Hallo Inge B.,
ich finde die Idee, die in deinem Gedicht steckt, interessant. Das Erleben der Gegenwart, welches geprägt ist durch die Biografie und gleichzeitig das Fundament für das Leben der Zukunft bildet, hast du sehr minimalistisch umgesetzt. Dies führt einerseits zu einen starken Komprimierung des Inhalts, andererseits auch zu einer gewissen Beliebigkeit, da es neben den abstrakten Zeitangaben keine Handlungsebene gibt - außer den Informationen in Vers 1 und 3, welche auf ein Liebespaar schließen lassen.
Dabei scheint es mir aber noch zwei Logikprobleme zu geben. Zum einen ist da das Wort erleben in Vers 2, welches eigentlich noch ein Akkusativobjekt verlangt - ich möchte am liebsten noch wissen, was genau wir erleben. Das Gedicht bleibt aber eine Antwort schuldig.
Das andere Problem ist der fünfte Vers. So skizziert das Gedicht in den ersten Zeilen bereits eine Handlung in der Gegenwart: Ein Liebespaar erlebt [etwas] Hand in Hand. Danach zielt die Zeitebene auf die Vergangenheit, nur um im besagten Vers wieder in die Gegenwart zu rutschen, dieses Mal aber sieht sich das Paar, aber es wirkt, als wäre es nun eine andere Situation als in den ersten Zeilen. Meiner Meinung nach wirkt das nicht besonders kohärent, weil hier die zuerst skizzierte Szene nicht mehr richtig aufgenommen wird und der fünfte Vers deshalb wie "hineingestellt" wirkt.
Fazit: Auch wenn ich den minimalistischen Ansatz bei Gedichten durchaus spannend finde, wäre hier vielleicht ein ausführlicherer Ansatz angebrachter. Oder es gelingt dir, die zwei genannten Probleme zu eliminieren, dann könnte ich mir vorstellen, dass das Gedicht doch gut funktioniert, denn die letzten beiden Verse sind in meinen Augen ein starker Abschluss des Gedichtes.
Liebe Grüße
Frodomir