Schweinshaxe

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sonah

Mitglied
Es gibt viele interessante Dinge in der bayrischen Metropole: den Viktualienmarkt, den englischen Garten, den Eisbach mit der Welle, Weißwurst und Weißbier, Schweinshaxen und natürlich die Münchner selbst. Wobei man sich dabei die Frage stellen muss: was ist ein typischer Münchner? Kann man dies nur sein, wenn man gleichzeitig Bayer ist oder muss der typische Münchner zumindest bayrisch sprechen können? Oder gehören nicht auch die Italiener, die staunend vor den grillenden Schweinshaxen im Schaufenster stehen und denen vor lauter Bayrischkeit nicht mehr das italienische Wort für Schweinshaxen einfällt - gehören nicht auch diese Italiener so sehr zu München wie das Hofbräuhaus?

Auf mich wirkt die kulinarische Vielfalt doch etwas schwer. Und zum Frühstück ausgerechnet eine Weisswurst mit süßem Senf und einer Brezel vorgesetzt zu bekommen, das hätte ich von meinen Freunden auch nicht erwartet. Vielleicht tun dies echte Münchner gar nicht? Haben sie sich einen Spaß mit mir erlaubt? Stimmt es überhaupt, dass man die Haut von der Wurst vor dem Essen abzieht, wodurch sie ein noch unappetitlicheres Aussehen bekommt, falls dies überhaupt möglich ist? Eine fertig gekochte Weißwurst sieht in etwa so aus, wie eine rohe Bratwurst, mit dem Unterschied, dass sie nicht ganz so glänzend ist und dass sie nicht auf dem Grill goldbraun gebraten sondern tatsächlich in der gekochten Form gegessen wird.

Abends, nach einem weiteren deftigen und durchaus leckeren Essen mit dem dazugehörigen obligatorischen Bier kommt mir ein absurder Gedanke: Ich erinnerte mich an die in der Kardinal-Faulhaber-Straße eingelassene Reliefplatte zum Gedenken an den 1919 stattgefundenen Mord an dem Revolutionär Kurt Eisner. Wurde dieser Mensch tatsächlich aus politischen Gründen ermordet oder war er einfach nach dem Genuss seiner tausendsten Schweinshaxe zusammengebrochen? Dass man solch einen unrühmlichen Tod in der Geschichtsschreibung lieber ausspart ist natürlich selbstverständlich. Die Ursache dieses tragischen Todes dagegen lässt sich sicherlich heute nicht mehr zweifelsfrei feststellen.

Es war wohl doch ein Glas zuviel, das ich mir genehmigt hatte. Ich reise reich an Eindrücken zurück in das nasskalte Hannover mit seinen griesgrämigen Bewohnern und meinen etwas spartanischeren Ernährungsgewohnheiten. Trübsal blasende Gesellschaft bringt einen schließlich nicht um.


(c) sonah 2013

Hinweis: Dieser Text war nicht gedacht, brüllend komisch zu sein. Da er aber leicht humorvolle und etwas absurde Anteile hat, habe ich mir erlaubt, ihn hier einzustellen.
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Haxngedanken

Da hast du recht. Der Text ist nicht wirklich brüllend komisch. Aber ich konnte mir angesichts der Tatsache, dass sich Menschen aus einer gemeinsamen Republik so ihre Gedanken über unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten machen, trotzdem ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Selbst im Süden lebend, bin ich näher am Geschehen und habe gelernt, dass es durchaus guter Usus ist, die Weißwurst einfach aus der Pelle zu saugen und zu drücken. Das heißt dann "Zutschln" und ist die Königsdisziplin der süddeutschen Nahrungsaufnahme. Es hat auch den Vorteil, dass man sich über Form und Konsistenz der Brätmasse beim Zuführen weniger Gedanken macht.

Dem Ganzen wird aber zu viel Bedeutung zugewiesen, da Maßkrüge, Weißwurst und „Brezn“ in der Hauptsache nur von der einfallsreichen Touristikindustrie für Besucher jenseits des fünfzigsten Breitengrades (den Saupreissn) und vor allem für weitgereiste Japaner (auch Preissn) bereitgehalten werden. Die vergewaltigen die Weißwurst dann auch gerne mal mit Messer und Gabel, da eben diese für stäbchengewohnte Asiaten zu unhandlich ist und singen nach der ersten Maß zotige Lieder aus ihren Heimatregionen. Nach der zweiten Maß erfolgt dann die Verbrüderung nach dem Zweiten Weltkrieg mit den ebenfalls zahlreich anzutreffenden US Familys. Der Normalobayer ist aber überwiegend bei McDonalds oder in Dönerbuden anzutreffen, wo er meint, die Ernährungsgewohnheiten eben dieser Besucher nachahmen zu müssen.

