ruhiger Stimme: „Vera. Hör mir zu. Die Kinder....Charlotte und Sabine....sie sind tot. Schon seit sechs Monaten.“

Sie sah ihn an. „Was sagst du? Nein, hör auf damit, ich muss....“, sie verstummte und starrte auf seinen Haaransatz. Er merkte, dass sie ihn nicht sah. Sie sah durch ihn hindurch, sah etwas, dass er nicht wahrnahm und er seufzte tief, resigniert und hoffnungslos. „Hast du deine Tabletten genommen?“, fragte er. „Ja, ich habe gestern Abend aber nicht alle geschluckt, ich musste doch heute Morgen früh aufstehen, damit die Kinder rechtzeitig zum Ausflug kommen. Sie schwieg erneut und sah in die dunklen, leeren Kinderzimmer. „Komm, ich bring dich hinunter. Wir frühstücken und ich rufe deine Schwester an. Sie wird dir Gesellschaft leisten“, sagte ihr Mann leise. Widerstandslos ließ sie sich in die Küche bringen. Ohne eine Regung aß sie die Brote mit den Streuseln und trank den kalt gewordenen Tee aus den Kinderbechern. Als sie fertig war, pickte sie mit dem Zeigefinger sorgfältig jeden einzelnen Schokoladenstreusel auf. Sie durfte nicht vergessen, beim nächsten Einkauf neue mitzubringen.

Die Mädchen würden sich freuen.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo USch, vielen Dank für das genaue Lesen, habe die Fehler verbessert, der erste war allerdings ein Tippfehler, aber mit großer Wirkung.:(
Freut mich sehr, dass Dir die Geschichte gefallen hat. Ja, gestern habe ich mal bei Dir im Profil gestöbert. Mir war nicht bewusst, dass die Texte dann wieder oben stehen. Das ist mir auch egal, denn es interessiert mich ja eher, einen Text zu lesen und vernünftig zu kommentieren. Die Neider stellen sich selbst in ein schlechtes Licht. Denn worum geht es denn hier?!?

Solche Sachen machen ein Forum kaputt.-

Lieber Archi, auch Dir herzlichen Dank! Ich hatte die Mäander extra eingebaut, aber Du hast recht, das bezieht sich auf Flüssigkeiten. Jetzt rieseln die Streusel nur noch langsam.

Der Anfang ist mir sehr leicht gefallen, aber das Ende habe ich fünf Mal umgeschrieben. So gefiel es mir letztendlich am besten.

Dein Lob spornt mich an, demnächst noch ein Mal einen Text mit erzählendem Inhalt zu veröffentlichen.

Allen ein schönes WE,
lG Doc
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Wachwerden war immer das Schlimmste, sie tauchte mühsam an die Oberfläche ihres Bewusstseins, sehnte sich aber danach, in der Schwärze des Schlafes verharren zu können. Beharrlich tröpfelte es in ihr Hirn und in ihr Herz: Irgendetwas stimmte nicht.

Aber heute Morgen hatte sie nicht vergessen, dass die Kinder einen Schulausflug machen sollten, sie musste früher aufstehen, alles herrichten und die beiden rechtzeitig wecken. Sie schwang die Beine aus dem Bett, angelte nach den Pantoffeln und richtete sich auf, den kurzzeitigen Schwindel unterdrückend. Sie hüllte sich im Dunkeln in ihren Bademantel, der griffbereit auf dem Stuhl lag und öffnete und schloss leise die Tür, um ihren Mann nicht zu wecken.

Leise schlich sie an den Kinderzimmern mit den geschlossenen Türen vorbei, die Treppe herunter und betrat die Küche. Der Morgen war noch fahl und sie schauderte in seiner Kühle, als sie die vor der Haustür liegende Zeitung aufhob. Sie überflog die Schlagzeilen und setzte Teewasser auf. Dann ging sie rasch ins Bad, um sich die Zähne zu putzen und das Gesicht zu waschen. Sie cremte es ein und fuhr sich mit der Bürste durch die Haare. Jetzt sah sie schon manierlicher aus. Später, wenn die Kinder weg wären, würde sie sich in Ruhe fertigmachen.

