Hochsitz? Eher Omasessel zum Dahindösen.
Hachja... es fällt natürlich schwer, der fein-abstufig ausdifferenzierten Analyse vom Berger noch Erhellendes hinzuzufügen, aber ich versuchs einfach trotzdem mal.
Wir haben hier also, so siehts aus, ein Naturgedicht; allerdings ist es offenkundig eines der desillusionierten Art. Vielleicht lohnt es sich aber der Versuch, das Bauprinzip noch etwas genauer zu fassen.
Häufig wird der Naturlyrik ja vorgeworfen, dass sie naturnaive Schönfärberei betreibt, das böse Wort von der Blümchenlyrik taucht in diesem Zusammenhang auf. Eine andere, schon mindestens bis ins 19. Jh. zurückreichende Form der Naturlyrik, ist der Klagegesang auf die vom Menschen, dieser Umweltpottsau, kaputtgewohnte Natur, ein Lamento auf und über zerstörte ökologische Nischen. Der dritte Angang, ebenfalls in der bürgerlichen Lyrik des 19. Jh. bereits zu Ende perfektioniert, besteht in dem, was Gottfried Benn das "Andichten" nannte. Hier wird die Natur als allegorische Rumpelkammer zwecks sinnfälliger Möblierung menschlicher Daseinsweisen ausgeschlachtet: "So wie da draußen der Herbst sich zeigt, so beginnt auch für Dich, O Mensch, die Zeit des Alterns, ach ach... ".
Wenn man bei Karls Zeilen eine Zuordnung zu Obigem partout erzwingen wollen würde, dann landete man womöglich (jedoch zu kurz gegriffen) beim "Ansingen": Die Natur ist in Karls Zeilen ein ziemlich unbehauster Ort ("Unbehaustheit" ist ja so ein Schlüsselbegriff, man könnte auch sagen Buzzword, moderner Poetiken der 1. Hälfte des 20. Jh.) und diese unheimlich unheimelige Anmutung der Natur als eines lebensfeindlichen (ja geradezu luftleeren!) Raumes spiegelt sich im "Ich", welches ja in Z2 auftaucht.
"Ansingen" war bei Benn ein polemischer Begriff und er hat (allerdings rühmenswerte Ausnahmen von der Regel durchaus geltend lassend) den Ansing-Gestus als möglichen Hinweis auf eine veraltete Poetik gewertet. Jetzt ist aber dieser Vorwurf, dass nämlich die Natur zum bloßen Stichwortgeber für ein gefühliges Ich herabgewürdigt wird, auf Karls Zeilen angewendet nicht wirklich fair. Das Ich taucht bei Karl nur sehr dezent auf, und eigentlich ist das Gedicht das Umkreisen eines Vakuums, es spielt dabei mit der Redewendung "Namen sind Schall und Rauch", ins leicht Groteske des Überschall verfremdet und ohne das Wort "Namen" überhaupt zu benutzen. So sehr hat die Leere sich breit gemacht, dass sogar der Bereich automatischer Sprechver-Satz-Stücke (also der Fundus der vorgefertigten Redensarten wie eben "Namen sind Schall usw.") darüber Auflösungserscheinungen zeigt. Der Rest ist Schweigen könnte man sagen.
Das geht über das bloße "Ansingen" nun doch ein gutes Stück hinaus. Letztlich ist das hier eigentlich gar kein Naturgedicht, es tarnt sich nur listig als solches. Was hier zum Thema des Schreibens wird, ist das Schreiben über das Schreiben, über die (Un-)Möglichkeit, sich mitzuteilen. Der luftleere Raum lässt keine Schallübertragung zu und kein Echo. Es geht ums Alleinsein.
Als Kommentar mag dieser Beitrag von mir sicher ungenügend sein, aber als kleine Ergänzung zur Bergerschen Tiefenbohrung vielleicht doch zu irgendetwas nützlich.
LG!
S.