Es grüßt der Ironbiber, der als gelernter Schwabe aber Kässpätzle mit viel Zwiebeln bevorzugt.
 
U

USch

Gast
Hallo sonah, hallo ironbiber,
subtil geschriebenes Stimmungsbild, das ich schmunzelnd gelesen habe. Als Exhamburger habe ich die Weisswurst mit Messer und Gabel gegessen, wie sich das für einen distinguierten Hamburger gehört. Nun wohne ich seit vier Jahren im Badischen, dem Land, wo du herkommst Biber. Da gäbe es auch so Einiges zu schreiben über unendlich viele Weinschorles, die die Alkoholmenge reduzieren sollen, aber durch die Anzahl der getrunkenen Gläser überkompensiert wird - und dann die Fahrt im Auto nach Hause mit ...Promille. Ein Weinfest jagt das Nächste. Und dann dieses ewige ...le hinter vielen Wörtern, wie Bächle, Spätzle, obwohl dann von diesen Unmengen gegessen werden. Ist das noch niedlich? Die Bäuche sprechen eine andere Sprache.
LG USch
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Ein Trugschluß der Geographie

Lieber Uwe! Badenser sind keine Schwaben sondern Gelbfüssler (so heißen die hier). Uns trennt der Schwarzwald und den haben wir mit Sprengfallen vermint. Badenser erkennt man an den roten Nasen vom Weintrinken, Schwaben an den dicken Köpfen vom Mostsaufen (Moschdköpf).

Ich wohne in Oberschwaben, der Wiege der Sparsamkeit und bin natürlich sehr auf unsere Obstanbaugebiete zwischen Bodensee, Allgäu und Donau stolz. Das nur mal zur Erklärung der geographischen Fakten und des Status Quo für zugezogene Fischköpf.

So jetzt bin ich aber ins Plaudern abgerutscht. Also wieder zurück zum Ernst des Lebens und der Leselupe …

Gruß nach Baden vom Ironbiber - und trink heute Abend ein Viertele auf mein Wohl.
 

sonah

Mitglied
Es gibt viele interessante Dinge in der bayrischen Metropole: den Viktualienmarkt, den englischen Garten, den Eisbach mit der Welle, Weißwurst und Weißbier, Schweinshaxen und natürlich die Münchner selbst. Wobei man sich dabei die Frage stellen muss: was ist ein typischer Münchner? Kann man dies nur sein, wenn man gleichzeitig Bayer ist oder muss der typische Münchner zumindest bayrisch sprechen können? Oder gehören nicht auch die Italiener, die staunend vor den grillenden Schweinshaxen im Schaufenster stehen und denen vor lauter Bayrischkeit nicht mehr das italienische Wort für Schweinshaxen einfällt - gehören nicht auch diese Italiener so sehr zu München wie das Hofbräuhaus?

Auf mich wirkt die kulinarische Vielfalt doch etwas schwer. Und zum Frühstück ausgerechnet eine Weisswurst mit süßem Senf und einer Brezel vorgesetzt zu bekommen, das hätte ich von meinen Freunden auch nicht erwartet. Vielleicht tun dies echte Münchner gar nicht? Haben sie sich einen Spaß mit mir erlaubt? Stimmt es überhaupt, dass man die Haut von der Wurst vor dem Essen abzieht, wodurch sie ein noch unappetitlicheres Aussehen bekommt, falls dies überhaupt möglich ist? Eine fertig gekochte Weißwurst sieht in etwa so aus, wie eine rohe Bratwurst, mit dem Unterschied, dass sie nicht ganz so glänzend ist und dass sie nicht auf dem Grill goldbraun gebraten sondern tatsächlich in der gekochten Form gegessen wird.

Abends, nach einem weiteren deftigen und durchaus leckeren Essen mit dem dazugehörigen obligatorischen Bier kommt mir ein absurder Gedanke: Ich erinnerte mich an die in der Kardinal-Faulhaber-Straße eingelassene Reliefplatte zum Gedenken an den 1919 stattgefundenen Mord an dem Revolutionär Kurt Eisner. Wurde dieser Mensch tatsächlich aus politischen Gründen ermordet oder war er einfach nach dem Genuss seiner tausendsten Schweinshaxe zusammengebrochen? Dass man solch einen unrühmlichen Tod in der Geschichtsschreibung lieber ausspart ist natürlich selbstverständlich. Die Ursache dieses tragischen Todes dagegen lässt sich sicherlich heute nicht mehr zweifelsfrei feststellen.

Es war wohl doch ein Glas zuviel, das ich mir genehmigt hatte. Ich reise reich an Eindrücken zurück in das nasskalte Hannover mit seinen griesgrämigen Bewohnern und meinen etwas spartanischeren Ernährungsgewohnheiten. Trübsal blasende Gesellschaft bringt einen schließlich nicht um.


(c) sonah 2013
 



 
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