Sie ging in die Küche zurück, holte zwei bunte Becher aus dem Schrank, gab in jeden etwas Honig und einen Teebeutel, goss alles mit kochendem Wasser auf und genoss den Duft der Früchte, der sich augenblicklich verbreitete. Sie nahm zwei zu den Bechern passende Teller, den himmelblauen für Charlotte und den roten für Sabine, und schnitt dicke Scheiben Weißbrot ab. Heute sollte es Schokoladenstreusel geben, die mochten die Kinder doch so gern, die holländischen, die schmeckten am besten. Sie streute sie langsam auf die Brote, vergaß sich dabei und schaute verzückt zu, wie die Streusel die gelbe Butter zudeckten. Später würde sie noch das Proviant für den Tag vorbereiten.

Sie stellte die Teller auf den Tisch, dazu die Becher mit dem inzwischen fertigen Tee und warf die Kaffeemaschine an. Dann ging sie zum Fuß der Treppe und rief: „Charlotte, Sabine! Aufstehen! Heute habt ihr euren Ausflug! Kommt runter, das Frühstück ist schon fertig!“ Alles blieb still. Sie nahm sich eine Tasse Kaffee und las die Titelseite der Zeitung. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Es war so dunkel hier. Vorsichtig zog sie den Rollladen hoch und sah auf den mit Tau bedeckten Rasen des Vorgartens. Es wurde nun langsam hell draußen.

Sie beschloss, nach den Kindern zu sehen. Sie stieg die Treppe hinauf, mühsam, ihre Beine erschienen ihr tonnenschwer, und öffnete die erste Tür. Das Zimmer ihrer Tochter Charlotte war ordentlich aufgeräumt. Die Nachttischlampe warf einen warmen Schein und ließ alles im Zimmer erkennen. Auf dem Schreibtisch lagen ein Heft und ein Stift, ein paar Bücher auf einem Stapel daneben. Die Schultasche stand halb unter dem Tisch, ebenso wie die Schuhe. Am Kleiderschrank hing ein Sommerkleid auf einem Bügel, es sah aus wie frisch gewaschen. Ein paar Haargummis hatten sich auf der Fensterbank neben den Holzblumen verirrt. Das Bett war gemacht, die Wäsche mit dem Mond, Charlottes Lieblingsteil, wirkte wie ein fröhlicher Farbtupfer. Die Bücherregale waren voll gestellt, auch mit Nippes, aber alles war sortiert und sauber. Mein ordentliches Mädchen, dachte sie.

Sie ging zu dem nächsten Zimmer und wusste bereits, was sie erwartete: Eine künstlerische Unordnung, die ihrer Tochter Sabine zu eigen war. Zwar war auch hier das Bett ordentlich mit der gleichen Bettwäsche wie bei ihrer Schwester bezogen, aber Decke und Kissen machten den Eindruck, als sei gerade erst jemand dort herausgekrochen. Der Kleiderschrank stand halb offen, sie sah hinein geworfene Wäscheteile, Pullis und Hosen und auf dem Schreibtisch herrschte ein wildes Durcheinander von Stiften, Textmarkern, Heften, Büchern und Figuren aus Überraschungseiern. Die Regale waren gefüllt mit Basteleien und Büchern mit Eselsohren und Flecken. Meine kleine Chaotin, dachte sie zärtlich und löschte die Nachttischlampe, die auch hier gebrannt hatte.

Plötzlich hörte sie hinter sich ein leises Geräusch und zuckte zusammen. Ihr Mann legte ihr behutsam die Hand auf die Schulter. „Was machst du hier? Es ist doch noch fast dunkel!“, fragte er und drehte sie sanft zu sich herum. „Ich musste doch heute früh aufstehen, die Kinder haben einen Ausflug“, antwortete sie leicht unsicher. Hatte sie sich etwa doch im Tag vertan?

