Schreibaufgabe - Edna beruhigt sich

Flitzi

Mitglied
Edna beruhigt sich!

Wutentbrannt schleuderte Edna einen abfälligen Blick in Richtung Fernseher. Eine frohlockende blonde, bestimmt Kleidergröße 34 tragende Fernsehmoderatorin berichtete mit ernster Mine. Edna wunderte sich, dass dieses Objekt der Begierde überhaupt lesen konnte.
„Im Anschluss an die Nachrichten folgt eine Sondersendung über den Ätna ...“

Wie interessant, dachte sie abwertend. Bei uns zu Hause bricht auch bald etwas aus. Wütend beobachtete Edna ihren Mann, wie er von der anmutigen Schönheit auf der Mattscheibe hypnotisiert in seinem Fernsehsessel breitbeinig mit einer Pulle Bier bewaffnet hing. Er schien alles rund um ihn vergessen zu haben. Sein ganzes Interesse war einem eventuell bevorstehenden Vulkanausbruch tausende Kilometer weit von ihnen entfernt gewidmet, einer Lappalie im Gegensatz zu dem drohenden Chaos, dass sich in den heimischen vier Wänden anbahnte. Ein Vulkanausbruch war nichts dagegen.

Edna konnte es einfach nicht fassen, dass ihr Göttergatte mit einer an Dreistigkeit grenzenden Ruhe die Nachrichten verfolgte, während seine Kinder die kleine, für sie fast winzige 3-Zimmerwohnung mit wachsendem Enthusiasmus vernichteten.

Einmal im Monat ging Edna mit ihrer Freundin Sonia aus, um dem alltäglichen Wahnsinn von vollgeschissenen Windeln und schokobeklecksten Schulheften zu entfliehen. War es da wirklich zu viel von dem Erzeuger der Plagegeister verlangt, einen einzigen Abend dafür zu sorgen, dass die Kinder pünktlich gestriegelt und gesättigt ins Bett fielen? Das Durcheinander betrachtend bejahte Edma innerlich ihre eben gestellte Frage.

Sie war mehr als fassungslos. Jonas, der erstgeborene Lauselümmel, zog seine kleine Schwester Marie auf dem Wohnzimmerteppich ohne Rücksicht auf Verluste quer durch die enge Wohnung. Und das zu dieser unchristlichen Zeit, zu der das Sandmännchen schon lange bei seiner eigenen Frau im Bettchen lag.

Omas hässlichgrüne Porzellanvase hatte bei dem Streifzug der beiden als erstes dran glauben müssen, was Edna fast noch ein Lächeln auf ihr zerknaustes Gesicht zauberte. Dieses grässlich scheußliche Erbstück war ihr seit dem Einzug ein Dorn im Auge gewesen, ganz im Gegenteil zu den getrockneten roten Rosen, die mit ihrer ganzen Schönheit die Hässlichkeit der Vase zu verdecken versuchten. Die Erinnerungsstücke an glückliche Zeiten zwischen ihr und ihrem Mann verteilten sich in atomteilchengroßen Stücken auf dem Korridor vom Wohnzimmer zum Kinderzimmer. Hinüber, kaputt.
Edna, die sich noch nicht in der Lage befand, ihren glotzenden Gatten anzusprechen, eilte schnell in die übrigen Räume, um zu sehen, was sonst noch passiert war.

Der komische Geruch aus der Küche, der sie an überkochende Milch erinnerte, hatte sie bereits beim Tür auf schließen alarmiert. Als sie stürmisch in die Küche eilte, sah sie die weiteren Ausmaße des Unglücks. Schwarz stinkend perlten einige letzte Milchtropfen, die sich noch im Topf auf dem Herd befanden, denselbigen hinunter. Der Rest war schon vor längerer Zeit übergelaufen, verkocht, verkohlt.

Der noch am Nachmittag frisch gewischte ehemals hellbeige Küchenboden ähnelte einer Kohlemine. Die Schränke standen sperrangelweit auf und sämtlicher Inhalt lag auf dem schwarzen Fußboden verteilt.

Die übrigen Zimmer kontrollierend, entdeckte Edna abgewickelte Klorollen, die teilweise liebevoll in der Badewanne eingelegt waren und teilweise das WC verstopften, weit aufgedrehte Heizkörper, dessen Hitze mit aufgerissenen Fenstern bekämpf t wurden, das Telefon, welches sicherlich schon stundenlang mit einer kostenpflichtigen Computerhotline verbunden war und ihre noch kurz vor dem Ausgehen bearbeitete Bügelwäsche, die sich nun zerknittert in sämtlichen Ecken der Wohnung wiederfand.

Edna holte tief Luft, packte souverän ihre kleinen Wühlmäuse ins Bett und machte sich anschließend auf den Weg zurück ins Wohnzimmer.
Sie öffnete die Tür und sah, dass Manfred immer noch wie eine Wachsfigur ohne jegliche Regung in seinem geliebten durchgesessenen Kordsessel verharrte.

Hatte er überhaupt gemerkt, dass sie schon nach Hause gekommen war? Normalerweise war Edna immer eine ruhige, gelassene Hausfrau gewesen, mit einem unheimlich dicken Fell, welches sie bei Manfred dringend benötigte. Niemals wagte sie, ihm an seinem Feierabend irgendwelche Vorwürfe zu machen, was er jedes Mal bis ins Kleinste auszunutzen wusste.

Die selbe blonde Sprecherin, die eben noch die Sondersendung angekündigt hatte, moderierte nun eine Reportage aus Sizilien. „Der Ätna beruhigt sich!“ sprach sie wichtigtuend in die Kamera. „Gott sei dank!“ Manfred hatte tatsächlich gesprochen. Nur leider die falschen Worte.

Edna holte nochmals tief Luft. Der Ätna würde vielleicht nicht ausbrechen, dafür aber ganz sicher ein anderer Vulkan und zwar jetzt und hier in Manfreds geliebtem Wohnzimmer!!!
 
S

Sprite

Gast
Nicht schlecht, vielleicht sollten wir
mehr über Edna erfahren. Vielleicht sollte
auch die Spannung die sich da anbahnt noch
mit agressiveren Verben ausgedrückt werden.
Ansonsten großer Beifall.

|_|
Sprite
 

Flitzi

Mitglied
Vielen Dank für die Antwort! Das war mein erster Text den ich geschrieben habe. Ich befinde mich noch in der Probephase, habe echt Spaß am Schreiben, finde es aber nicht immer leicht die richtigen Worte zu finden. Vielen Dank nochmals für die Anregung!
 
S

Sprite

Gast
Ich werde auch gleich meine erste
Story online stellen. Kannst ja mal
reinschauen.

|_|
Sprite
 

Frank Zimmermann

Junior Mitglied
Al Bundy goes literature...

Na ja, ich bin ja eigentlich nicht so der Freund von Klischees, aber in diesem Fall ist es doch gelungen sie zu einer spitzen Satire zusammenzuschrauben.
Allerdings finde ich, daß Edna eine dumme Kuh ist, wenn sie sich von diesem fleischgewordenen Al Bundy so viel gefallen läßt. Da kann man nur hoffen, daß ihr nun anstehender Ausbruch so heftig ist, daß er die Situation nachhaltig verändert.
Schön fand ich, daß ich dank der Geschichte gelernt habe, daß das Sandmännchen auch verheiratet ist...
 



 
Oben Unten