schweißnackt

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Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Viktorianischer blick
die tollkirschen der pupille,
schwarz.
das gesicht eingefallen
wie eine getrocknete dattel.
so war er.
pythagoreisch streng.
das herz schlug
im rhythmus der zahlen
die er tag für tag an
eine tafel schrieb.
er vertiefte sich
in seine studien. fand das
heimliche vokabular
der stockrosen und suchte doch
etwas kälteres. so
erfand er im geist eine sprache
mit buchstaben
die so kalt sind, dass sie zerbrechen.
in manchen von ihnen
schwang eine gottesannäherung mit.
Manchmal jedoch
ließ er sich das herz wärmen
von dem langen atem der violine
die großmutter spielte.
er lachte dann und verriet
einige worte aus dem vokabular
der rosen. sie waren rot
und zerfielen auf seinen lippen
zu staub.

II.
Schweißnackt.
wie salz
auf steriler anatomie verteilt.
zwischen fingern verriebene fieberfäule
auf ungestülpter innenhaut.
lazarettsäfte schluckend
auf und
über der bibel des lakens und
an dir die
blitzgewaschene
donnergescheuerte
gewitterluft prüfend
die du erinnerst.
scherbennacht in dieser
lass uns mit blütenfäden
die wunden vernähen
sanatorienknospen
über die fiebertrommel gelegt
die gliedertrommel
und in dir singen alle farben ade.

(2018)
 
G

Gelöschtes Mitglied 28334

Gast
Hallo Patrick,

sehr schön. Hänge der Fieberfäule den Plural an. Das kickt nicht nur den Lesefluss, sondern korrespondiert wunderbar mit den Säften.

logi
 

sufnus

Mitglied
Das ist mal wieder Literatur! :)
Bei diesem ziemlich langen Diptychon ist alles so stimmig und gelungen, dass ich gar nicht viel zu schreiben weiß....
LG!
S.
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke dir, sufnus.

Schön, das auch alte Texte ankommen, diese hier gehören zu jener Art Texten, die man irgendwann mal geschrieben hat und dann vergessen. Jetzt hab ich sie wiederentdeckt :)

LG
Patrick
 



 
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