Er nahm sie in die Arme und murmelte: „Vera, Vera. Liebe Vera. Die Kinder, sie sind doch....o mein Gott!“, er brach ab und wiegte sie. Vera hörte ihn nicht. Die Kinder würden zu spät kommen. Sie mussten jetzt aufstehen, sonst versäumten sie noch den Bus. Sie löste sich aus seinen Armen und sagte: „Komm, hilf mir, die Kinder zu wecken!“ Er schluckte, wartete ein paar Sekunden und sagte dann mit ruhiger Stimme: „Vera. Hör mir zu. Die Kinder....Charlotte und Sabine....sie sind tot. Schon seit sechs Monaten.“

Sie sah ihn an. „Was sagst du? Nein, hör auf damit, ich muss....“, sie verstummte und starrte auf seinen Haaransatz. Er merkte, dass sie ihn nicht sah. Sie sah durch ihn hindurch, sah etwas, dass er nicht wahrnahm und er seufzte tief, resigniert und hoffnungslos. „Hast du deine Tabletten genommen?“, fragte er. „Ja, ich habe gestern Abend aber nicht alle geschluckt, ich musste doch heute Morgen früh aufstehen, damit die Kinder rechtzeitig zum Ausflug kommen. Sie schwieg erneut und sah in die dunklen, leeren Kinderzimmer. „Komm, ich bring dich hinunter. Wir frühstücken und ich rufe deine Schwester an. Sie wird dir Gesellschaft leisten“, sagte ihr Mann leise. Widerstandslos ließ sie sich in die Küche bringen. Ohne eine Regung aß sie die Brote mit den Streuseln und trank den kalt gewordenen Tee aus den Kinderbechern. Als sie fertig war, pickte sie mit dem Zeigefinger sorgfältig jeden einzelnen Schokoladenstreusel auf. Sie durfte nicht vergessen, beim nächsten Einkauf neue mitzubringen.

Die Mädchen würden sich freuen.
 

HelenaSofie

Mitglied
Hallo Doc,

ein guter Text, der mich emotional berührt hat. Ein paar Kleinigkeiten hätte ich anders gemacht. Manche Sätze finde ich etwas sehr lang. Du hast dort sehr viel an Geschehen hineingepackt. Man gerät fast außer Puste beim Lesen. Punkte würden das Ganze etwas verlangsamen und etwas Zeit zum Nachdenken und Vorstellen des Gelesenen mit sich bringen.
So z.B.:
...Schlimmste. Sie tauchte...
...machen sollten. Sie musste früher...
Der Kleiderschrank stand halb offen. Sie sah hinein...

Sie schwang die Beine...
Sie hüllte...
Gleicher Satzanfang. Vielleicht: Im Dunkeln...

"Mein ordentliches Mädchen", dachte sie.
"Meine kleine Chaotin", dachte sie.
Auch bei denken Redezeichen.

Du bist kein Teetrinker, oder? Honig soll (darf) man nicht mit kochendem Wasser aufgießen.
Ich würde dir gerne eine gute Bewertung für die Geschichte geben, aber du hast nichts oder nicht viel davon. Es werden bestimmt zwei Punkte abgezogen.

Ich wünsche dir noch viele gute Geschichten und grüße dich

HelenaSofie
 
S

Steky

Gast
Sie schwieg, sie lag, sing, sie trank: Soll das ein Schreibstil sein? Wenn ja, dann muss ich dir sagen, der Schuss ging ordentlich nach hinten los. Ich überlege schon die ganze Zeit, ob diese nervtötenden Wiederholungen bedacht gemacht wurden. Mir fiel auch sofort am ersten Satz auf, dass da Anstelle des Beistrichs ein Semikolon her müsste. Ich kann das einfach nicht verstehen: Was ist so toll und super an einem flachen Schreibstil - die Einfachheit? Sorry, aber mich hats nicht angesprochen; die guten Bewertungen kann ich nicht nachvollziehen. LG
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Wachwerden war immer das Schlimmste, sie tauchte mühsam an die Oberfläche ihres Bewusstseins, sehnte sich aber danach, in der Schwärze des Schlafes verharren zu können. Beharrlich tröpfelte es in ihr Hirn und in ihr Herz: Irgendetwas stimmte nicht.

