Showdown

Showdown

(by Peter Albra Brenner)

Die Sonne brennt wie ein verdammter Glutofen. Meine Kleidung- durchtränkt vom Schweiß. Kein Vogel am Himmel, nichts, das auf Erden kreucht und fleucht. Still ist es, als sei der Ort ausgestorben. Als sei ich der letzte lebende Mensch in Merbeck.
High Noon- es ist der perfekte Tag für das letzte Gefecht. Es ist der perfekte Tag zum sterben.
Fein, ganz fein höre ich sie feiern. Die Ahnungslosen, denen nicht bewusst ist, dass sie auf einem Pulverfass sitzen. „Iss und trink, lass die Seele gute Ruh haben, feiere dich und das Leben und ganz nebenbei noch die Kartoffel.“
Sie fragen sich, warum ich nicht dabei bin, wo die anderen bleiben. Warum keiner von uns auf die Myriaden SMS und die unzähligen Mailboxanrufe reagiert. Sie wissen nicht, dass die anderen tot sind.
Folgen einer durchzechten Nacht, die uns die Unschuld raubte.
Niemals vergesse ich den Augenblick des Aufschlags- der Moment eingefroren für die Ewigkeit- die Rückkehr der Nüchternheit innerhalb eines einzigen Herzschlags, die Erkenntnis, das sich nichts mehr gerade rücken lässt, weil wir zu Mördern verkommen sind, unfreiwillig zwar, aber das ändert gar nichts!
Ein kurzes Aufflackern von Anständigkeit, in Form einer Selbstanzeige, dann der feige Rückzug. Niemand würde uns mit der unbekannten Toten in Verbindung bringen, die einfach auf die A52 gelaufen war. Keine Zeugen, also auch keine Anklagen.
Die Ernüchterung nur Tage später. Meine Freunde sind tot, der Reihe nach kaltgestellt. Ich bin der Letzte. Kein Gedanke an eine Rückkehr nach Merbeck, die Koffer liegen gepackt im Kofferraum, Reiseziel Schweden. Ab in die Einöde, zu Onkel und Tante, wo sie mich garantiert nicht aufspüren werden.
Der Anruf kam nur Augenblicke nachdem der Deckel des Kofferraums zugeschlagen war; der Hall klang praktisch noch nach.
Der Andere sprach mit Akzent, seine Botschaft ließ keinen Raum für Spekulationen. Gehe ich fort, halten sie sich an den Feiernden auf dem Kartoffelfest schadlos. Ein paar Bomben, gut platziert und nicht zu entdecken, eine Betätigung via Funk. Aus wäre es mit der Freude, Tote allenthalben und die Gewissheit, dass die auf meine Kappe gehen.
Verdammte Anständigkeit, wäre ich doch einfach ein egoistisches Schwein. Bumm, was gehen mich die anderen an, Hauptsache, ich lebe. Selbsterhaltungstrieb, das Recht zu leben.
Stattdessen stehe ich hier, am Ortsausgang Richtung Venheyde. Warte auf das Geräusch eines Motors, schwitzend wie ein Schwein. Warte auf den Showdown. Das Gewicht der Mauser drückt die Jackentasche nach unten. Das gut geölte Stück, Souvenir des letzten Weltkriegs, Opas besonderer Liebling. „Sie hat mir gute Dienste geleistet, hat mir mehr als einmal den Kragen gerettet.“ Sein oft wiederholtes Credo. Wie viele er damit über den Jordan sandte, ließ er nie über die Lippen kommen. Ist mir nur Recht. Ob im Krieg oder jenseits davon- wer gibt schon gerne zu, dass er einem Menschen das Licht ausblies?
Ich tue es. Der Verräter sah erschrocken aus, als ich ihn konfrontierte. Leugnen kam ihm nicht in den Sinn. Nur die schwachsinnige Erklärung, er habe ja nicht wissen können, dass es so enden würde. „Bestell den anderen schöne Grüße.“ Es war das Letzte, das er hörte- abgesehen von dem Geräusch der Mauser.
Wie viele werde ich noch über den Jordan senden? Lange muss ich nicht auf die Antwort warten. Leise kündigt sich der Tross an. In Gedanken zeichne ich die Route, Meter für Meter. Ortsende Schwaam, Böscherhof, freie Sicht auf den kleinen Weiler Venheyde, den allzu viele in allzu rasanter Fahrt durchqueren. Die Killer nicht, entschleunigt rücken sie an. Sie sind sich ihrer Sache sicher. Glauben, ich sei eine kleine Maus, die einfach einzufangen sei. Dann, ab in den Wald, Kugel in den Kopf. Kaltgestellt wie die anderen. Denken wohl, sie seien unverwundbar. Sind sie nicht. Das werden sie noch feststellen.
Das Geräusch des Motors wird lauter. Ich fange an zu zittern. Ein Gedanke setzt sich fest. „Du wirst keinen von ihnen treffen, sie werden dich mit ihren Kugeln durchsieben!“
Verdammte Anständigkeit. Wer bin ich- John Wayne? Billy the Kid? Die Antwort ist simpel: Nein. Ich beginne zu rennen, schnell wie der Hase vorm Fuchs suche ich das Dickicht des Waldes. Bumm- was gehen mich die anderen an?

Peter Albra Brenner © 2014
Revidierte Fassung © 2020
 



 
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