Shakespeares Affe

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Shakespeares Affe

Ferdinand gab einem jungen Affen
eine Schreibmaschine und er sprach:
"Hör: du sollst jetzt Shakespeares Werke schaffen.
Drücke also bitte nach und nach
immer weiter kräftig auf die Tasten,
und ich geb dir alle Zeit der Welt,
irgendwann liegt dann hier drin im Kasten
'Hamlet', 'Macbeth', 'Wie es euch gefällt'."
Doch der Affe ließ sich nicht beirren,
und er griff die Schreibmaschine fest,
und er warf, man hörte Gläser klirren,
und dann pinkelte er auf den Rest.
Ferdinand betrachtete den Affen
und er sprach: "Ein Kunstwerk ward erschaffen."

--- Copyleft 2005 / Bernd Hutschenreuther

Hintergrund:

"Gib einer unendlichen Anzahl von Affen eine unendliche Anzahl von Schreibmaschinen und sie werden irgendwann Shakespeares Werke schreiben."

Wissenschaftler der Plymouth Universität fanden heraus, dass auch unendlich viele Affen nie Shakespeares Werk auf Schreibmaschinen tippen werden.
 

Zarathustra

Mitglied
nach Gödels mathematischen Satz..

(entlehnt aus dem Buch GÖDEL/ESCHER/BACH von Douglas R. Hofstadter)

... werden unendlich viele Affen .. irgendwann in unendlicher Zeit natürlich Shakespare's Werke schreiben.
___________________
Deine Verse finde ich großartig... einfach toll.

Wir sehen ja was eine endliche Anzahl Bildzeitungsreporter verbrechen...

Viele Grüsse aus München
Hans
 

fenestra

Mitglied
und er griff die Schreibmaschine fest,
und er warf, man hörte Gläser klirren,
und dann pinkelte er auf den Rest.
Ferdinand betrachtete den Affen
und er sprach: "Ein Kunstwerk ward erschaffen."
Herrlich doppelbödig dieser Text, denn die vom Affen geschaffene Installation hätte z.B. , angemessen präsentiert, auf der Dokumenta durchaus den Rang eines Kunstwerks... (hoffentlich ist mir jetzt keiner böse, bin durchaus ein Fan von moderner Kunst)

Aber dass ausgerechnet dein sonst eher einfach gestrickter Ferdinant die bepisste Schreibmaschine zum Kunstwerk erhebt, wundert mich denn doch.

Auf jeden Fall ein Lesevergnügen!

lg
fenestra
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Experiment wurde tatsächlich als Performance durchgeführt.
"Notes Towards the Complete Works of Shakespeare"
http://www.vivaria.net/experiments/notes/documentation/

(der Artikel ist in Englisch.)

Die Affen begannen nicht, zufällig auf der Maschine zu tippen, sondern bevorzugten bestimmte Buchstaben. Der Text bestand hauptsächlich aus "S".

Sie pinkelten in die Maschinen und droschen drauf herum.

Man kann sagen, eine der Voraussetzungen zur Erzeugung der Werke Shakespeares ist wiederlegt: Die Affen tun es einfach nicht, selbst wenn man ihnen endlos Zeit gibt.

Es gibt Experimente mit Zufallsgeneratoren. Diese beginnen tatsächlich, Shakespeares Werk zu erzeugen.

Eines ist beruhigend zu wissen: Da Menschen biologisch zu den Affen gehören, hat bereits ein Affe (eventuell waren mehrere beteiligt) Shakespeares Werk geschaffen.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Bernd,

So oder so wird Kunst erschaffen, absichtlich oder unabsichtlich, bewusst oder unbewusst, es muss nur jemand da sein, der diese künstlerische Entfaltung als eine solche wahrnehmen und veröffentlichen kann.
Irgendwer hat sich da zum Affen gemacht, der Affe als er selbst, oder gar Ferdinand????

Ja, ich finde Deinen Text auch wundervoll doppelbödig.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

LuMen

Mitglied
blödel nach gödel?

Hallo Bernd,

doppelbödiger höherer Blödsinn, meinerwegen auch a la Gödel! Hauptsache, er macht Spaß.
Nur der Rhythmus passt in den beiden vorletzten Zeilen nicht ganz, "pinkelte" und "betrachtete" haben jeweils eine unbetonte Silbe zuviel. Es ginge als etwas gewagtes Beispiel:

...und er pisste auf den Rest.
Ferdinand besah den Affen...

Ein schönes Wochenende wünscht

LuMen
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Lumen, wenn es vier und nicht fünf Betonungen pro Vers wären, gäbe ich Dir völlig recht.

Für mich ist es faszinierend, wie ein Gedankenexperiment über die Unendlichkeit in die Realität umgesetzt wurde.
 

LuMen

Mitglied
Korrektur

Hallo Bernd,

entschuldige bitte, ich habe "im Eifer des Gefechts" übersehen, dass die korrespondierenden Zeilen Deines Gedichts jeweils eine Hebung bzw. 2 Silben mehr enthalten.
In meinem Beispiel müsste es also etwa heißen "...und er pisste freudig auf den Rest."
Mir ging es eigentlich darum zu verdeutlichen, dass sich im Metrum von Jambus und - hier - Trochäus die "schwachen" Verben im Präteritum, also die mit 2 unbetonten Silben am Ende ("-tete") schlecht gebrauchen lassen. Man muss dann die Betonung schon etwas "vergewaltigen".

Herzlichen Gruß

LuMen
 



 
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