sein

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Dimpfelmoser

Mitglied
sein

bist mensch der du bist
bist ewig bist tod
bist kind das du bist
bist schräg bist im lot
bist mann der du bist
bist hoffnung bist schmerz
bist frau die du bist
bist leiden bist herz
bis du dich dir stellst
bist du fremd dir selbst
bist alles bist kein
bis du du willst sein
bist un schuld bist scham
bist wütend bist gram
bist straight bist divers
bist stets kontrovers
bist mensch der du bist
bis du nicht mehr bist
 

Schreibfan

Mitglied
Zunächst fand ich die Wortwiederholung von "bist" anstrengend zu lesen. Aber inhaltlich trifft das Gedicht sehr gut das menschliche Dasein. Dieses kann ja widersprüchlich sein. Insofern ist das viele "bist" dann doch wieder passend.
LG Schreibfan
 

mondnein

Mitglied
Das ist eine Litanei; die vielen "bist" bilden eine gehäufte Anapher und oft auch eine Epipher, d.h. ein gleichklingendes Ende ("rührender Reim"), das ein Echo zur Anapher davor bildet; das Ganze ist eine klassisch-antike Priamel. Also eigentliche eine sehr deutliche "Feste Form". Nur sovlel zu dem poetischen Stilmitteln, die hier musikalisiert sind.
Daß drei Abweichungen der Reihe hinter homophonen (gleichklingenden) Anaphern versteckt sind, wo nur ein "bis" mit folgendem "d" zum immer noch gleichen Anfangswort verbunden wird, paßt ausgezeichnet und bleibt konsequent formstreng.

Ein klangrhythmisches Musikstück.

grusz, hansz
 

Dimpfelmoser

Mitglied
Lieber Schreibfan,

danke Dir für Kommentar und Wertung. U. a. Hansz schrieb einmal: „Der Leser macht das Gedicht“. Insofern ist das Geschriebene wohl ein Angebot, vielleicht ein Reiz (welcher Qualität auch immer), das bzw. der im Lesen dann ja sehr unterschiedlich wirken kann.

Lieber Hansz,

Dir gleichfalls ein Dankeschön für Deine Wertung, vor allem aber für Deine Erläuterung. Ich will auch einmal grundsätzlich – da ich hier ja doch sehr selten kommentiere – schreiben, wie sehr ich vor allem auch von Deinen Analysen, Gedanken, Wertungen und Kontextualisierungen profitiere, von dem enormen Wissen, dass sich da präsentiert. Seltenst vermag ich dies zwar anzuwenden, aber darum geht es ja auch nicht in erster Linie, sondern um eine Erweiterung des eigenen Horizonts. Dafür danke ich Dir ganz besonders!

Viele Grüße
Dimpfelmoser
 

mondnein

Mitglied
Ich mache. dear Dimpfelmoser,

beim Wiederlesen die Erfahrung, daß das innere Ohr, das sprachliche Verstehen, von der menetranten Anapher so erwas wie taub oder geblendet wird. Das Wort strebt danach, sich zu verwandeln, z.B-. in das englische Wort "beast".

grusz, hansz
 

trivial

Mitglied
Leider verliert für mich, bei dieser semantischen Sättigung, der ganze Text die Bedeutung, obwohl, für sich gesehen, ich ansprechende Teile darin finde. Dementsprechend ist mir persönlich die ständige Wiederholungen zu viel.

Liebe Grüße
R
 

Dimpfelmoser

Mitglied
daß das innere Ohr, das sprachliche Verstehen, von der menetranten Anapher so erwas wie taub oder geblendet wird
Ja, es ist äußerst dominant und (vielleicht zu) intensiv; nicht geschmeidig, schmeichelt dem Ohr nicht, arbeitet, brandet stetig gegen ein Verstehen an, hämmert sich (unersättlich?) durch die Zeilen. Bis es nicht mehr ist.

Auch Dir, trivial (bzw. R) herzlichen Dank für den Kommentar.

Viele Grüße
Dimpfelmoser
 



 
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