Sie sind wie zarte Blumen

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Tula

Mitglied
Sie sind wie zarte Blumen

Sie sind wie zarte Blumen,
die erste Blüten weben.
Sie baden sich im Morgentau
und träumen einen Himmel blau,
ihr Durst verlangt nach Leben.

Sie öffnen ihre Kelche
nur wohlgesinnten Händen.
Auch mancher, die sich herzlos drängt,
der Ekel wird, im Wein ertränkt,
nach einer Stunde enden.

Sie sind wie zarte Blumen
und blühen kaum seit Wochen.
Nach zehn in der Pianobar,
fünf Sterne, wo nie Himmel war,
dort werden sie gebrochen ...
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es fängt gut an, die mittlere Strophe
fällt ab, und endet sehr gut.

Ich würde bei:
" der Ekel wird, im Wein ertränkt"

das Komma wegnehmen.

Der Sinn erschließt sich auch so und
man bleibt beim Lesen weniger hängen.

L.G
Patrick
 

Tula

Mitglied
Hallo
Allen erstmal Dank für Kommentare und Bewertungen.

Die unverblümte Prostitution im Hotel ist für Deutschland sicher so nicht bekannt. Sobald wir ins nichteuropäische Ausland kommem, allerdings sehr häufig. In ein solches Land muss ich dienstlich seit Jahren mit einiger Regelmäßigkeit und finde dort immer dasselbe Bild, mal krasser, mal etwas versteckter. "Beeindruckend" für mich immer das zarte Alter der Mädchen, bei manchen kommt mir der Zweifel, ob die wenigstens 18 sind.

Die Anspielung auf den Durst nach Leben ist bewusst. Dort wo es kaum Möglichkeiten gibt, auf andere Weise vernünftiges Geld zu verdienen, locken die organisierten Zuhälter mit dem vergleichsweise leichten Geld.

LG
Tula
 
F

Frodomir

Gast
Hallo Tula,

dein Gedicht gefällt mir sehr gut und wie ich finde, besitzt es eine unaufdringliche und trotzdem sehr kraftvolle Sprache.

Die erste Strophe hat für mich zunächst alles offen gehalten und ich konnte dem Gedicht noch keine Thematik entlocken. In der zweiten Strophe überraschte mich dementsprechend der Begriff "Ekel" und in der dritten war ich begeistert von der Sprache, aber der Inhalt deines Gedichtes erschloss sich mir erst durch deine Erklärung.

So ein schwieriges Thema derart sensibel anzugehen und ein gutes Gedicht daraus zu machen, finde ich wirklich gelungen. Vor allem die letzte Strophe begeistert mich, weil ich es immer besonders interessant finde, wenn man ein Bild in seiner Bedeutung zerlegt und die daraus entstehenden Perspektiven inhaltlich gegenüberstellt (es ist gar nicht so leicht zu beschreiben, was ich meine, ich hoffe, du verstehst mich trotzdem), wie du es bei dem 5-Sterne-Hotel getan hast.

Auch das Bild der gebrochenen Blumen rundet, falls man das bei einem solchen Thema sagen kann, das Gedicht sehr gut ab.

Das Komma in der zweiten Strophe nach "wird" erklärt sich mir nur so, dass du den "herzlosen manchen" personifiziert hast mit dem Substantiv "Ekel"? Trotzdem verstehe ich dann nicht das Relativpronomen "die", denn müsste es nicht heißen, "Auch mancher, [red]der[/red] sich herzlos drängt"?
Hm, aber letztlich bleiben die letzten drei Verse der 2. Strophe grammatisch für mich ein wenig unverständlich, vielleicht kannst du mir hier ein wenig auf die Sprünge helfen?

Mit freundlichen Grüßen
Frodomir
 

Tula

Mitglied
Hallo Frodomir

vielen Dank für deine wirklich ausführlichen Gedanken zum Gedicht. Du bestätigst auch worauf es mir ankam: eine schlichte Sprache, die dennoch bildhaft und ausdrucksstark bleibt (und traurig nüchtern am Ende), mit genügend Raum für die Interpretationen des Lesers.

Zur zweiten Strophe: ich verstehe jetzt, dass diese in der Tat einen kleinen Haken hat(te). Denn inhaltlich leitet die dritte Zeile (die ja genau in der Mitte des Gedichts steht) den zweiten Teil ein, also die "Auflösung des Rätsels" für den Leser, der von einer vermeintlich positiven Perspektive in die wahre, negative, geführt wird. Der Haken ist, dass die dritte Zeite grammatikalisch zur zweiten gehört. Es muss also richtig lauten:

Sie öffnen ihre Kelche nur wohlgesinnten Händen, auch mancher (also Hand), die sich herzlos drängt.

Wohlbemerkt, dass sich der Kelch (hier sinnbildlich für den Körper der Frau in seiner Gesamtheit) hier nur den Händen des Mannes öffnet (Zugang erlaubt), d.h. sie öffnet sich nicht im weiteren (emotionalen) Sinne dem anderen Menschen. Es verbleibt beim oberflächlichen (aber unausweichlichen) Kontakt einiger Körperteile, der Rest bleibt fest verschlossen. Deshalb möchte ich das Bild der Hand in der dritten Zeile auch nicht mehr ändern, auch wenn es vielleicht etwas gestelzt klinkt.

Soweit zumindest zu meinen Absichten.
Und somit werden die 4. und 5. Zeile zu einem in sich geschlossenen Satz; sicherlich "richtiger" so.


Mit besten Grüßen

Tula
 

Tula

Mitglied
Sie sind wie zarte Blumen

Sie sind wie zarte Blumen,
die erste Blüten weben.
Sie baden sich im Morgentau
und träumen einen Himmel blau,
ihr Durst verlangt nach Leben.

Sie öffnen ihre Kelche
nur wohlgesinnten Händen,
auch mancher, die sich herzlos drängt.
Der Ekel wird im Wein ertränkt
nach einer Stunde enden.

Sie sind wie zarte Blumen
und blühen kaum seit Wochen.
Nach zehn in der Pianobar,
fünf Sterne, wo nie Himmel war,
dort werden sie gebrochen ...
 
F

Frodomir

Gast
Hallo Tula,

ich glaube deine Erklärung zu verstehen, allein die Grammatik begreife ich in der umstrittenen Passage nicht. Wenn sich also das "mancher" auf die "Hände" bezieht, wieso ist das Pronomen dann nicht weiblich flektiert - also "manche"?

Viele Grüße
Frodomir
 
F

Frodomir

Gast
Jetzt hat es bei mir Klick gemacht und ich habe es verstanden :) Es ist alles richtig.

Umso besser gefällt mir nun noch dein Gedicht!
 



 
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