Aber heute Morgen hatte sie nicht vergessen, dass die Kinder einen Schulausflug machen sollten. Sie musste früher aufstehen, alles herrichten und die beiden rechtzeitig wecken. Sie schwang die Beine aus dem Bett, angelte nach den Pantoffeln und richtete sich auf, den kurzzeitigen Schwindel unterdrückend. Hüllte sich im Dunkeln in ihren Bademantel, der griffbereit auf dem Stuhl lag und öffnete und schloss leise die Tür, um ihren Mann nicht zu wecken.

Leise schlich sie an den Kinderzimmern mit den geschlossenen Türen vorbei, die Treppe herunter und betrat die Küche. Der Morgen war noch fahl und sie schauderte in seiner Kühle, als sie die vor der Haustür liegende Zeitung aufhob. Sie überflog die Schlagzeilen und setzte Teewasser auf. Dann ging sie rasch ins Bad, um sich die Zähne zu putzen und das Gesicht zu waschen. Sie cremte es ein und fuhr sich mit der Bürste durch die Haare. Jetzt sah sie schon manierlicher aus. Später, wenn die Kinder weg wären, würde sie sich in Ruhe fertigmachen.

Sie ging in die Küche zurück, holte zwei bunte Becher aus dem Schrank. In jeden gab sie etwas Honig und einen Teebeutel, goss alles mit kochendem Wasser auf und genoss den Duft der Früchte, der sich augenblicklich verbreitete. Sie nahm zwei zu den Bechern passende Teller, den himmelblauen für Charlotte und den roten für Sabine, und schnitt dicke Scheiben Weißbrot ab. Heute sollte es Schokoladenstreusel geben, die mochten die Kinder doch so gern, die holländischen, die schmeckten am besten. Sie streute sie langsam auf die Brote, vergaß sich dabei und schaute verzückt zu, wie die Streusel die gelbe Butter zudeckten. Später würde sie noch das Proviant für den Tag vorbereiten.

Sie stellte die Teller auf den Tisch, dazu die Becher mit dem inzwischen fertigen Tee und warf die Kaffeemaschine an. Dann ging sie zum Fuß der Treppe und rief: „Charlotte, Sabine! Aufstehen! Heute habt ihr euren Ausflug! Kommt runter, das Frühstück ist schon fertig!“ Alles blieb still. Sie nahm sich eine Tasse Kaffee und las die Titelseite der Zeitung. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Es war so dunkel hier. Vorsichtig zog sie den Rollladen hoch und sah auf den mit Tau bedeckten Rasen des Vorgartens. Es wurde nun langsam hell draußen.

Sie beschloss, nach den Kindern zu sehen. Sie stieg die Treppe hinauf, mühsam, ihre Beine erschienen ihr tonnenschwer, und öffnete die erste Tür. Das Zimmer ihrer Tochter Charlotte war ordentlich aufgeräumt. Die Nachttischlampe warf einen warmen Schein und ließ alles im Zimmer erkennen. Auf dem Schreibtisch lagen ein Heft und ein Stift, ein paar Bücher auf einem Stapel daneben. Die Schultasche stand halb unter dem Tisch, ebenso wie die Schuhe. Am Kleiderschrank hing ein Sommerkleid auf einem Bügel, es sah aus wie frisch gewaschen. Ein paar Haargummis hatten sich auf der Fensterbank neben den Holzblumen verirrt. Das Bett war gemach. Die Wäsche mit dem Mond, Charlottes Lieblingsteil, wirkte wie ein fröhlicher Farbtupfer. Die Bücherregale waren voll gestellt, auch mit Nippes, aber alles war sortiert und sauber. "Mein ordentliches Mädchen", dachte sie.

Sie ging zu dem nächsten Zimmer und wusste bereits, was sie erwartete: Eine künstlerische Unordnung, die ihrer Tochter Sabine zu eigen war. Zwar war auch hier das Bett ordentlich mit der gleichen Bettwäsche wie bei ihrer Schwester bezogen, aber Decke und Kissen machten den Eindruck, als sei gerade erst jemand dort herausgekrochen. Der Kleiderschrank stand halb offen. Sie sah hinein geworfene Wäscheteile, Pullis und Hosen und auf dem Schreibtisch herrschte ein wildes Durcheinander von Stiften, Textmarkern, Heften, Büchern und Figuren aus Überraschungseiern. Die Regale waren gefüllt mit Basteleien und Büchern mit Eselsohren und Flecken. "Meine kleine Chaotin", dachte sie zärtlich und löschte die Nachttischlampe, die auch hier gebrannt hatte.

