Sie klebte an der Nacht

WackyWorld

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Sie klebte an der Nacht. Nie sollte sie enden. Das Gefühl umhüllte sie wie ein Kokon aus Honig. Niemals sollte das enden, nie, nie, nie. Es war der dritte Tag. Oder war es schon der vierte? Die Luft vibrierte. Zigarettenqualm. Er brannte in ihren Augen. Sie tränten und verwässerten die Sicht auf den Bildschirm. Die Konturen des Chatfensters wirkten wie weichgezeichnet. Sie suchte ihren Fokuspunkt. Was hatte er geschrieben? Sie scrollte mit dem Mausrad, viel zu schnell für ihre Augen. Krrrrrr. Sie sollte sich mal eine neue Maus zulegen. Oder woher kam das Geräusch?

„Wollen wir uns bei Lidl treffen?“

Wollte sie. Zumindest der Teil in ihr, der an der Nacht klebte. Der wollte das unbedingt. Der andere Teil, geschrumpft, verdrängt, kleingeraucht, wollte das nicht. Überhaupt nicht. Du wirst das nicht überleben, schrie dieser Teil. Aber nicht laut genug.

Sie weinte. Eine Welle der Trauer brach sich in ihr. Wie sehnte sie sich danach, normal zu sein. Wie die anderen auch, ein paar Gläschen Sekt trinken, beschwipst sein. Schlafen gehen.

Sie konnte das nicht. Sie klebte an der Nacht.

„?“. Er schickte ein drängelndes Fragezeichen hinterher.

Warum eigentlich? Achso, wegen des Treffens. Wichtiger als er, war sein Gepäck.

Waren es vielleicht schon 4 Tage?

Sie hatte Angst vor dem Empordämmern. Vor der Beklemmung beim Erwachen. Vor den Schmerzen. Vor dem Leben ohne Honiggefühl.

Sie musste jetzt eine Entscheidung treffen. Antworten.

„In 10 Minuten“, tippte sie.

Warum hatte sie das geschrieben? Warum hatte sie nicht den Rechner heruntergefahren?

Weil sie an der Nacht klebte.

Als sie vom Treffen wiederkam, war sie glücklich.

Dieses Glück war es, dass sie so klebrig machte.

Es dauerte nur einen Herzschlag lang, das Glück. Wie immer.

Dann war Stille.

Für immer.

Es waren vier Tage.

Man konnte es an den Zähnen sehen.

Wie üblich bei Crack.
 



 
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