Schwachkopf-Karriere

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anbas

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Schwachkopf-Karriere

Es wird ihn geben. Irgendwann wird es ihn ganz bestimmt geben – den Typen, der den Dreck sammelt, der sich unter seinen Finger- und Zehnägeln festgesetzt hat.

Der Typ wird dann schon sehr bald kleine Filmbeiträge dazu posten auf YouTube, Tictoc und all den anderen Plattformen, auf denen wirklich alle Dumpf- und Dummheiten dieser Welt ihr Publikum finden. Natürlich wird er auch einen Blog zu diesem Thema eröffnen. Dort wird er sich darüber auslassen, wie man am besten diesen Dreck sammelt und aufbewahrt.

Im Laufe der Zeit werden immer mehr Menschen auf ihn aufmerksam. Schon bald geht die Zahl der Klicks und Follower durch die Decke. Nach und nach fangen immer mehr Leute damit an, den Dreck von Finger- und Zehennägeln zu sammeln. Es ist nicht auszuschließen, dass sogar Tauschbörsen entstehen werden. Der Dreck von Finger- und Zehnägeln wird weltweit per Post verschickt. Und natürlich wird es auch in den einzelnen Städten und Gemeinden Treffen der Nageldreck-Sammler geben.

Irgendwann kommt es dann zu den ersten Interview-Anfragen, und kleine Reportagen über ihn werden im Fernsehen gesendet. Wenn dieser Typ dann über das Nageldreck-Sammeln spricht, klingen seine Worte so gewichtig, als würde es sich um eine besonders ernste Angelegenheit von höchstem internationalem Interesse handeln. Er vermittelt den Eindruck, als wäre das Nageldreck-Sammeln die wichtigste Sache der Welt.
Während sich die öffentlich-rechtlichen Sender noch zieren, sind die privaten TV-Anstalten schon sehr bald mit Feuer und Flamme bei der Sache. Doch es wird nicht all zu lange dauern, bis dieser Typ an einem Freitagabend in der Talkshow einer der Sendeanstalten sitzt, die zur ARD gehören. Dort wird er dann sein Buch vorstellen, das er über das Nageldrecksammeln geschrieben hat. Es wird vermutlich eine Abhandlung über die verschiedenen Formen des Drecks sein und Hinweise auf weiterführende Literatur enthalten, wie zum Beispiel aus der Forensik.

Und so hat er es geschafft – ein Niemand, ein Schwachkopf erster Güte, der zu Ruhm und Reichtum gelangt ist. Doch nicht wenige, die ihn verspotten und beschimpfen, werden ganz tief in ihrem Inneren auch ein wenig neidisch sein und sich fragen, ob dieser Typ wirklich so bescheuert ist, wie sie denken.
 
Zuletzt bearbeitet:

Michele.S

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Tja, wenn es so leicht wäre... Es gibt tatsächlich einen Typ, der bekannt dafür geworden ist, dass er ekelerregende Säfte schluckt (z.B den Sud, der unten in der Shisa zurückbleibt)
 

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Doch nicht wenige, die ihn verspotten und beschimpfen, werden ganz tief in ihrem Inneren auch ein wenig neidisch sein und sich fragen, ob dieser Typ wirklich so bescheuert ist, wie sie denken.
Geniale Idee für einen gelungenen Text, lieber Andreas!

Hab mich sehr amüsiert, aber auch zustimmend genickt, denn damit triffst du den Nagel auf den Kopf. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es die sind, die spotten und beschimpfen, die sich diese Frage stellen. Meist entladen die Spötter und Mobber in den Social Media ja publikums-tauglich ihre negativen Gefühle, damit sie eben nicht darüber nachdenken bzw. überhaupt nicht denken müssen (ein unbewusster Mechanismus natürlich).