Plötzlich hörte sie hinter sich ein leises Geräusch und zuckte zusammen. Ihr Mann legte ihr behutsam die Hand auf die Schulter. „Was machst du hier? Es ist doch noch fast dunkel!“, fragte er und drehte sie sanft zu sich herum. „Ich musste doch heute früh aufstehen, die Kinder haben einen Ausflug“, antwortete sie leicht unsicher. Hatte sie sich etwa doch im Tag vertan?

Er nahm sie in die Arme und murmelte: „Vera, Vera. Liebe Vera. Die Kinder, sie sind doch....o mein Gott!“, er brach ab und wiegte sie. Vera hörte ihn nicht. Die Kinder würden zu spät kommen. Sie mussten jetzt aufstehen, sonst versäumten sie noch den Bus. Sie löste sich aus seinen Armen und sagte: „Komm, hilf mir, die Kinder zu wecken!“ Er schluckte, wartete ein paar Sekunden und sagte dann mit ruhiger Stimme: „Vera. Hör mir zu. Die Kinder....Charlotte und Sabine....sie sind tot. Schon seit sechs Monaten.“

Sie sah ihn an. „Was sagst du? Nein, hör auf damit, ich muss....“, sie verstummte und starrte auf seinen Haaransatz. Er merkte, dass sie ihn nicht sah. Sie sah durch ihn hindurch, sah etwas, dass er nicht wahrnahm und er seufzte tief, resigniert und hoffnungslos. „Hast du deine Tabletten genommen?“, fragte er. „Ja, ich habe gestern Abend aber nicht alle geschluckt, ich musste doch heute Morgen früh aufstehen, damit die Kinder rechtzeitig zum Ausflug kommen. Sie schwieg erneut und sah in die dunklen, leeren Kinderzimmer. „Komm, ich bring dich hinunter. Wir frühstücken und ich rufe deine Schwester an. Sie wird dir Gesellschaft leisten“, sagte ihr Mann leise. Widerstandslos ließ sie sich in die Küche führen. Ohne eine Regung aß sie die Brote mit den Streuseln und trank den kalt gewordenen Tee aus den Kinderbechern. Als sie fertig war, pickte sie mit dem Zeigefinger sorgfältig jeden einzelnen Schokoladenstreusel auf. Sie durfte nicht vergessen, beim nächsten Einkauf neue mitzubringen.

Die Mädchen würden sich freuen.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Helena Sofie, vielen Dank für Deine Anmerkungen, Du hast recht, ich habe einiges anders unterteilt, damit die einzelnen Sätze nicht zu lang werden.
Ich bin tatächlich ein Teetrinker und weiß das mit dem Honig, aber ich mache das immer so. ,-))
Das mit der Bewertung verstehe ich jetzt nicht. Wieso werden mir dann 2 Punkte wieder abgezogen?
Freue mich, dass Dir die Geschichte gefallen hat!


Hallo Steky, Deine Meinung sei Dir gegönnt. Mir ging es in dem Text darum, die Situation einer verwaisten Mutter zu zeigen, die den Tod ihrer Kinder nur duch Verdrängung ertragen kann. M.E. ist mir das gut gelungen.
;-)
Auch durch eine einfache Sprache.

LG an alle, Doc
 
P

Paul Schubert

Gast
Hallo Doc,

Du hast recht, der Text ist Dir wirklich gut gelungen. Stekys Mäkelei Deiner Sprache wegen kann ich nicht nachvollziehen. Die Sprache dürfte die extrem problematische Situation keineswegs noch zu dramatisieren versuchen. Das würde dem Text schaden.

