Sehnsucht

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Max Neumann

Mitglied
Eine Sehnsucht erzähle ich dir
Vom Tag des ewigen Abenteuers
Als wir nach Paris getrampt sind
Später in der Badewanne schmusten
Miteinander schliefen
Das Stöhnen der Bildhauerin
Die Stärke des Schülers
In Momenten aus Regenbögen
Wände aus Urvertrauen
Niemand störte uns damals
Vor allem nicht wir selbst

Erinnerungen sind übrig
Am Tag des Regens
Zwischendurch kam ich fast um
Im Krieg gegen mich selbst

Absteige, Rotlicht, Diebe, Tränengas
Die Axt, der Riese, Junkies, Kripos
Betäuben, Vergessen, Kollaps, Überdosis
Boden, Schweiß, Sanitäter, Gebet
Errettung, Hass, Stille, Erneuerung

Lang ist das nicht her
Ich wünsche mir ein Sternenlicht
Das mich in Liebe badet
In weiten, blauen Gärten
Am Ende der Welt

Hmmh
 
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petrasmiles

Mitglied
Hallo Max,

das ist wieder ein starkes Gedicht - und ich habe den Eindruck, als würde ich Dein Schreiben langsam besser verstehen. Da ist 'immer' eine unbändige (Lebens-) Kraft am Werk, die darauf drängt, in Liebe angenommen zu werden. Und wenn dieses instabile Gebäude birst - da kommt einem oft das Leben dazwischen - dann ist diese Liebeskraft führungslos, und richtet sich - wie in diesem Gedicht - gegen das LyrI selbst und zwingt ihn durch die Stationen, die Du hier großartig zusammenfasst:
Absteige, Rotlicht, Diebe, Tränengas
Die Axt, der Riese, Junkies, Kripos
Betäuben, Vergessen, Kollaps, Überdosis
Boden, Schweiß, Sanitäter, Gebet
Errettung, Hass, Stille, Erneuerung
Da ist einfach zuviel 'Rot' in ihm und er sehnt sich nach dem 'Blau' der Gärten für den 'inneren' Frieden und die Stille im silbrigen Liebeslicht.
Ob ihm das gelingt? Kann man die eigene Lebensenergie 'drosseln'? Kann man ankommen und erlöst ein anderer sein? Hmmh
Im Gedicht auf jeden Fall!

Liebe Grüße
Petra
 

Max Neumann

Mitglied
Hallo Petra,

dein Feedback gibt mit zu denken, denn es trifft eine tiefe Wahrheit; darum hatte ich beim ersten Lesen große Schmerzen. Ich musste spazierengehen und den Kopf frei kriegen.

Nun wimmelt es um mich herum, ich befinde mich nahe des Kinderbeckens mit meiner Tochter im Schwimmbad.

Mein jetziger Eindruck von deinem Feedback: Der Kern ist für mich die "unbändige Lebenskraft", die "darauf drängt, in Liebe angenommen zu werden."

Das LyrI sprudelt vor Stärke und gerne gibt es davon ab. So weit, so gut.
Das Drängen nämlich geht mit einer Erwartungshaltung einher. Ein Problem.

Denn in allen Zeitaltern fühlen weise Menschen, dass Geben ohne Erwartung erst Glückseligkeit verschafft.
Ist dieser Zustand erreicht, ist ein Mensch angekommen.

Daran erinnert dein Feedback mich.

Viele Grüße
Max
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
Das ist die große Frage, ob man diese Energie wirklich sublimieren kann - oder es überhaupt versuchen sollte. (Nicht umsonst sind diese weisen Menschen meistens alt ...). Ich glaube, wir Menschen ähneln uns in allem sehr, nur haben wir die Eigenschaften in unterschiedlicher Ausprägung. Das Komplementäre zieht sich an, aber die Potenz des sich gegenseitig in Fragestellens ist sehr groß, ein Austausch findet unter Umständen nicht statt. Formuliert man den 'Drang' als Frage, dann ergibt sich ein anderes Bild, weil eine passende Antwort dann nicht unbedingt die 'Kraft' braucht, sondern sie versteht. Eine Erwartungshaltung ist ja nicht genuin schlecht und die danach, verstanden und angenommen zu werden, schon gar nicht. Es kommt darauf an, wen man 'fragt'. Damit wird der Drang nicht unbedingt zum Problem und eine Sublimierung nicht notwendig.
Es stellt sich die Frage nach dem Ziel: Dieses buddhistische Ideal ist ja das Gegenteil von der Überindividualisierung des Westens; da geht es nicht nur um Geben ohne Erwartung, sondern das Ich soll quasi leer werden von selbstsüchtigen Elementen. Das scheint mir doch das Kind mit dem Bade auszuschütten zu sein. Diese Form der Glückseligkeit ist eine gewisse Leere und erinnert mich an die Spiegelungen, die der Verdurstende in der Wüste sieht.
Ich bin sehr gerne ich und würde es mir nur sehr ungern abgewöhnen wollen. Und so müssen wir alle mit uns klar kommen und einerseits 'die Sprache der anderen' lernen, ohne die eigene zu verlernen.
Ich denke, Dein Lyri ist auf dem richtigen Weg, wenn er selbst seinen Drang beherrschen und kanalisieren lernt, ohne sich dafür die Abwesenheit seiner individuellen Sehnsüchte zu wünschen.

Liebe Grüße
Petra
 

Max Neumann

Mitglied
Hallo Petra,
deinen Anmerkungen ist viel abzugewinnen. Schön, wie du dich mit dem Gedicht auseinandersetzt.

Es ist mein Wunsch, mit dieser Diskussion den Lesenden dieser Webseite Impulse in Sachen Sehnsucht zu schenken.

Viele Grüße
Max
 



 
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