SilberneDelfine
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Endlich war die Abendschicht in der Küche zu Ende. Wolfgang stürmte hinaus aus dem Restaurant, in dem er als Koch arbeitete, und warf sich geradezu auf sein Motorrad. Herrlich, dieses Gefühl, auf der Kiste dahin zu brausen! Während der Fahrt nach Hause fühlte er sich glücklich. Frei und glücklich. Das Gefühl verließ ihn immer genau in dem Moment, als er auf dem Parkplatz vor seiner Wohnung hielt und absteigen musste. Nein, es verließ ihn nicht nur; es machte einer seltsamen Mutlosigkeit Platz. Jedesmal fürchtete er sich davor, was ihn zuhause erwarten würde. Auf Zehenspitzen schlich er ins Schlafzimmer, um Andrea nicht zu wecken. Wie lange war es her, dass sie übereinder hergefallen waren, wenn er von der Arbeit kam und sie schon im Bett lag, ungeduldig auf ihn wartete, nackt, gierig auf ihn, gierig auf Sex? Ein Jahr, zwei Jahre? Es könnten genauso gut hundert Jahre sein, so lange schien es ihm her. Wann war es, als Andreas seltsame Krankheit Einzug hielt, sich heimlich in ihrer beiden Leben schlich und Andrea, die immer fröhlich gewesen war, in einen stillen, melancholischen Schatten ihrer selbst verwandelte? Seitdem gab es kein Lachen mehr, keine Fröhlichkeit, keine Feiern, keine Gäste. Und keinen Sex.
„Für die Angehörigen kann diese Situation extrem belastend sein", hatte ihm der Arzt damals unter vier Augen gesagt. „Ich will Ihnen nicht verschweigen, dass eine sehr harte Zeit auf Sie beide zukommen wird. Es lässt sich noch nicht sagen, wann die Sache ausgestanden sein wird. Es kann lange dauern."
Wolfgang hatte nicht weiter gefragt, sondern nur genickt. Andrea bekam Medikamente. Sie nahm sie auch regelmäßig, zumindest, soweit Wolfgang das wusste. Er wollte nicht so weit gehen, Andrea zu kontrollieren. Aber wenn selbst der Arzt sagte, es könne lange dauern.... Andreas alte Seele musste sich in ihrem Körper versteckt haben. Und Oberhand gewonnen hatte dieses seltsame Etwas, was nur selten auf normale Weise mit ihm kommunizierte. Wenn Andrea wach war, schwieg sie meist. Wenn sie beim Essen nach dem Salzstreuer verlangte, war Wolfgang schon wie elektrisiert: Sie richtete das Wort an ihn und sie hatte ein Anliegen, dass ihr wichtig war! Auch wenn es selten vorkam. Er war das erste Mal darüber so glücklich gewesen, dass er am nächsten Tag absichtlich das Essen nicht würzte, in der Hoffnung, das Wunder würde sich wiederholen. Was es nicht tat, denn am nächsten Tag verweigerte Andrea das Essen ganz. Und am übernächsten Tag aß sie nur, weil er lange auf sie einredete.
Wolfgangs Arbeit als Koch ermöglichte es ihm, in der langen Mittagspause nach Hause zu fahren und zu kochen, ehe er um 17.00 Uhr wieder zum Dienst erscheinen musste. Früher hatte Andrea sich um den Haushalt gekümmert, auch um das Mittagessen. Jetzt tat sie gar nichts mehr und so gut wie alles blieb an Wolfgang hängen.
„Nicht alle Ehepartner kommen mit einer solchen Situation zurecht", hatte ihm der Arzt gesagt. „Manche gehen einfach, weil sie es nicht mehr ertragen können. Weil sie den Menschen an ihrer Seite nicht mehr erkennen. Weil sie keine Hoffnung mehr haben oder weil sie nicht einsehen, wegen der Krankheit des Lebenspartners das eigene Leben komplett zurückstellen zu müssen."
„Ich werde sie nie verlassen", hatte Wolfgang gedacht.
