Ein altes Haus kann viel erzählen
Ich soll nun abgerissen werden. Ich passe nicht mehr ins Stadtbild. Ph, Stadtbild, so n blödes neumodisches Wort! Berlin bleibt doch Berlin.
Ich gehörte ursprünglich einem Bankier, als er ans Sterben kam, hat er mich seiner Geliebten vererbt. Geliebte is in dem Fall blöd gesagt, weil, die war viel mehr seine Frau als seine Angetraute. Die aber wollte sich partout nicht scheiden lassen. Hat nicht schlecht gestaunt, als ich dann an die andere fiel! War aber auch ne echt gute Frau, die hat nie einen anderen angesehen als nur den Herrn Bankier. Ich fand es gerecht, daß sie mich bekam, für die Ehefrau war noch genug anderes Zeug da.
Apropos Zeug – es gab hier mal eine Frau, die konnte nichts wegwerfen. Die hatte so viel alten Kram, die Wohnung sah aus wie n Museum! Was andere längst weggeschmissen hatten, besaß sie noch. Die Petroleumlampe, bei deren Licht ihre Mutter immer nähte, den Tabaksbeutel ihres Vaters, ihre alten Pappmache-Puppen und was sonst nicht noch alles. War aber immer sauber in ihrer Wohnung, das kann man nich anders sagen.
Und dann war da noch die Frau im Parterre, die duldete nicht, daß die Kinder vor ihrem Fenster spielten. Weil sie nämlich zu allen möglichen und – vor allem – unmöglichen Stunden Männer empfing und dann – Sie wissen schon . . . Aber die Sixtinische Madonna im Korridor an der Wand, mit Ewigem Licht davor.
Hier wohnte auch in einer großen Dreizimmerwohnung eine Familie mit vier Söhnen. Die Bengels haben vielleicht einen Rabatz gemacht! Da war immer was los. Die Eltern taten recht vornehm, immer in hochgeschlossenen Kleidern und mit steifem Benehmen. Aber an den Jungs konnte man sehen, daß da vieles ganz anders war. Als sie ausgezogen waren, konnten die Nachmieter ganz deutlich auf dem Fußboden erkennen, wo welches Möbelstück gestanden hatte. Hinten, in dem großen Eckzimmer, hatten sie das Schlafzimmer eigerichtet, da standen nur der Kleiderschrank, die Ehebetten, zwei Nachttische und die Frisierkommode – in einem Raum von fast 30qm! Das Wohnzimmer war ähnlich karg eingerichtet und die vier Bengels teilten sich einen 10qm großen Raum. Jaja, die feinen Leute!
Danach zog eine ledige Mutter mit drei kleinen Kindern in die Wohnung. Sie schlief im Wohnzimmer auf dem Sofa, teilte die große Stube so ab, daß jedes Kind seinen eigenen Bereich hatte und untervermietete das kleine Zimmer. Clever!
Jaja, genau genommen hat hier schon alles gewohnt, vom Straßenmusikanten bis zum Betriebsteilleiter. Allen hat es hier gut gefallen, und jetzt passe ich nicht mehr ins Stadtbild! Sind schon komische Dinger, die Menschen. Danke fürs Zuhören, Nachbarhaus. Du hast es gut, du bist n Hochhaus. Und ich hab mir immer was auf meine Barockfassade eingebildet.
Ich soll nun abgerissen werden. Ich passe nicht mehr ins Stadtbild. Ph, Stadtbild, so n blödes neumodisches Wort! Berlin bleibt doch Berlin.
Ich gehörte ursprünglich einem Bankier, als er ans Sterben kam, hat er mich seiner Geliebten vererbt. Geliebte is in dem Fall blöd gesagt, weil, die war viel mehr seine Frau als seine Angetraute. Die aber wollte sich partout nicht scheiden lassen. Hat nicht schlecht gestaunt, als ich dann an die andere fiel! War aber auch ne echt gute Frau, die hat nie einen anderen angesehen als nur den Herrn Bankier. Ich fand es gerecht, daß sie mich bekam, für die Ehefrau war noch genug anderes Zeug da.
Apropos Zeug – es gab hier mal eine Frau, die konnte nichts wegwerfen. Die hatte so viel alten Kram, die Wohnung sah aus wie n Museum! Was andere längst weggeschmissen hatten, besaß sie noch. Die Petroleumlampe, bei deren Licht ihre Mutter immer nähte, den Tabaksbeutel ihres Vaters, ihre alten Pappmache-Puppen und was sonst nicht noch alles. War aber immer sauber in ihrer Wohnung, das kann man nich anders sagen.
Und dann war da noch die Frau im Parterre, die duldete nicht, daß die Kinder vor ihrem Fenster spielten. Weil sie nämlich zu allen möglichen und – vor allem – unmöglichen Stunden Männer empfing und dann – Sie wissen schon . . . Aber die Sixtinische Madonna im Korridor an der Wand, mit Ewigem Licht davor.
Hier wohnte auch in einer großen Dreizimmerwohnung eine Familie mit vier Söhnen. Die Bengels haben vielleicht einen Rabatz gemacht! Da war immer was los. Die Eltern taten recht vornehm, immer in hochgeschlossenen Kleidern und mit steifem Benehmen. Aber an den Jungs konnte man sehen, daß da vieles ganz anders war. Als sie ausgezogen waren, konnten die Nachmieter ganz deutlich auf dem Fußboden erkennen, wo welches Möbelstück gestanden hatte. Hinten, in dem großen Eckzimmer, hatten sie das Schlafzimmer eigerichtet, da standen nur der Kleiderschrank, die Ehebetten, zwei Nachttische und die Frisierkommode – in einem Raum von fast 30qm! Das Wohnzimmer war ähnlich karg eingerichtet und die vier Bengels teilten sich einen 10qm großen Raum. Jaja, die feinen Leute!
Danach zog eine ledige Mutter mit drei kleinen Kindern in die Wohnung. Sie schlief im Wohnzimmer auf dem Sofa, teilte die große Stube so ab, daß jedes Kind seinen eigenen Bereich hatte und untervermietete das kleine Zimmer. Clever!
Jaja, genau genommen hat hier schon alles gewohnt, vom Straßenmusikanten bis zum Betriebsteilleiter. Allen hat es hier gut gefallen, und jetzt passe ich nicht mehr ins Stadtbild! Sind schon komische Dinger, die Menschen. Danke fürs Zuhören, Nachbarhaus. Du hast es gut, du bist n Hochhaus. Und ich hab mir immer was auf meine Barockfassade eingebildet.