Ich frage mich ja angesichts solcher "Stars" immer, ob das Publikum wirklich so bescheuert ist, wie ich denke.
Wenn es tatsächlich genügt, dem Prinzip "Auffallen um jeden Preis" zu folgen, um eine Celebrity zu werden, ist das ja nur möglich, wenn ein Publikum das entsprechende Echo liefert. Und auch da bin ich mir nicht sicher, ob das Echo nicht meist eine Mischung aus "Wow - der traut sich was!" und einem Anteil Fremdscham ist. Plattformen, die seichte Unterhaltung zum Weiterwischen im Sekundentakt begünstigen und liefern, spielen da eine wesentliche Rolle am Entstehen dieser Art von Prominenz.

Was auffällt, verkauft sich gut. Und da es überall um Klick-Zahlen geht, ist inzwischen völlig egal, wie sinnentleert der Inhalt ist, der da geboten wird. Ich bin sicher, es wird bald auch überall kleine Shops geben, in denen man die gesammelten Finger- und Zehennägel lackieren lassen kann. Und wer als erster diese Idee hatte, wird sich für eine Weile dumm und dämlich verdienen daran...

Es heißt übrigens Blog - kommt vom Vlog, dem virtuellen Logbuch. Aber womöglich klugscheißere ich hier ganz unnötig, und das war eine dem Inhalt angepasste Schreibweise und ironisch gemeint. ;)

Sehr gerne gelesen, genickt und geschmunzelt.

LG,
Claudia
 

anbas

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Hallo Michele,

ich denke, manchen fällt es tatsächlich leicht ... und dem Wahnsinn, wie man ins Rampenlicht gelangt, sind natürlich auch keine Grenzen gesetzt ...

Danke für Deine Rückmeldung.

Liebe Grüße

Andreas
 
Zuletzt bearbeitet:

anbas

Mitglied
Hallo Claudia,

vielen Dank für Deine von Sternen eskortierten Gedanken.

An das Publikum habe ich auch schon gedacht - aber das ist ein Thema für sich. (An das Thema "traue" ich mich auch noch nicht so richtig ran, da z.B. wirklich gute Freunde von mir für TV-Formaten schwärmen, bei denen ich das Würgen kriege und grundsätzlich erst mal sehr böse Gedanken zu den Leuten habe, die solchen Mist sehen :cool: . Andererseits habe ich auch so meine TV-Vorlieben, bei denen andere wiederum nicht aus dem Kopfschütteln herauskommen würden, dass ich mir sowas ansehe :oops:).

Und was den "Block" betrifft, so ist es mal wieder ein gutes Beispiel dafür, wie sinnvoll es ist, Texte auch mal von Dritten korrekturlesen zu lassen ;).

Liebe Grüße

Andreas
 

Hagen

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Hallo Anbas,
Ich verstehe überhaupt nicht, wieso Du die Leute, die ihrem Fingernageldreck sammeln, derart perfide diffamierst! - Schließlich tue ich das auch, denn ich habe festgestellt, dass Fingernageldreck der beste Dünger für unseren Enzianstrauch (Lycianthes rantonnetii) an unserer ScheinBAR ist.
Nun denn, wir sehen uns hoffentlich an der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib’ schön fröhlich, guter Dinge, sowie ebenso guten Willens, gesund und munter, weiterhin positiv motiviert, moralisch einwandfrei, lüge niemals, erzähl‘ keine dreckigen Witze und sei stets heiteren Gemütes!
Herzlichst
Yours Hagen
________________________________________
Merke: Dreck wurde schon sehr lange mit Schuld und Sünde in Verbindung gebracht! Schließlich war er das Gegenteil der reinen Unschuld.
 

anbas

Mitglied
Moin Hagen,

Du überraschst mich immer wieder. - Fingernageldreck als Dünger, darauf muss man erst mal kommen ...

Danke für den Tipp und die Besternung.

Liebe Grüße

Andreas
 

steyrer

Mitglied
Hallo anbas!
Dumm wäre das sicher nicht, denn hat nicht schon der Teufel aus Dreck Gold gemacht? Und Sünden ließen sich ebenfalls zu Geld machen, so wie es heute mit Abwässern und Abgasen geschieht.

lg
steyrer
 



 
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