Er betrachtete Andrea, die tief und fest schlief - vielleicht hatte sie ein Schlafmittel genommen, das tat sie ab und zu - und schlich dann wieder hinaus, um sich im Wohnzimmer vor den Fernseher zu setzen. Jetzt musste er ein paar Stunden abschalten, das war bitter nötig. Aber wieso eigentlich Fernsehen? Ihm war nach etwas anderem. Er griff nach seinem Handy und rief Doris an.
„Hi Schätzchen, wie komme ich zu der Ehre?" erklang ihre Stimme. „Du hast dich ja schon ewig nicht mehr bei mir blicken lassen."
Wolfgang musste schmunzeln. „Weiß dein Chef, wie du mit deinen Kunden redest?" ging er auf ihren frotzelnden Ton ein.
„Mein Chef ist ganz meiner Meinung. Ihm ist auch aufgefallen, dass du dich hier rar gemacht hast. Findet er sehr schade." Dann lachte sie, silberhell, und Wolfgang sah sie vor sich: das blonde Haar, der knallrot geschminkte Mund, der Minirock, ihre schlanken, wunderschön geformten Beine in den schwarzen Strapsen. Unwillkürlich seufzte er auf.
„Kann ich vorbeikommen? Jetzt gleich?"
„Sicher, Schätzchen. Du darfst sogar reinkommen", und dann prusteten sie beide los, konnten gar nicht mehr aufhören zu lachen, bis Doris sagte: „Lach doch nicht so über diesen lächerlichen alten Kalauer" und daraufhin lachten sie noch mehr.
Zwei Stunden später lag Wolfgang befriedigt mit Doris im Bett.
„Es hat sich mal wieder gelohnt mit dir", sagte er.
„Mit mir lohnt es sich immer, Schätzchen. Was macht deine Frau?"
„Frag nicht..... Frag mich nicht...... Blas mir einen."
„Na schön.... Du weißt aber, dass das jetzt nochmal extra kostet?"
„Sicher... egal..... völlig egal. Mach schon!"
Während Doris' Lippen sich um seinen schon wieder harten Schwanz schlossen, dachte Wolfgang daran, wie Andrea das früher gemacht hatte. Er hatte ihren Kopf festgehalten und nicht mehr losgelassen, während sie ihm einen blies. Danach hatte er sie genommen, rücksichtslos, wild und fest zugestoßen, im Bewusstsein, dass sie es genauso wollte und liebte. Was war davon geblieben? Er traute sich nicht mal mehr, sie auch nur zärtlich an der Schulter zu berühren. Aus Angst davor, abgewiesen zu werden, aus Angst vor einer Reaktion, mit der er nicht zurechtkommen würde. Das letzte Mal, als er versucht hatte, zärtlich zu ihr zu sein, hatte Andrea ihn mit einem leeren Blick angesehen, war aus dem Zimmer gegangen und hatte den ganzen Tag kein Wort mehr gesprochen. Die Stimmung war nicht zum Aushalten gewesen. Auch damals hatte er Trost bei Doris gesucht und gefunden.
„Schätzchen, ich habe gleich noch einen Kunden. Der hat schon länger gebucht und will immer mich. Ich kann nicht absagen. Wärst du so lieb.... "
„Klar." Wolfgang sprang aus dem Bett. „Ich muss sowieso nach Hause. Bis demnächst."
Zum zweiten Mal in dieser Nacht schlich er sich ins Schlafzimmer, hoffte, dass er Andrea noch tief schlafend vorfinden würde. Doch dann stand er wie erstarrt vor ihrem Bett: Es war leer.
„Andrea? Andrea, wo bist du?" Panisch vor Angst lief er ins Wohnzimmer. Dort war sie nicht. In der Küche war sie nicht. Sie war in der ganzen Wohnung nicht zu finden. Wolfgang lief nach draußen und sah sich um. Keine Spur von Andrea. Er fuhr mit seinem Motorrad ein paar Straßen ab. Nichts. Schließlich kehrte er wieder um. Sie war immer noch nicht zu Hause. Er rief die Polizei an.
