Selbsthilfegruppe Auenland

Papiertiger

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„Und diese Ringgeister? Sehen Sie die noch manchmal?“, fragt der Diplom-Zauberer.
Frodo Boidel schaut peinlich berührt. „Nein, seit ich nichts mehr rauche, ist das alles weg. Die ganze Paranoia. Der Heißhunger auf bis zu drei Frühstücke am Tag, alles.“
„Fühlen Sie sich noch immer ohne ersichtlichen Grund niedergeschlagen?“
Frodo überlegt. „Na ja, sie wissen schon. Der Alltag ist nüchtern echt nicht spannend. Überall die selben Fertigbau-Erdlöcher-Reihenhäuser. Stupide Feldarbeit. Und alle saufen und rauchen, auch während der Arbeit.“
„Verstehe. Probieren Sie Sport aus. Laufen, gehen, einfach durch Wälder und Wiesen schlendern. Es wird Ihnen gut tun. Okay? Wir müssen dann auch für heute Schluss machen. Alles Gute für Sie!“

Bedröppelt schlurft der kleinwüchsige Auenländer in Richtung Heimat. Er nestelt nervös an seiner Jackentasche herum. „Oh Nein! Wo ist er? Ist er weg?“, er bekommt Schweißausbrüche, sein Herz pocht wie verrückt. „Ah, zum Glück, da ist er“, er stopft den Keks hastig in sein Schleckermäulchen und spürt sofortige Erleichterung. Er nimmt den 17-Uhr Adler. Der hält in Eisengart, fliegt dann Richtung Ost-Grummelfeld und ist um 18 Uhr in Auenland-Kargheim.

Nach furchtbaren Alpträumen erwacht der junge Mann und ist voller Reue und Scham. „Ich will so nicht mehr weiterleben, bitte Elfina, hilft mir!“. Er ist eigentlich nicht besonders religiös, aber er fühlt sich gerade wieder so winzig, schwach, verletzbar und ungenügend. Er erinnert sich an den Rat seines Therapeuten. Also los. Er schlüpft in seine besten Schuhe von Ogger-Supreme und macht den ersten Schritt. Sein Weg führt ihn vorbei an Bergen von Unrat, eingeschlagenen Fenstern und Türen. Seit hier dieses magische Zeug aus dem Osten konsumiert wird, geht der Fall nur noch rasanter voran. Plakate, überall Plakate von Sarumanns populistischer Bewegung. Sie versprechen Arbeitsplätze und machen Sich lustig über Ents und deren verquere Baumliebhaber. Die ersten Tage des Marschs tun richtig gut. Doch immer wieder melden sich die alten, schlechten Gewohnheiten. Die Erinnerungen kommen nur wage hoch. Einen Abend saß er mit total zugestonenden Trollen herum. Dann traf er diesen legendären Dealer, ein riesiger Drache mit Goldketten und so. Einen Nachmittag war Frodo so besoffen, er ritt auf Fässern direkt aus einer Brauerei einen Fluss hinunter, traf im Wald einen mega unseriösen Waldschrat, der sich super mit bewusstseinserweiternden Pilzen und Tinkturen auskannte. Aber nicht nur der Stoff bereitete dem jungen Mann immer wieder Scherereien. Seine Gene meldeten sich immer wieder. Es war dieses Wutproblem, dass schon einen entfernten Verwandten ins Elend gestürzt hatte. Immer wieder diese Schübe von Tourette und unkontrollierten Gefühlsausbrüchen.

An Tag 69 hatte er sein Ziel erreicht. Der Sitz der Sauron S.E. Das S. E. stand für Sauerei und Ekelhaft, meinte er gelesen zu haben, er hatte sein Wirtschaftsstudium abgebrochen, ihm war der Weg bis ganz oben in den Elfenbeinturm immer zu mühsam gewesen. Sauron Senior war gerade in einem Meeting. Es wurde eine neue PR-Kampagne abgesegnet, die das Abholzen der Wälder als Wohl für das Gemeinwohl erklärte, schließlich könne die Bevölkerung dann keine Zeckenbisse mehr bekommen, wenn die Zecken von keinen Bäumen mehr fallen können.

Nun stand er also da, Frodo ganz allein am Chick-Sal-Berg, eine Erhebung die nach dem berühmten Lebemann und Schauspieler Sal Zwergheimer benannt war, der immer die heißesten Chicks an seiner Seite hatte, die geilsten Elfen-Bräute überhaupt. Sollte Frodo es tun? Es wäre seine Rettung und die von ganz Mittelerde. Er zögerte, er rang mit sich, doch dann überwand er sich. Er warf all sein Gras in die Glut. Und nahm seine Beine in die Hand, rannte, rannte immer schneller. Seine Kondition war durch das Training so viel besser geworden. Er wuchtete sich über die Mauer der Festung, sprang und landete auf einem Riesenadler. Der trug ein Werbebanner der gleichnamigen Modekette, die bei Ogern und Uruk-Hai äußerst beliebt war. In der Ferne sah Frodo wie die Dämpfe langsam aufstiegen und sich ausbreiteten. Frodo war seit 28 Tagen clean, endlich klar im Kopf und stolz auf sich.

Im stickigen Konferenzraum zog ein süßlicher Duft durchs offen stehende Fenster. Am Ende der sehr lustigen Sitzung geschah etwas äußerst unwahrscheinliches: Die Sauron S. E. beschloss den Jahrhunderte alten Forst nicht abzuhalten und statt manipulierten Pferdekutschen, die angeblich keine Pferdeäpfel produzierten auf eine wirklich nachhaltige Wirtschaft zu setzen. Es war ein märchenhaft-schöner Tag für Frodo.
 



 
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