schwer kraften

2,70 Stern(e) 3 Bewertungen

Thylda

Mitglied
Liebe Label

Na, da hast Du uns ja eine recht harte und konzentrierte Nuß zum Kauen gegeben.

Oberflächlich sprichst Du von Abgründen, die Lyri sehr lange ignorieren konnte. Nun, da es dieser gewahr wurde, kann es deren Existenz nicht mehr verdrängen und erkennt entsetzt ihr Ausmaß.

Es erinnert ein wenig an Jemanden, der seinen Glauben verloren hat und nun die Unstimmigkeiten nicht mehr mit Gottvertrauen übertapezieren kann.

Zwischen den Zeilen war die Schwer-Kraft aber auch immer vorhanden, die jedoch mit Elan/Schwung und Ausgeglichenheit/Balance gut gemeistert werden konnte. So balancierte Lyri wie ein Seiltänzer, mit jedem Schritt gefährlich nahe an der Grenze zum Absturz oder dem weiteren Traumwandeln in der Höhe, bis es eines Tages den entsetzten Blick in den Abgrund wagte und jetzt wegen mangelnder Ahnungslosigkeit mit der unbarmherzigen Macht der Schwerkraft hinuntergezogen zu werden droht. Klassisch wie Kojote und Roadrunner.

Offenbar hat Lyri Mitgefühl mit denen, die sich dort unten auf der nächsten scheinbar stabilen Ebene befinden. Lyri durchschaut aber, daß es auch von dort noch tiefer nach unten geht. Vielleicht kann eben dieses Mitgefühl einen festen Boden unter den Füßen schaffen? Abwägung Mitgefühl und eigene Angst...

Lyri klammert sich an einen sicherheitsspendenden Felsvorsprung oder an den Vorsprung, den es noch vor den Anderen hat oder es wagt einen Vorsprung? Hier schwimme ich mit der Auslegung ein wenig...

Jedenfalls ist das mühelose Gleiten einer Höhenangst gewichen. Die Angst zu fallen, ohne doppelten Boden, eine Existenzangst.

Der Optimist wurde durch eine Erleuchtung zum Pessimist, was er nur schwer verkraftet ;)

Das war ein ganz schön harter Brocken so auf nüchternen Magen...

Liebe Grüße
Thylda

schon immer hat es sie gegeben

und gestern noch
da glitt ich mühelos
über die abgründe hinweg

schwung und schwer
kraft in balance

jene grenze die auf
von ab trennt rutschte
es fällt der blick ins grauentief
voll schwerer kraft

mitgefühl denken fällt auf
scheinbaren Grund
viel leicht ihn erschaffen

an einem vorsprung klammernd
habe ich heute
höhenangst
 
E

equinox

Gast
Guten Morgen Label,
ja, in Worte kleidet sich alles gut..selbst ein gescheitertes
Leben.
Gut gewähltes Thema... zeigt es doch auf, dass nicht Allen das Glück hinterrennt!


Gern gelesen und
eine schöne Woche

equinox
 

Thylda

Mitglied
Genau, Equinox

Von Aussen betrachtet scheint es oft, als seien Einige vom Glueck gesegnet, sogar den Individuen selbst. Doch so vergaenglich wie jedes Glueck sein kann, so erreichbar ist es fuer Jeden, der bereit ist, es in sich selbst zu finden. Das Gleiten vom Anfang ist der Schluessel. Lyri kann doch auch mit dem Wissen um die Abgruende noch gleiten, es ist nur die Angst, die es hindert.

Die Angst ist wohl das Gegenteil von Glueck. Fuer die Aussicht von Angst und Sorgen frei zu sein, sind die Menschen bereit, viel von ihrem Glueck aufzugeben.

Liebe Gruesse
Thylda
 

Perry

Mitglied
Hallo Label,

inhaltlich wurde ja bereits einiges reflektiert, deshalb will ich mich mehr am formalen orientieren.

Der Titel soll vermutlich die Begriffe Schwerkraft und verkraften zusammenführen, wirkt aber durch das Stückwort "kraften" etwas sperrig.

Im Text fallen dann einige Trennungen

"schwer / kraft, viel leicht" bzw. Zusammenschreibungen

"grauentief, mitgefühl"

auf.

Ich sehe den Sinn solcher Wortkonstrukte in der Möglichkeit verschiedene Bedeutungen zu ermöglichen, was mir hier nicht immer gelingt.

LG
Manfred
 

Label

Mitglied
liebe Thylda


du liegst mit deiner Lesart ziemlich richtig.

Ja, ein Konzentrat ist es wohl, und scheint erst mit entsprechender Verdünnung genießbar zu werden :D

Abgründe
eigene und andere, dafür braucht man einen festen Halt, sonst kommt der Schwindel und die Sucht nach irgendwelchen Gründen.

Wie tief sind Abgründe, das weiß/ahnt man erst, wenn man hineinsieht, und herausfindet wie die Teile heißen, die auseinanderstreben und auf welcher Grundlage sie stehen.

LyrIs Grundlage, die Regeln nach denen "man" lebt, kam ins Rutschen und damit sackte der Boden.
zB. die Regeln der Gesellschaft bilden einen Boden und einen Grund, wie sich die Einzelnen verhalten/sollten.

Angst und die Faszination des Entsetzens haben die Leichtigkeit des Seins ersetzt, locken mit ihrer ganz eigenen Schwerkraft einfach loszulassen.

du hast es gut zusammengefasst
Es erinnert ein wenig an Jemanden, der seinen Glauben verloren hat und nun die Unstimmigkeiten nicht mehr mit Gottvertrauen übertapezieren kann.
eigentlich ganz banal :D

Danke für die Mühe mit diesem Text, deinen Blickwinkel und die mühelos genießbare Zusammenfassung.


Liebe equinox

ich denke jeder von uns scheitert jeden Tag ein bisschen, denn niemanden gelingt jedes Vorhaben oder Wunsch.
Ein großer Teil warum etwas gelingt, ist eine zutreffende Einschätzung der Welt und der Möglichkeiten, ja und Glück.

Ich freue mich, dass dich das Thema angesprochen hat und für deinen netten Eintrag danke ich dir herzlich.


Hallo Manfred

Ich sehe den Sinn solcher Wortkonstrukte in der Möglichkeit verschiedene Bedeutungen zu ermöglichen, was mir hier nicht immer gelingt.
Meine Frage ist nun, sind diese Wortkonstrukte für dich sinnlos, oder kannst du den innewohnenden Sinn/ nicht sehen?

Stimmt, kraften wirkt sperrig, mir viel aber nichts besseres ein, das eine überschaubare Titellänge mit gleichem Inhalt bietet.
Vielleicht hast du ja eine Idee?

danke für dein Interesse an meinem Verdicht ;) und deine Rückmeldung.

liebe Grüßen an Euch
Label
 

Perry

Mitglied
Hallo Label,

sinnlos sind sie Konstrukte für dich sicher nicht, die Frage ist nur, kann der Leser damit etwas anfangen.
Was den Titel anbelangt würde ich etwas wie "(ab)sturzgefahr" verwenden.
LG
Manfred
 



 
Oben Unten