Ein paar Stunden später wurde Andrea von der Polizei aufgegriffen. Sie war nur mit ihrem Nachthemd bekleidet und offenbar völlig verwirrt, hatte den Polizisten nicht sagen können, wie sie hieß und wo sie wohnte. Ohne Wolfgangs Anruf hätten sie wohl nicht gewusst, wo sie sie hinbringen sollten.
Wolfgang schloss sie in die Arme. „Liebling! Ich habe solche Angst gehabt. Mach das nie wieder!"
Andrea sah ihn auf ihre merkwürdige Art an und sagte nichts. Dann drehte sie sich um und ging ins Schlafzimmer.
Und Wolfgang wusste, dass er sich von nun an nur noch schuldig fühlen würde.
„Für die Angehörigen kann diese Situation extrem belastend sein", hatte ihm der Arzt damals unter vier Augen gesagt. „Ich will Ihnen nicht verschweigen, dass eine sehr harte Zeit auf Sie beide zukommen wird. Es lässt sich noch nicht sagen, wann die Sache ausgestanden sein wird. Es kann lange dauern."
Wolfgang hatte nicht weiter gefragt, sondern nur genickt. Andrea bekam Medikamente. Sie nahm sie auch regelmäßig, zumindest, soweit Wolfgang das wusste. Er wollte nicht so weit gehen, Andrea zu kontrollieren. Aber wenn selbst der Arzt sagte, es könne lange dauern.... Andreas alte Seele musste sich in ihrem Körper versteckt haben. Und Oberhand gewonnen hatte dieses seltsame Etwas, was nur selten auf normale Weise mit ihm kommunizierte. Wenn Andrea wach war, schwieg sie meist. Wenn sie beim Essen nach dem Salzstreuer verlangte, war Wolfgang schon wie elektrisiert: Sie richtete das Wort an ihn und sie hatte ein Anliegen, dass ihr wichtig war! Auch wenn es selten vorkam. Er war das erste Mal darüber so glücklich gewesen, dass er am nächsten Tag absichtlich das Essen nicht würzte, in der Hoffnung, das Wunder würde sich wiederholen. Was es nicht tat, denn am nächsten Tag verweigerte Andrea das Essen ganz. Und am übernächsten Tag aß sie nur, weil er lange auf sie einredete.
Wolfgangs Arbeit als Koch ermöglichte es ihm, in der langen Mittagspause nach Hause zu fahren und zu kochen, ehe er um 17.00 Uhr wieder zum Dienst erscheinen musste. Früher hatte Andrea sich um den Haushalt gekümmert, auch um das Mittagessen. Jetzt tat sie gar nichts mehr und so gut wie alles blieb an Wolfgang hängen.
„Nicht alle Ehepartner kommen mit einer solchen Situation zurecht", hatte ihm der Arzt gesagt. „Manche gehen einfach, weil sie es nicht mehr ertragen können. Weil sie den Menschen an ihrer Seite nicht mehr erkennen. Weil sie keine Hoffnung mehr haben oder weil sie nicht einsehen, wegen der Krankheit des Lebenspartners das eigene Leben komplett zurückstellen zu müssen."
„Ich werde sie nie verlassen", hatte Wolfgang gedacht.
Er betrachtete Andrea, die tief und fest schlief - vielleicht hatte sie ein Schlafmittel genommen, das tat sie ab und zu - und schlich dann wieder hinaus, um sich im Wohnzimmer vor den Fernseher zu setzen. Jetzt musste er ein paar Stunden abschalten, das war bitter nötig. Aber wieso eigentlich Fernsehen? Ihm war nach etwas anderem. Er griff nach seinem Handy und rief Doris an.
„Hi Schätzchen, wie komme ich zu der Ehre?" erklang ihre Stimme. „Du hast dich ja schon ewig nicht mehr bei mir blicken lassen."
Wolfgang musste schmunzeln. „Weiß dein Chef, wie du mit deinen Kunden redest?" ging er auf ihren frotzelnden Ton ein.
