Sechs rote Rosen, mit etwas Schleierkraut

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Hera Klit

Mitglied
Sechs rote Rosen, mit etwas Schleierkraut

Die Schwarzhaarige bindet mir den Blumenstrauß für dich.
Sechs rote Rosen, mit etwas Schleierkraut.
Sie erzählt mir, sie sei mit ihrem Sohn wandern gewesen, an der Loire.
Er wegen der Schlösser, sie wegen des Wanderns.
Eine Win-win-Situation, merke ich kurz an.
Sie erwarten doch, dass man irgendeine Antwort gibt.
Ich versuche zu lächeln.
Sie lächelt zurück.
Sie lächelte mich immer an, seit Jahren schon, auch wenn du dabei warst.
Du lächeltest auch und zu Hause musste ich mir deinen Frust anhören.
Ich überlege kurz, ob die Schwarzhaarige,
die ungefähr mein Jahrgang ist, was für mich wäre.
Nein, sie hat einen Sohn und sie lächelt zu viel.
Was ist das für ein Sohn, der mit seiner sechzigjährigen Mutter in Wanderurlaub fährt?
Was ist das für eine Mutter, die sich von ihm fahren lässt?
Soll ich meine Freiheit aufgeben, um zwischen zwei Mühlsteinen zermahlen zu werden?
„In Folie einpacken?“, fragt sie.
„Nein!“, sage ich, „Ich lege sie an den Baum zum Sterben.“
„Oh!“, sagt sie.
 
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