Architheutis überschwengliches Lob des Textanfangs ist mir allerdings ein wenig zu überschwenglich. Der Grund sind die Substantivierungen. Waren die Gestaltung oder haben sie sich nur eingeschlichen? Müsste ich den ersten Absatz überarbeiten, würde ich ihn etwa so schreiben:

›Aufzuwachen war schlimm für sie, sehr schlimm. Noch immer sehnte sie sich danach, in der Dunkelheit ihres Schlafes verharren zu dürfen. Aber sie musste aufwachen. Mühevoll tauchte sie auf in eine unerbittliche Welt. Nach und nach tröpfelte ihre Erinnerung zurück. Doch etwas stimmte nicht.‹

Der »behutsame Aufbau« ist für Dich ein Baumuster für Deine Texte. Ich habe ihn nun schon in mehreren gefunden. Er passte jeweils. Das ist auch hier der Fall. Er passt zu den Situationen, die Du textuell gestaltest. Jedenfalls war das in jenen Geschichten der Fall, die ich bisher gelesen habe.

Gruß

Paul
 

HelenaSofie

Mitglied
Hallo doc,

ich sehe den Ablauf der Geschichte aus Sicht der Mutter, die Beruhigungstabletten genommen hat und regelmäßig nehmen muss, um das Erlebte ertragen zu können. Lange Sätze mit aufgereihten Aktivitäten finde ich deshalb nicht so passend. Daher mein Vorschlag mit Punkte setzen.
Im 2.Abschnitt könntest du noch ändern:
Sie...Sie... (gleicher Satzanfang)
Hüllte sich... (kein richtiger Satzanfang) Im Dunkeln hüllte sie sich...
Im 6.Abschnitt:
Sie...Sie

Die vielen Sie am Beginn der Abschnitte fallen nur auf, weil du eben Abschnitte gemacht hast. In einem durchgängigen Text würden sie nicht auffallen.

Meine durchschnittliche Wertung ist 8.2, der Korrekturwert daher -2, bleiben z.B. bei einer Wertung von 8 nur noch 6 Punkte übrig.

Einen schönen ersten Maiabend wünsche ich dir

HelenaSofie
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Paul, vielen Dank für die positive Beurteilung. Das Baumuster meiner Texte ist so wie Du es beschrieben hast. Allerdings - mein persönlicher Lieblingstext ist "In der Hölle". Hoffentlich schaffe ich nochmal so einen ähnlichen. ;-)

Der Textanfang floss so aus mir heraus und ich mag ihn so, wie er ist. Er ist anders als der übrige Text, korrekt, aber gerade deshalb lasse ich ihn jetzt so.

Hallo Helena, ich überlege mir Deine Vorschläge. Vielleicht könnte ich auch ab und zu mal "Vera" anstatt "sie" schreiben, natürlich erst ab da, nachdem ihr Mann sie so genannt hat. Ein Text ohne Absätze ist zu schwer zu lesen. Das ermüdet.

Vielen Dank auch für die zahlreichen Klicks. ;-)

LG Doc
 
Hm, also irgendwie finde ich das Ende noch nicht so gut gelungen.
Da fällt mir ein ganz alter Witz ein, von Otto, wenn ich mich nicht irre:

..... OOOOh, alle tot?
Und was machst du so den ganzen Tag, du armes Kind?
--- Na, Trecker fahrn!!!

Wenn du so ein Ende hinkriegen würdest, dann wär deine Geschichte nicht ganz so rührselig.
 
Hallo Doc Schneider,
ich bin froh, dass Deine Kurzgeschichte nach oben gespült wurde; sie ist es wert. Ich glaube, Du hast die richtige Sprache für dieses fast nicht artikulierbare Schicksal gefunden.

Zwei Kleinigkeiten sind mir aufgefallen, obwohl der Text schon häufig kommentiert wurde:
Später würde sie noch [red]das[/red] [blue]den[/blue] Proviant für den Tag vorbereiten.
Laut Duden ist Proviant maskulin.

Das Bett war gemach[blue]t[/blue]
.

Liebe Grüße
Bertl
 
Hallo Doc,

ich finde, Du hast das Verlustthema so "verpackt", dass es nicht zu erdrückend ist und auch nicht zu kitschig rüberkommt. Trotzdem - oder gerade deswegen - hat mich die Geschichte berührt.