„Mein Chef ist ganz meiner Meinung. Ihm ist auch aufgefallen, dass du dich hier rar gemacht hast. Findet er sehr schade." Dann lachte sie, silberhell, und Wolfgang sah sie vor sich: das blonde Haar, der knallrot geschminkte Mund, der Minirock, ihre schlanken, wunderschön geformten Beine in den schwarzen Strapsen. Unwillkürlich seufzte er auf.
„Kann ich vorbeikommen? Jetzt gleich?"
„Sicher, Schätzchen. Du darfst sogar reinkommen", und dann prusteten sie beide los, konnten gar nicht mehr aufhören zu lachen, bis Doris sagte: „Lach doch nicht so über diesen lächerlichen alten Kalauer" und daraufhin lachten sie noch mehr.
Zwei Stunden später lag Wolfgang befriedigt mit Doris im Bett.
„Es hat sich mal wieder gelohnt mit dir", sagte er.
„Mit mir lohnt es sich immer, Schätzchen. Was macht deine Frau?"
„Frag nicht..... Frag mich nicht...... Blas mir einen."
„Na schön.... Du weißt aber, dass das jetzt nochmal extra kostet?"
„Sicher... egal..... völlig egal. Mach schon!"
Während Doris' Lippen sich um seinen schon wieder harten Schwanz schlossen, dachte Wolfgang daran, wie Andrea das früher gemacht hatte. Er hatte ihren Kopf festgehalten und nicht mehr losgelassen, während sie ihm einen blies. Danach hatte er sie genommen, rücksichtslos, wild und fest zugestoßen, im Bewusstsein, dass sie es genauso wollte und liebte. Was war davon geblieben? Er traute sich nicht mal mehr, sie auch nur zärtlich an der Schulter zu berühren. Aus Angst davor, abgewiesen zu werden, aus Angst vor einer Reaktion, mit der er nicht zurechtkommen würde. Das letzte Mal, als er versucht hatte, zärtlich zu ihr zu sein, hatte Andrea ihn mit einem leeren Blick angesehen, war aus dem Zimmer gegangen und hatte den ganzen Tag kein Wort mehr gesprochen. Die Stimmung war nicht zum Aushalten gewesen. Auch damals hatte er Trost bei Doris gesucht und gefunden.
„Schätzchen, ich habe gleich noch einen Kunden. Der hat schon länger gebucht und will immer mich. Ich kann nicht absagen. Wärst du so lieb.... "
„Klar." Wolfgang sprang aus dem Bett. „Ich muss sowieso nach Hause. Bis demnächst."
Zum zweiten Mal in dieser Nacht schlich er sich ins Schlafzimmer, hoffte, dass er Andrea noch tief schlafend vorfinden würde. Doch dann stand er wie erstarrt vor ihrem Bett: Es war leer.
„Andrea? Andrea, wo bist du?" Panisch vor Angst lief er ins Wohnzimmer. Dort war sie nicht. In der Küche war sie nicht. Sie war in der ganzen Wohnung nicht zu finden. Wolfgang lief nach draußen und sah sich um. Keine Spur von Andrea. Er fuhr mit seinem Motorrad ein paar Straßen ab. Nichts. Schließlich kehrte er wieder um. Sie war immer noch nicht zu Hause. Er rief die Polizei an.
Ein paar Stunden später wurde Andrea von der Polizei aufgegriffen. Sie war nur mit ihrem Nachthemd bekleidet und offenbar völlig verwirrt, hatte den Polizisten nicht sagen können, wie sie hieß und wo sie wohnte. Ohne Wolfgangs Anruf hätten sie wohl nicht gewusst, wo sie sie hinbringen sollten.
Wolfgang schloss sie in die Arme. „Liebling! Ich habe solche Angst gehabt. Mach das nie wieder!"
Andrea sah ihn auf ihre merkwürdige Art an und sagte nichts. Dann drehte sie sich um und ging ins Schlafzimmer.
Und Wolfgang wusste, dass er sich von nun an nur noch schuldig fühlen würde.
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