Schwerpunkte beim Kofferpacken

4,00 Stern(e) 2 Bewertungen
Reisen ist schön. Viele Menschen finden daran gefallen. Man verreist mal für längere Zeit, mal nur für ein langes Wochenende. Man möchte den Alltag, den Abwasch, dasselbe Bild aus eigenem Fenster vergessen, andere Leute, Landschaften, Tapeten sehen, sich ein Rührei zum Frühstück machen lassen und unbedingt einen erfrischenden O-Saft, geschweige schon einen tollen Fruchtsalat dazu serviert bekommen.

Es gibt beim Verreisen eine Unbequemlichkeit: das Packen des Koffers. Einem fällt es einfacher, einem anderen schwerer. Niemand macht das aber außergewöhnlich gern, denn egal, wie man sich anstrengt und alles durchdenkt, nimmt man viel zu viel mit. Fehlen wird aber sowieso etwas, das leider außer Acht gelassen wurde.

Hans-Fried verreist gern nur mit Handgepäck. Das ist eine Preisfrage bei Billigflügen. Das ist aber auch eine Frage der Mobilität und Flexibilität unterwegs. Man schleppt sich nicht ab. Man ist schnell beim Umsteigen. Man erreicht zu Fuß das nicht weit vom Bahnhof oder einer Haltestelle entfernte Hotel. Im Grunde ist alles eine Frage der Organisation und Reiseerfahrung. Viele Männer lassen den Koffer von ihren Frauen packen. Bei Kapa und Hans-Fried kommt das nicht in Frage. Jeder ist selbst der Chef am eigenen Koffer. Hier sind die Beiden Gott sei Dank einer Meinung.

Kapa muss jedes Mal sorgfältig alles abwiegen, manchmal im wahrsten Sinne des Wortes. Der Koffer wird vollgestopft und regelmäßig auf die Waage gestellt. Kapa will alles Unvorhersehbare vorhersehen. Hans-Fried hat dagegen das Motto: Weniger ist mehr.
Hans-Fried: „Sollten die Socken nicht reichen, kann ich immer welche auswaschen, und nicht nur die Socken.“
Kapa: „Gut, mein kleiner Waschbär, die Gestaltung deiner Freizeit im Urlaub überlasse ich dir“.

Ein sensibles Thema bei Kapa sind Schuhe. Sie kann das nicht sehen, wie ihr Mann nur ein Paar davon mitnimmt.
Kapa: „Wir sind doch ständig auf Trab bei Wind und Wetter. Und wenn die Schuhe nass und dreckig werden? Oder es fällt eine Sohle ab?“
Hans-Fried: „Wie hoch ist schon die Wahrscheinlichkeit solch einer Panne?“

Kapa möchte diesen Wert auf keinen Fall selbst ermitteln. Der liebe Gott bescherte ihr als Frau etwas größere Füße. Sie verreist nie nur mit einem Paar Schuhe. Nicht jeder Schuhladen auf der Welt könnte ihr bei einer erforderlichen Neuanschaffung helfen.

Und so fällt eines Tages dem mutigen Hans-Fried mitten drin in Istanbul tatsächlich eine Sohle ab. In Istanbul gibt es ohne Frage mehr als genug Schuhläden. Die Zeit ist aber knapp. Sie müssen zum Flughafen. Und der Gedanke, in Eile etwas Unüberlegtes zu kaufen, ist ihm auch unangenehm.
„Siehst du? Habe ich dir nicht gesagt? Aber das Weib muss immer still bleiben. Jetzt kannst du dir eine Rolle Klebeband auf die Schnelle kaufen“, zischt Kapa verärgert zu Hans-Fried.

Hätte Kapa Klebeband im Koffer gehabt, hätte sie in der Tat am liebsten die Sohle damit befestigt und Hans-Fried so laufen lassen. Sie hat dieses leider nicht dabei, dafür aber ein zweites Paar Schuhe, die ihrem Mann zwar nicht ganz passen, aber auch nicht drücken würden. Und ein großes Herz hat sie für ihn auch. Sie droht nur, Hans-Fried eines Tages allein im Regen stehen zu lassen, tut das aber nie. Sie gibt schweren Herzens dem Mann ihre Schuhe und nimmt sich fest vor, in Zukunft unbedingt auch noch Klebeband in den Urlaub mitzunehmen. So viel freier Platz muss in ihrem Koffer sein.
 
Zuletzt bearbeitet:

molly

Mitglied
Hallo Liselotte,

Bin ich alt(modisch)? Finde ich die Dinge lustig, über die der Rest der Welt nicht (mehr) lacht?
das geht mir manchmal auch so, darum gibt es ja auch so viele unterschiedliche "Humorvolle Geschichten". Ich kann auch nicht über alle lachen. Schreibe einfach weiter, ich lese gerne Deine Texte.

Liebe Grüße
molly
 
@molly: Danke, Molly. Alle meinen "humorvolle Geschichten" sind aus der Reihe "Alltagsanekdoten". Sie sind zu 95% wahre Geschichten. Ich oder mein Bekanntenkreis erlebten sie. Wir fanden sie lustig. Ich erzählte sie in einer oder anderer Gesellschaft. Wir lachten darüber. Ich schrieb sie auf. Dabei fantasierte ich je nach Bedarf etwas dazu.
Deshalb meine ich auch, dass ich über "andere" Dinge lache, über die der Rest der Welt nicht lacht :)
LG Liselotte
 



 
Oben Unten