Herzliche Grüße
Drachenprinzessin
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Wachwerden war immer das Schlimmste, sie tauchte mühsam an die Oberfläche ihres Bewusstseins, sehnte sich aber danach, in der Schwärze des Schlafes verharren zu können. Beharrlich tröpfelte es in ihr Hirn und in ihr Herz: Irgendetwas stimmte nicht.

Aber heute Morgen hatte sie nicht vergessen, dass die Kinder einen Schulausflug machen sollten. Sie musste früher aufstehen, alles herrichten und die beiden rechtzeitig wecken. Sie schwang die Beine aus dem Bett, angelte nach den Pantoffeln und richtete sich auf, den kurzzeitigen Schwindel unterdrückend. Hüllte sich im Dunkeln in ihren Bademantel, der griffbereit auf dem Stuhl lag und öffnete und schloss leise die Tür, um ihren Mann nicht zu wecken.

Leise schlich sie an den Kinderzimmern mit den geschlossenen Türen vorbei, die Treppe herunter und betrat die Küche. Der Morgen war noch fahl und sie schauderte in seiner Kühle, als sie die vor der Haustür liegende Zeitung aufhob. Sie überflog die Schlagzeilen und setzte Teewasser auf. Dann ging sie rasch ins Bad, um sich die Zähne zu putzen und das Gesicht zu waschen. Sie cremte es ein und fuhr sich mit der Bürste durch die Haare. Jetzt sah sie schon manierlicher aus. Später, wenn die Kinder weg wären, würde sie sich in Ruhe fertigmachen.

Sie ging in die Küche zurück, holte zwei bunte Becher aus dem Schrank. In jeden gab sie etwas Honig und einen Teebeutel, goss alles mit kochendem Wasser auf und genoss den Duft der Früchte, der sich augenblicklich verbreitete. Sie nahm zwei zu den Bechern passende Teller, den himmelblauen für Charlotte und den roten für Sabine, und schnitt dicke Scheiben Weißbrot ab. Heute sollte es Schokoladenstreusel geben, die mochten die Kinder doch so gern, die holländischen, die schmeckten am besten. Sie streute sie langsam auf die Brote, vergaß sich dabei und schaute verzückt zu, wie die Streusel die gelbe Butter zudeckten. Später würde sie noch den Proviant für den Tag vorbereiten.

Sie stellte die Teller auf den Tisch, dazu die Becher mit dem inzwischen fertigen Tee und warf die Kaffeemaschine an. Dann ging sie zum Fuß der Treppe und rief: „Charlotte, Sabine! Aufstehen! Heute habt ihr euren Ausflug! Kommt runter, das Frühstück ist schon fertig!“ Alles blieb still. Sie nahm sich eine Tasse Kaffee und las die Titelseite der Zeitung. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Es war so dunkel hier. Vorsichtig zog sie den Rollladen hoch und sah auf den mit Tau bedeckten Rasen des Vorgartens. Es wurde nun langsam hell draußen.

Sie beschloss, nach den Kindern zu sehen. Sie stieg die Treppe hinauf, mühsam, ihre Beine erschienen ihr tonnenschwer, und öffnete die erste Tür. Das Zimmer ihrer Tochter Charlotte war ordentlich aufgeräumt. Die Nachttischlampe warf einen warmen Schein und ließ alles im Zimmer erkennen. Auf dem Schreibtisch lagen ein Heft und ein Stift, ein paar Bücher auf einem Stapel daneben. Die Schultasche stand halb unter dem Tisch, ebenso wie die Schuhe. Am Kleiderschrank hing ein Sommerkleid auf einem Bügel, es sah aus wie frisch gewaschen. Ein paar Haargummis hatten sich auf der Fensterbank neben den Holzblumen verirrt. Das Bett war gemacht. Die Wäsche mit dem Mond, Charlottes Lieblingsteil, wirkte wie ein fröhlicher Farbtupfer. Die Bücherregale waren voll gestellt, auch mit Nippes, aber alles war sortiert und sauber. "Mein ordentliches Mädchen", dachte sie.

Sie ging zu dem nächsten Zimmer und wusste bereits, was sie erwartete: Eine künstlerische Unordnung, die ihrer Tochter Sabine zu eigen war. Zwar war auch hier das Bett ordentlich mit der gleichen Bettwäsche wie bei ihrer Schwester bezogen, aber Decke und Kissen machten den Eindruck, als sei gerade erst jemand dort herausgekrochen. Der Kleiderschrank stand halb offen. Sie sah hinein geworfene Wäscheteile, Pullis und Hosen und auf dem Schreibtisch herrschte ein wildes Durcheinander von Stiften, Textmarkern, Heften, Büchern und Figuren aus Überraschungseiern. Die Regale waren gefüllt mit Basteleien und Büchern mit Eselsohren und Flecken. "Meine kleine Chaotin", dachte sie zärtlich und löschte die Nachttischlampe, die auch hier gebrannt hatte.

Plötzlich hörte sie hinter sich ein leises Geräusch und zuckte zusammen. Ihr Mann legte ihr behutsam die Hand auf die Schulter. „Was machst du hier? Es ist doch noch fast dunkel!“, fragte er und drehte sie sanft zu sich herum. „Ich musste doch heute früh aufstehen, die Kinder haben einen Ausflug“, antwortete sie leicht unsicher. Hatte sie sich etwa doch im Tag vertan?

Er nahm sie in die Arme und murmelte: „Vera, Vera. Liebe Vera. Die Kinder, sie sind doch....o mein Gott!“, er brach ab und wiegte sie. Vera hörte ihn nicht. Die Kinder würden zu spät kommen. Sie mussten jetzt aufstehen, sonst versäumten sie noch den Bus. Sie löste sich aus seinen Armen und sagte: „Komm, hilf mir, die Kinder zu wecken!“ Er schluckte, wartete ein paar Sekunden und sagte dann mit ruhiger Stimme: „Vera. Hör mir zu. Die Kinder....Charlotte und Sabine....sie sind tot. Schon seit sechs Monaten.“

Sie sah ihn an. „Was sagst du? Nein, hör auf damit, ich muss....“, sie verstummte und starrte auf seinen Haaransatz. Er merkte, dass sie ihn nicht sah. Sie sah durch ihn hindurch, sah etwas, dass er nicht wahrnahm und er seufzte tief, resigniert und hoffnungslos. „Hast du deine Tabletten genommen?“, fragte er. „Ja, ich habe gestern Abend aber nicht alle geschluckt, ich musste doch heute Morgen früh aufstehen, damit die Kinder rechtzeitig zum Ausflug kommen. Sie schwieg erneut und sah in die dunklen, leeren Kinderzimmer. „Komm, ich bring dich hinunter. Wir frühstücken und ich rufe deine Schwester an. Sie wird dir Gesellschaft leisten“, sagte ihr Mann leise. Widerstandslos ließ sie sich in die Küche führen. Ohne eine Regung aß sie die Brote mit den Streuseln und trank den kalt gewordenen Tee aus den Kinderbechern. Als sie fertig war, pickte sie mit dem Zeigefinger sorgfältig jeden einzelnen Schokoladenstreusel auf. Sie durfte nicht vergessen, beim nächsten Einkauf neue mitzubringen.

Die Mädchen würden sich freuen.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Bertl und Prinzessin, vielen Dank für die freundlichen Kommentare und die Einschätzung des Textes!
Die Fehler, auch von mir immer übersehen :(, habe ich verbessert.

LG Doc
 

Leovinus

Mitglied
Hallo,
insgesamt gefällt mir der Stil durchaus, auch das "Einfache" finde ich auch okay. Aber eine Stelle - eigentlich die bedeutendste - geht in meinen Augen gar nicht.
[blue]„Vera. Hör mir zu. Die Kinder....Charlotte und Sabine....sie sind tot. Schon seit sechs Monaten.“[/blue] - das ist die absolute Holzhammer-Methode, sowohl im Verhalten des Mannes, aber vor allem innerhalb deiner Geschichte. Das kommt zu früh und viel zu deutlich. Bau die Spannung lieber noch ein ganzes Stück weiter auf und lass am allerbesten den Leser selbst drauf kommen. Je weniger du es konkret aussprechen musst, umso mehr hast du gewonnen, meiner Meinung nach.
 



 
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